
Bei der albanischen Parlamentswahl im Mai zementierte die Sozialistische Partei (PS) mit einem Erdrutschsieg ihre Position als führende politische Kraft und sicherte Ministerpräsident Edi Rama eine historische vierte Amtszeit in Folge. Seit der 40jährigen Herrschaft von Enver Hoxha und seiner Partei der Arbeit war keine Partei oder Person mehr so lange ununterbrochen an der Macht.
Das Ergebnis macht deutlich, wie fest Rama die politische Landschaft Albaniens – und praktisch alle Bereiche des öffentlichen Lebens – im Griff hält. In seinem dreizehnten Jahr an der Macht verfügt die zersplitterte Opposition kaum noch über Einfluss oder Spielraum für politische Veränderungen.
Fest verankerte Staatsvereinnahmung
Man braucht nur ein beliebiges Regierungsgebäude in Tirana zu betreten, um ein Gefühl dafür zu bekommen, warum Albanien auf dem Korruptionsindex von Transparency International nur 42 von 100 Punkten erhält. Dabei wurde das Land erst vor Kurzem zum führenden Kandidaten für eine EU-Mitgliedschaft erklärt und hat seinen früheren Punktestand etwas verbessert, sodass es jetzt auf Platz 80 liegt anstatt auf Platz 99.
Una Hajdari schreibt als Journalistin vor allem über postkommunistische Gesellschaften mit dem Schwerpunkt nationalistische und rechtsextreme Bewegungen sowie Identitätspolitik. Sie berichtet regelmäßig über den Westbalkan, Mittel- und Osteuropa.
Die Menschen in Albanien beklagen regelmäßig die schwerfällige Bürokratie, in der persönliche Gefallen Vorrang vor regulären staatlichen Aufgaben erhalten; betroffen sind sämtliche Bereiche vom Bildungs- und Gesundheitswesen bis zur Arbeit im öffentlichen Dienst. Der Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2024 bringt dies noch deutlicher zum Ausdruck, insbesondere da die Regierungspartei ein umfassendes Amnestiegesetz erlassen hatte, was dazu führte, dass bei 40 Beamt*innen die vom Antikorruptionsgericht verhängten Strafen aus den Akten gelöscht und die Urteile für 65 weitere Amtsträger*innen reduziert wurden. Damit werden ebenjene Instanzen untergraben, die eigentlich die Korruption bekämpfen sollten.
Zwar kämpfen einige kleinere Parteien darum, gegen die kleptokratische Kontrolle des Staates durch die Sozialistische Partei vorzugehen, allerdings besteht in der Bevölkerung keine große Hoffnung, dass sich an diesen Praktiken in absehbarer Zeit etwas ändern wird. Als die Albaner*innen am 11. Mai schließlich an die Wahlurnen gingen, machten internationale Beobachter*innen keinen Hehl aus dem, was sie sahen: Mit Bussen wurden Angestellte des öffentlichen Dienstes zu regierungsfreundlichen Kundgebungen angekarrt und landesweite Patronage-Netzwerke aktiviert; der Druck auf die Wählenden war deutlich spürbar. Immer wieder konnten Journalist*innen beobachten, wie sich Parteianhänger*innen in der Nähe von Wahllokalen aufhielten, um die Bürger*innen unter Druck zu setzen, ihre Stimme einer bestimmten Partei zu geben – Chancengleichheit war bei diesen Wahlen so gut wie unmöglich.
Trotz dieser und anderer eindeutig dokumentierter Missstände besteht kaum Aussicht darauf, dass die Vorwürfe bezüglich Stimmenkauf und Einschüchterungen aufgearbeitet werden. Die Behörde mit dem offiziellen Titel Beschwerde- und Sanktionskommission legt die Bestimmungen zum Missbrauch administrativer Ressourcen immer noch extrem eng aus, was sich in aller Regel zugunsten der regierenden Partei auswirkt. Der Pluralismus in den Medien steht kaum besser da: Reporter ohne Grenzen haben Albanien in ihrer Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 99 von 180 Ländern zurückgestuft, und Beobachter*innen des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte stellten fest, dass in der Wahlberichterstattung die beiden führenden Parteien stark dominierten. Außerdem hoben sie hervor, dass sich die Nachrichtenagenturen größtenteils in den Händen einiger weniger Vermögender befinden.
