
Mit 64 Prozent verzeichnete die zweite Runde der Präsidentschaftswahl in Rumänien am 18. Mai 2025 eine massive Beteiligung. Nicușor Dan, der unabhängige, von der extrem neoliberalen Uniunea Salvați România (Union Rettet Rumänien, USR) unterstützte Kandidat, gewann die Wahl mit 53,6 Prozent der Stimmen. George Simion, der unterlegene Gegenkandidat der rechtsnationalistischen Alianța pentru Unirea Românilor (Allianz für die Vereinigung der Rumänen, AUR), errang mit 1,6 Millionen Auslandsstimmen immerhin die Mehrheit in der Diaspora (55,86 Prozent).
Enikő Vincze ist Professorin an der Babeș-Bolyai-Universität und Mietrechtsaktivistin in Cluj, Rumänien.
Nach gerade einmal 21 Prozent in der ersten Runde eine Woche zuvor, bei der Simion noch mit 41 Prozent in Führung gelegen hatte, markierte dies einen bedeutenden Sieg für die neoliberale Partei und eine durchaus überraschende Entwicklung. Darin ähnelte sie dem ersten Anlauf zur Präsidentschaftswahl im November 2024, der unter dem Vorwand russischer Einmischung allerdings annulliert wurde, nachdem der unabhängige rechtsnationalistische Kandidat, Călin Georgescu, beinahe 23 Prozent erhalten hatte. Trotz all ihrer Bemühungen gingen die Parteien der zentristischen Regierungskoalition aus Partidul Social Democrat (Sozialdemokratische Partei, PSD) und Partidul Național Liberal (Nationalliberale Partei, PNL) aus jeder Runde dieser sechs Monate währenden Präsidentschaftswahl als größte Verliererinnen hervor.
Simions Lager wurde medial überwiegend als «rechtsextrem» beschrieben, während Dan als Kandidat der liberalen Mitte präsentiert wurde. Die Zuschreibungen verdecken jedoch die Tatsache, dass der von Figuren wie Dan neuerlich propagierte Neoliberalismus ebenjene rechtsnationalistischen Kräfte stärkt, die sie vorgeblich einzudämmen versucht. Gleichzeitig setzen sie extrem rechte Wirtschaftsmaßnahmen durch, um im Rahmen des kapitalistisch-demokratischen Systems wieder für Wachstum zu sorgen. So gesehen ließe sich auch sagen, dass beide Kandidaten für unterschiedliche Strömungen einer extremen Rechten stehen: Simion für die nationalistische Variante und Dan für die neoliberale Wiedergeburt.
Dieses neuartige politische Szenario ist aber nur eine regionale Ausprägung des globalen Todeskampfs des Neoliberalismus im Zuge der aktuellen Neuausrichtung der kapitalistischen Ordnung. Während sich Dan auf die Seite ausländischer Investor*innen stellte und sich für die militärische Unterstützung der Ukraine und eine Beibehaltung der rumänischen Position im derzeitigen Status quo der EU aussprach, waren Simions Positionen Ausdruck der Interessen des rumänischen Kleinbürgertums, das eine militärische Unterstützung der Ukraine ablehnte und ein Europa «souveräner Nationen» forderte. Worin allerdings beide übereinstimmten, war die Notwendigkeit einer erneuten Aufrüstung im Rahmen des EU-Programms ReArmEurope/Readiness 2030 sowie einer Reform des zentralen wie lokalen Verwaltungssystems.
Kennzeichnend für die derzeitige politische Krise in Rumänien ist der massive Vertrauensverlust der Bevölkerung in traditionelle Parteien.
In seiner ersten Erklärung nach der finalen Abstimmung sagte Dan, dass die «Gemeinschaft», die für ihn gestimmt hätte, sich «funktionalere staatliche Institutionen, weniger Korruption, ein günstiges wirtschaftliches Umfeld und eine Gesellschaft des Dialogs» wünsche. Die Wähler*innen von Simion hingegen beschrieb er als «eine Gemeinschaft, die eine Revolution anstrebt und davon überzeugt werden muss, dass die Lösung ihrer Probleme in einer Reform der Justiz und öffentlichen Verwaltung liegt». Ganz offensichtlich war ihm die wirtschaftliche Not, unter der die arbeitenden Klassen leiden, nicht wirklich vertraut.