Die Sozialistische Partei mag alles Mögliche sein, aber sie ist ganz sicher nicht die Partei der Umverteilung oder Arbeiterrechte.
Die sozialistische Regierung hatte die Wahlgesetzgebung dahingehend geändert, dass Sender verpflichtet waren, großen Parteien doppelt so viel kostenlose Sendezeit zur Verfügung zu stellen wie kleineren parlamentarischen Gruppen, wodurch kleine Parteien der Plattform beraubt wurden, mit der sie ihre Unterstützer*innen hätten erreichen können. Obendrein wurde TikTok im Vorfeld der Wahl verboten, da junge Menschen dort angeblich gewalttätigen Inhalten ausgesetzt seien. Auch wenn an dem Vorwurf etwas Wahres dran ist – durch dieses Verbot wurde unmittelbar vor einer großen Wahl eine der wichtigsten Plattformen für oppositionelle Parteien und Aktivist*innen abgeschaltet.
In Bezug auf das Klima sind die Aussichten nicht weniger düster: Brüssel bezeichnete die Aufweichung der albanischen Naturschutzgesetze im vergangenen Jahr als «negative Entwicklung», und Aktivist*innen warnen, dass dies die Tür für eine Erschließung der Adriaküste und des Vjosa-Deltas öffnen könne, die die Schönheit der Natur und der natürlichen Ressourcen Albaniens zerstören würde. Bereits lange vor dieser Wahl hatten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) Beschwerden gegen albanische Regierungsbeamt*innen beim Sekretariat der Energiegemeinschaft eingereicht, weil sie Konzessionen für Wasserkraftwerke an Europas letztem wahrhaft wilden Fluss, dem Vjosa, vergeben hatten.
Die Wirtschaft boomt trotz allem, zumindest auf dem Papier. Für 2025 erwartet die Weltbank immer noch ein Wachstum von 3,2 Prozent, warnt jedoch gleichzeitig davor, dass unvollendete Reformen und Schocks von außen die Armutsrate und Ungleichheit unvermindert hoch halten. Die Arbeitslosenquote ist bereits auf alarmierende 18,9 Prozent gestiegen, und diese erschreckende Zahl trägt zweifellos ihren Teil dazu bei, dass so viele talentierte Hochschulabsolvent*innen mit einem One-Way-Ticket ins Ausland gehen.
Klientelpolitik
Seit der ersten Wahl im Jahr 1990 besteht das politische System Albaniens, vereinfacht ausgedrückt, aus einem Zwei-Parteien-Modell mit der Sozialistischen Partei und der Demokratischen Partei.
Anders als bei den gewaltsameren Übergängen aus dem Kommunismus, wie sie sich in anderen Teilen Europas ereigneten, verlief Albaniens Weg zur Demokratie zwar turbulent, aber relativ unblutig. Der Bruch mit vier Jahrzehnten des isolationistischen Kommunismus begann in Tirana im Dezember 1990 mit Massenprotesten und einem Hungerstreik von Studierenden gegen Präsident Ramiz Alia, dem Nachfolger Hoxhas. Die Demonstrationen überzeugten Alia, dass Vergeltungsmaßnahmen nach hinten losgehen würden, wie es in anderen Teilen des Ostblocks der Fall gewesen war, und am 11. Dezember beugte sich die regierende Partei der Arbeit dem Druck und machte den Weg frei für den politischen Pluralismus – eine bahnbrechende Entscheidung, die schließlich im März 1991 zu Albaniens erster Mehrparteienwahl führte.
Gleich am nächsten Tag gründeten intellektuelle Dissident*innen – am bekanntesten unter ihnen der Kardiologe Sali Berisha – die Demokratische Partei Albaniens (PD), in der sich einfache Bürger*innen, antikommunistische Aktivist*innen und ehemalige politische Gefangene versammelten. Das Parteiprogramm basierte auf Antikommunismus, dem Beitritt zu Menschenrechtsabkommen wie der Schlussakte von Helsinki, eine Ausrichtung auf europäische Modernisierung und dem verheerendsten Element: einem schnellen Übergang zur Marktwirtschaft.
Dennoch blieb die Partei der Arbeit auch bei den folgenden Wahlen zunächst im Amt. Nach Jahrzehnten der Isolation und Ein-Parteien-Herrschaft herrschte in der Bevölkerung, verstärkt durch die wachsenden Unruhen im benachbarten Jugoslawien, Angst vor Instabilität. Gestützt wurde die Macht der Arbeitspartei durch ein weit gefächertes Netz aus Klientelismus und Patronage, vor allem in abgelegenen und ländlichen Gebieten. Schließlich kontrollierte die Partei noch immer den Staat, auf den die Wähler*innen für Arbeit, Nahrungsmittel und einfache Dienstleistungen angewiesen waren. Hier zeichnete sich ein Trend ab, der alle weiteren Wahlen in Albanien kennzeichnen sollte, nämlich dass bestimmte Teile der Bevölkerung Veränderungen aus Sorge vor möglicher Instabilität ablehnen. Je länger eine Partei an der Macht blieb, desto schwerer wurde es, ihr diese wieder zu nehmen.
Die Profiteure des Klientelsystems, in Albanien als patronazhistet bezeichnet, waren auch im letzten Wahlkampf ein wichtiges Thema. Jedes weitere Jahr im Amt bedeutete mehr Parteigänger*innen auf der Gehaltsliste und verschärfte die Bedingungen für die Herausforderer*innen noch mehr. Zu den Parteigänger*innen gehören dabei nicht nur die reichen Eliten des Landes, sondern auch prekär beschäftigte Familien oder Einzelpersonen, die sich an jede sichere Einkommensquelle klammern und oft von der Angst getrieben werden, dass ihnen die nächste Gruppierung, die an die Macht kommt, noch weniger anbieten könnte.
Nach der Niederlage bei der vorgezogenen Wahl von 1992 benannte sich die Partei der Arbeit in Sozialistische Partei um und übernahm, zumindest oberflächlich, den Stil der westeuropäischen Sozialdemokratie. Heute mögen sich Edi Ramas Sozialisten vielleicht noch die rote Rose ans Revers stecken, aber sie regieren eher wie technokratische Liberale: Den Schutz von Arbeiterrechten, für den sie einst kämpften, haben sie aufgegeben; was sie beibehielten, war die Neigung zum Zentralismus. Unternehmensgewinne werden pauschal mit 15 Prozent besteuert, einem der niedrigsten Sätze in Europa; Rama lockte damit ausländische Heuschreckenkapitalisten ins Land, was der einheimischen Bevölkerung kaum oder gar keine Vorteile brachte.
Vorzeigeprojekte im Infrastrukturbereich, selbst wenn sie dem Ausbau von Straßen oder der Netzanbindung dienen sollen, werden weiterhin im Rahmen zwielichtiger öffentlich-privater Partnerschaften ausgeführt. Wegen eines 400-Millionen-Euro-Betrugfalls im Rahmen der energetischen Abfallverwertung, dem sogenannten Müllverbrennungsskandal, ist bereits ein ehemaliger Minister im Gefängnis gelandet, doch auch der breite Widerstand gegen das Projekt konnte die herrschende Elite bisher nicht von ihrem Kurs abbringen. Gleichzeitig gehören die Sozialausgaben weiterhin zu den niedrigsten im Westbalkan, und gegen Streiks wird regelmäßig mit Polizeigewalt vorgegangen. Die Sozialistische Partei mag alles Mögliche sein, aber sie ist ganz sicher nicht die Partei der Umverteilung oder Arbeiterrechte.