In einem nächsten Schritt wird der neu gewählte Präsident einen Ministerpräsidenten bestimmen, der dann mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt wird. Neben den eigenen politischen Prioritäten wird dessen Hauptaugenmerk notwendigerweise darauf liegen, dass sich die Mehrheit der Sitze im rumänischen Parlament auf Vertreter*innen extrem rechter nationalistischer Parteien (32 Prozent der Sitze) sowie auf verschiedene rechte Parteien (weitere 32 Prozent der Sitze) verteilt. Die Sozialdemokratische Partei hingegen erreichte nur 22 Prozent.
Unter diesen Vorzeichen zu regieren, und das inmitten einer schweren Wirtschaftskrise, wäre für jede*n eine große Herausforderung. In Rumänien wird das besonders schwer. Denn dort hat der wirtschaftliche Abschwung dazu geführt, dass sich große Teile der arbeitenden Klassen und des Kleinbürgertums – angesichts mangelnder Alternativen zu einer zentristischen sozialdemokratischen oder liberalen Politik – extrem rechten nationalistischen und antikommunistischen Parteien zugewandt haben. Aufseiten der extremen neoliberalen Rechten besteht die vorgebliche Alternative hingegen in einem antikommunistischen Antifaschismus. Obgleich es dem Wahlsieger dieses Mal gelang, die extrem rechten Nationalist*innen abzuwehren, wird diese Entwicklung die aktuelle Krise langfristig nur verschärfen.
Stagnierendes Wachstum und steigende Kosten
Um die Wahl vom letzten Wochenende einschätzen zu können, ist es sehr viel relevanter, auf die desolate soziale Lage in Rumänien zu blicken, denn auf eine echte oder angebliche «russische Einmischung». Diese Lage ist das Ergebnis sich multiplizierender Auswirkungen einer für den Kapitalismus typischen zyklischen Krise. An ihrem Anfang stand der dramatische wirtschaftliche Einbruch, der auf die Privatisierung und Liberalisierung in den 1990er Jahren folgte und schließlich zur aktuellen Polykrise führte. Heute leben mehr als 5,7 Millionen Rumän*innen im Ausland, wobei die meisten von ihnen das Land nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems verließen. Den Kontext für diese Abwanderungsbewegung boten die EU-Osterweiterung sowie die Rekonfiguration des globalen Kapitalismus. Denn damit wurde eine zuvor nichtkapitalistische Semi-Peripherie für privates Kapital erschlossen, das auf der Suche war nach neuen Investitionsmöglichkeiten, Märkten, natürlichen Ressourcen und billigen, mobilen Arbeitskräften.
Im Anschluss an eine leichte Erholungsphase der rumänischen Wirtschaft nach der Krise von 2008 und den darauffolgenden Sparmaßnahmen stufte die Weltbank Rumänien im Jahr 2019 als Land mit hohem Einkommen ein. Nach einem pandemiebedingten Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 3,61 Prozent im Jahr 2020 waren 2021 (5,71 Prozent) und 2022 (4,1 Prozent) wieder hohe BIP-Zuwächse zu verzeichnen. Dem Rückgang an Wirtschaftsleistung im Zuge der Einschränkungen während der Coronapandemie begegnete der Staat mit Hilfspaketen für Unternehmen, die durch staatliche Kredite finanziert wurden und zu einem Defizit im Staatshaushalt führten.
Trotz des Jubels rund um den BIP-Zuwachs blieben die Armutsrate und der Grad an sozialer Ausgrenzung in Rumänien mit 32 Prozent im Jahr 2023 unverändert hoch. Innerhalb der EU zeichnet sich Rumänien durch eine der höchsten Raten an Armutsgefährdung von Erwerbstätigen aus. Obgleich das Mindesteinkommen ein wenig gestiegen ist (auf etwas mehr als 500 Euro), liegt es immer noch deutlich unter den Kosten des monatlichen Warenkorbs des Grundbedarfs (schätzungsweise knapp 800 Euro pro Person).
Während beinahe der gesamten postsozialistischen Phase der rumänischen Geschichte fand die Unzufriedenheit mit Mitte-Links-Politiker*innen, die allein oder in einer Koalition mit Mitte-Rechts-Parteien regierten, ihren Ausdruck in einem beständigen Antikommunismus.
Die Krise der Lebenshaltungskosten, die 2022 begann, verschärfte diese Situation zusätzlich. Daten von Eurostat zufolge verzeichnete Rumänien 2023 eine der höchsten Steigerungen bei den Strom- und Gaspreisen für private Haushalte in der gesamten EU, mit Erhöhungen um 77 bzw. 134 Prozent. Dabei subventionierte der Staat allerdings die Profite der Energieunternehmen, indem er 60 Prozent ihrer Rechnungen beglich, was ein großes Loch im Haushalt hinterließ. Zudem lag die Inflationsrate des Landes generell höher als der EU-Durchschnitt: 13,8 Prozent in 2022, 10,4 in 2023, 5,58 in 2024 und 5,1 Prozent im Februar 2025. Das reale BIP-Wachstum Rumäniens bremste 2023 unterdessen auf 2,1 Prozent ab.
Für 2025 wird eine durchschnittliche Teuerungsrate von 4,61 Prozent erwartet, und das, obwohl die Regierung die Gehälter und Pensionen im öffentlichen Dienst zu Beginn des Jahres mit einer Notverordnung eingefroren hat. Die Militärausgaben sind weiter angestiegen, etwa durch den Kauf von sieben US-amerikanischen Patriot-Flugabwehrsystemen im Wert von vier Milliarden US-Dollar im Jahr 2017. Das rumänische BIP wuchs 2024, einem Jahr mit vier Wahlen (Lokalwahlen, EU-Parlament, Parlament und Präsidentschaft), um gerade einmal 0,9 Prozent. Die Schuldenstandsquote des Landes, die zwischen 1995 und 2023 im Schnitt bei 27,75 Prozent lag, überstieg Ende 2024 den Wert von 55 Prozent. Die Verschuldung wurde durch große Defizite im Staatshaushalt weiter angetrieben und erreichte bis Ende 2024 insgesamt 9,5 Prozent des BIP.
Neben der Einhaltung der Verpflichtungen des Landes als EU- und NATO-Mitglied gehört diese Senkung der öffentlichen Ausgaben bei gleichzeitig steigenden Militärausgaben zu den größten Herausforderungen der zu bildenden Regierung. In den kommenden vier bis sieben Jahren muss Rumänien sein Haushaltsdefizit auf unter 3 Prozent und seine Schulden auf unter 50 Prozent drücken und gleichzeitig die Militärausgaben auf 5 Prozent des BIP hochschrauben.
Bereits vor den Wahlen von 2024 hatte die große Koalition in Rumänien einen mittelfristigen finanzpolitisch-strukturellen Plan (MTFSP) für den Zeitraum 2025–2031 erarbeitet und bei der Europäischen Kommission eingereicht. Dieser Plan sieht Strukturanpassungsmaßnahmen vor, die mittels Kürzungen der Ausgaben für den öffentlichen Sektor dabei helfen sollen, das Haushaltsdefizit zu reduzieren. Darüber hinaus beauftragte der Oberste Rat für Landesverteidigung (CSAT) im April 2025 den Verteidigungsminister, an den Verhandlungen zur Vorbereitung des NATO-Gipfels im Juni teilzunehmen und Rumänien zu verpflichten, sich am EU-Programm ReArmEurope/Readiness 2030 zu beteiligen, indem das Ministerium die Rüstungsausgaben auf 3,5 Prozent des BIP erhöht und zu diesem Zweck neue Kredite aufnimmt.
Obwohl die steigenden Lebenshaltungskosten sowie die zunehmende Ungleichheit die arbeitenden Klassen schwer trafen, sind die politischen Entscheidungsträger*innen diese Probleme nicht angemessen angegangen. Zudem waren sie bei zwei zentralen Fragen, die das Land betreffen, nicht transparent: bei der Beteiligung Rumäniens am Krieg zwischen Russland und der Ukraine sowie bei den Plänen zur Behebung des Haushalts- und Handelsdefizits. Die Vertreter*innen eines extremen Neoliberalismus, die parteiübergreifend die Interessen der Wirtschaft und der Finanzmärkte vertreten, warfen der zentristischen Regierungskoalition überhöhte Ausgaben für Gehälter und Pensionen vor. Diese hätten – so ihr Argument – das Land in eine katastrophale wirtschaftliche Lage gebracht, weshalb es kurz vor dem Bankrott stehe. Währenddessen verurteilte die nationalistische extreme Rechte «das System» dafür, die Interessen Rumäniens dem ausländischen Kapital unterzuordnen, forderte Respekt für «das Volk» und propagierte einen Wirtschaftspatriotismus als Lösung für die ökonomische Misere des Landes.
Antikorruption und Antikommunismus als Antwort auf die politische Krise
Kennzeichnend für die derzeitige politische Krise in Rumänien ist der massive Vertrauensverlust der Bevölkerung in traditionelle Parteien wie PSD und PNL. Diese Parteien waren die Wegbereiterinnen für die Umwandlung des Staatssozialismus in den Kapitalismus und trugen zu den Krisen bei, die aus der anschließenden neoliberalen Wirtschafts- und Sozialpolitik resultierten. Bei verschiedenen sozialen Klassen herrscht in ganz Rumänien ein allgemeines Gefühl der Unzufriedenheit mit der Führung des Landes vor. Die arbeitenden Klassen, die verschiedene Berufs- und Einkommensgruppen umfassen, sind nach 35 Jahren wiederkehrender Krisen wütend und erschöpft. Denn selbst heute lässt sich mit dem Durchschnittseinkommen kein angemessener Lebensunterhalt erzielen. In Städten wie Cluj beispielsweise, wo das Durchschnittseinkommen über dem Landesdurchschnitt liegt, betragen die Wohnkosten mehr als 40 Prozent des Einkommens von Arbeiter*innen. Die Gründe, warum Menschen in einer solchen Situation Dan gewählt haben, sind vielfältig: etwa, weil sie ihn für das kleinere Übel im Vergleich zu Simion hielten, weil sie die Normen der liberalen Gesellschaft verinnerlicht haben, wonach sie sich einfach mehr anstrengen müssen, um sich eine Wohnung in teuren Städten zu leisten, oder weil sie noch keine geeigneten Bündnisse vorgefunden haben, in deren Rahmen sie ihre Unzufriedenheit ausdrücken konnten.
Die herrschenden Klassen sind daneben aber auch mit den Parteien des Mainstreams unzufrieden, weil diese die Staatsunternehmen und das Sozialversicherungssystem nicht völlig abgeschafft haben und weil das öffentliche Gesundheits- und Bildungswesen sowie das Rentensystem und der Energiesektor nicht ausreichend privatisiert wurden. Dennoch waren sie gerne bereit, sich der USR und dem Wahlsieger Dan anzuschließen, obwohl die AUR sich alle Mühe gegeben hatte, das Kleinbürgertum zu umgarnen, das ebenfalls Teil der herrschenden kapitalistischen Klassen ist.
Dan konnte zum liberalen Konsenskandidaten werden und eine Reihe von Persönlichkeiten aus der sozialdemokratischen und fortschrittlichen Linken anziehen, indem er sich auf binäre Gegensätze bezog.
Während beinahe der gesamten postsozialistischen Phase der rumänischen Geschichte fand die Unzufriedenheit mit Mitte-Links-Politiker*innen, die allein oder in einer Koalition mit Mitte-Rechts-Parteien regierten, ihren Ausdruck in einem beständigen Antikommunismus. Das gilt auch für diese Wahl, wo Dan zum Gegenstand einer starken zivilgesellschaftlichen Mobilisierung wurde, die sich auf den Antikommunismus fokussierte und auf Traditionen aus den 1990er Jahren zurückgreifen konnte. Einige der Protestlieder, die damals bei den großen Protesten in Bukarest und anderen Städten zu hören waren, tauchten bei den Kundgebungen zur Unterstützung Dans Anfang Mai wieder auf. Ein beliebter Refrain lautet beispielsweise: «Lieber ein Vagabund als ein Aktivist, lieber tot als ein Kommunist.» Der Nationalist Simion sang dieselben Verse bereits 2006 gegen Ion Iliescu, den ersten Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei in Rumänien. Damals war Simion noch in der Gruppe Noii Golani («Neue Vagabunden») aktiv, bevor er 2012 seine Vereinigung und 2019 dann seine reaktionäre und irredentistische Partei AUR gründete.
Zwischen 2015 und 2019 mündete eine starke antikommunistische Mobilisierung in eine Reihe von Antikorruptionskampagnen. Daran beteiligt war auch Dans Verein «Rettet Bukarest», der 2015 in die Partei «Union zur Rettung Bukarests» (USB) umgewandelt und später zur USR wurde. Die USR-Kampagne «Ohne Strafregister in öffentliche Ämter», die die Partei 2016 ins Parlament spülte, war durch die Antikorruptions-Maßnahmen des damaligen Präsidenten Traian Băsescu und der Nationalen Antikorruptionsbehörde Rumäniens unterstützt worden. Nach ihrer Gründung setzte die USR mit den #rezist-Protesten 2017 und der «Revolution unserer Generation» im Jahr 2018 ihre Anti-PSD-Stoßrichtung fort, ganz im Sinne von PNL-Präsident Klaus Iohannis. Diese Antikorruptionskampagnen waren stets gegen den Staat gerichtet und rechtfertigten damit die zunehmende Kürzung öffentlicher Dienste und Güter, nachdem Privatisierungsmaßnahmen das öffentliche Eigentum an den Produktionsmitteln bereits im Laufe mehrerer Jahrzehnte zerstört hatten. So dient der Antikommunismus – ob in Form seiner extrem neoliberalen oder seiner rechts-nationalistischen Ausrichtung – stets der Stabilisierung der kapitalistischen Ordnung.
Zwischen liberalem und sozialistischem Antifaschismus
Die antikommunistischen und Antikorruptions-Botschaften der jüngsten Wahlen kamen diesmal in Begleitung einer Art des liberalen Antifaschismus daher, der deutlicher denn je machte, dass die liberale Zivilgesellschaft eine entscheidende Säule für das Funktionieren des kapitalistischen Systems ist. Ihre Vertreter*innen sind Teil eines bestimmten Segments des Bürgertums, das seine Privilegien innerhalb des Systems verteidigt. Damit stützt die liberale Zivilgesellschaft indirekt oder direkt die Interessen von Unternehmen, die ihrerseits zu deren privaten Sponsoren werden könnten oder es bereits sind, wie etwa Banken oder Immobiliengesellschaften. Indem sie Faschismus und Kommunismus als vergleichbare Erscheinungsformen des Autoritarismus präsentiert, delegitimiert sie zudem die Idee einer sozialistischen Alternative zum Kapitalismus.
So gesehen stützt die Forderung der Vertreter*innen eines extremen Neoliberalismus nach politischer Stabilität die Reproduktion des Status quo, während die rechtsnationalistischen Parteien als Produkt der sich ausweitenden Dysfunktionalität dieses Status quos interpretiert werden können. Vor dem Hintergrund des Niedergangs des neoliberalen Kapitalismus beschwören seine Verwalter*innen immer häufiger die faschistische Bedrohung als Rechtfertigung für einen autoritären, ja sogar undemokratischen Umbau der liberalen Demokratie. Dabei stellen sie sich als die einzigen dar, die das Land vor der größten Gefahr seit Jahrzehnten retten könnten. Nachdem die faschistische Bedrohung gebannt sei, so ihr Versprechen, würden sie sich zumindest teilweise den sozialen Problemen zuwenden, wie der Armut, der Ungleichheit und dem Verlust an Würde, die die nationalistischen Parteien mit ihrer extrem rechten Agenda zu bedienen versuchten. In diesem Sinne dient der Faschismus, strukturell und als Instrument des Kapitals, beiden extrem rechten Ausprägungen als Mittel, um Proteste gegen den Kapitalismus zum Verstummen zu bringen.
Die liberalen antifaschistischen Kräfte in Rumänien drängen, Seite an Seite mit der neoliberalen Rechten, auf weitere Privatisierungen in wirtschaftlichen wie nicht-wirtschaftlichen Sektoren, auf einen Abbau des Staatsapparats und noch stärkere Kürzungen bei den Investitionen in öffentliche Güter und Dienstleistungen sowie schließlich auf ein gewisses Maß an Reindustrialisierung, die durch Militärausgaben vorangetrieben werden soll. Diese Vorschläge sollen dem dahinsiechenden Körper des Kapitalismus neues Leben einhauchen. Die Vertreter*innen des extremen Neoliberalismus vermögen es allerdings nicht zu sehen – oder wollen es nicht –, dass solche Interventionen eine gewisse faschistische Qualität besitzen, da ihnen gewaltvolle strukturelle Prozesse zugrunde liegen, wie etwa Ausbeutung, Enteignung und Unterdrückung in unterschiedlichen Formen. Falls überhaupt, dann erkennen sie widerwillig an, dass die liberale Politik der letzten Jahrzehnte die materiellen Nöte der Menschen vernachlässigt habe, während sie sich gleichzeitig betroffen darüber zeigen, dass in der Folge so viele Menschen ihre Wut durch das Ventil extrem rechter Nationalist*innen zum Ausdruck bringen.
Die Vertreter*innen eines liberalen Antifaschismus präsentieren den neoliberalen Status quo als alternativlos. Als Rechtfertigung dienen die zwanghafte Bewunderung einer idealisierten EU als Schicksal und natürliche geopolitische Heimat Rumäniens sowie eine kräftige Dosis Russophobie und die Angst vor allem, was die westliche Hegemonie in der heutigen Welt bedrohen könnte. Die Vertreter*innen der liberalen Zivilgesellschaft versuchen der Bevölkerung weiszumachen, dass nur eine noch extremere neoliberale Führung die Probleme lösen kann, die von der vorherigen zentristischen Koalition verursacht wurden. Da es in Rumänien jedoch keine glaubwürdige sozialistische oder auch nur linksgerichtete Alternative gibt, kanalisierten viele Rumän*innen ihre Unzufriedenheit in Richtung einer nationalistischen Agenda, mit ihrem Fokus auf Familie, Religion, Nation und wirtschaftliche Freiheit für das rumänische Kleinbürgertum.
Dan konnte zum liberalen Konsenskandidaten werden und eine Reihe von Persönlichkeiten aus der sozialdemokratischen und fortschrittlichen Linken anziehen, indem er sich auf binäre Gegensätze bezog, wie Demokratie versus Autoritarismus, Europäertum versus Nationalismus, Liberalismus versus Faschismus, Dialog versus Gewalt und EU versus China oder Russland. Folglich konnten diese Persönlichkeiten keine kritische Haltung gegenüber der bevorstehenden extrem neoliberalen Politik artikulieren. Stattdessen stellten sie sich gemeinsam mit den Liberalen gegen den nationalistischen Kandidaten, den sie stellvertretend für alle potenziellen Bedrohungen der Gegenwart – ob real oder imaginär – ablehnten, seien es nun Faschist*innen, Putinist*innen, Trumpist*innen oder «Anti-Europäer*innen». Einige aus diesem Teil der rumänischen Linken stimmten sogar in den liberalen Chor mit ein, der die sozialistische Kritik am Kapitalismus, an der EU, am Militarismus und an der Sparpolitik ebenso verurteilte wie die Position, dass faschistische Gewalt Ausdruck der strukturellen Gewalt des Kapitalismus ist.
Die neuen Sozialist*innen verfügen allerdings noch über keine politische Partei. Aktuell bestehen sie lediglich als loses Netzwerk von Einzelpersonen und informellen Gruppen. Und obwohl sie, zumindest im Moment, nicht als Wahlalternative fungieren können, sind sie derzeit die einzigen Stimmen, die eine internationalistische, antifaschistische und antimilitaristische sozialistische Alternative zum turbulenten und dem Verfall anheimfallenden Status quo vorschlagen. In diesem Sinne stellen sie Rumäniens beste Hoffnung dar, eines Tages aus der binären Betrachtung im Stile von Liberalismus vs. Faschismus oder Neoliberalismus vs. Nationalismus auszubrechen, die heute die Politik beherrscht.
Übersetzung von Sebastian Landsberger und Cornelia Gritzner für Gegensatz Translation Collective.