Jenseits des Duopols
In der Folge wechselten sich Sozialisten und Demokraten an der Spitze eines Landes ab, in dem die meisten Jobs und Verträge noch immer vom Staat vergeben werden. Im Laufe der letzten dreißig Jahre versuchten diverse kleinere Parteien, diesen Duopol aufzubrechen, und fungierten in Regierungskoalitionen oft als Königsmacherinnen; zu diesen zählt beispielsweise die Sozialistische Bewegung für Integration (LSI), die vom ehemaligen Ministerpräsidenten Ilir Meta gegründet wurde und sich heute Freiheitspartei nennt.
Andere Parteien wie die Republikanische Partei oder die Sozialdemokratische Partei gewannen gelegentlich Sitze im Parlament, vermochten sich jedoch keinen dauerhaften landesweiten Einfluss zu sichern. Trotz der regelmäßigen und öffentlichen Desillusionierung über die beiden großen Parteien konnte bisher keine dritte Kraft breite Unterstützung gewinnen. Dabei sind viele dieser «kleineren» Bewegungen durchdachter, befassen sich mit drängenden sozialen Problemen und bieten neue Ansätze zur Beseitigung der Ungleichheit.
Lëvizja Bashkë, die «Bewegung zusammen» unter der Führung des linken Dozenten und Aktivisten Arlind Qori, trat mit dem Slogan «Das Neue wird geboren» an. Lëvizja Bashkë entstand aus der linken Protestbewegung Organizata Politike (OP), die aus den Ereignissen des 21. Januar 2011 hervorgegangen war. Damals waren vier Protestierende vor dem Büro des Ministerpräsidenten von Polizeikugeln getötet worden, und Qori, das bekannteste Gesicht der Bewegung, verließ daraufhin den Hörsaal und ging auf die Straße. Mit seiner Hilfe formte sich aus der kollektiven Unzufriedenheit ein beständiger Kern an Aktivist*innen, die allwöchentlich in einem Keller in Tirana zusammenkamen.
Qoris Partei ist im Parlament vertreten, verfügt über ein Kadernetzwerk in den Minen, Raffinerien und Hochschulen sowie über einen großen Erfahrungsschatz aus hart umkämpften Protesten und hat damit die besten Aussichten, nicht nur an den Gitterstäben des Palastes zu rütteln, sondern die nationale Politik mitzugestalten.
In den folgenden zehn Jahren wurde die Protestbewegung OP zu einem verbindenden Element für fast alle Graswurzelinitiativen im Land. Während der Bildungsproteste von 2018 und 2019, bei denen sich 20.000 junge Menschen auf dem Skanderbeg-Platz in Tirana versammelten und kostenlose öffentliche Universitäten forderten, beschützten Mitglieder der Partei die Studierenden, die den Vorlesungen fernblieben. Auch außerhalb der Hauptstadt wurden sie aktiv und solidarisierten sich mit den Arbeiter*innen, die 2019 in der Bulqiza-Mine die Arbeit niederlegten, sowie mit dem 44-tägigen Hungerstreik wegen nicht gezahlter Löhne in der Ölraffinerie in Ballsh in den Jahren 2020 und 2021; im März 2022 demonstrierten sie an der Seite der Näherinnen. OP stellte Anwält*innen und Megafone, schrieb Flugblätter für die Streiks und half sogar, Lebensmittel für die Familien der Arbeiter*innen zu organisieren.
Dieser Hintergrund erklärt, warum OP in Albanien heute als einzige «authentische» linke Bewegung gilt. Mit ihren Forderungen nach einer progressiven Besteuerung für Topverdiener, nach existenzsichernden Löhnen, starken, unabhängigen Gewerkschaften, einer grünen öffentlichen Infrastruktur sowie einem tatsächlich kostenlosen Bildungssystem grenzen sie sich bewusst vom Einheitssteuer-Liberalismus der regierenden Sozialisten ab. In einer politischen Landschaft, in der die meisten «Drittparteien» nach und nach zu Satelliten der Klientelisten verkommen, wurde OP durch ihre unnachgiebige, ehrenamtliche Präsenz an den Streikposten zum Anlaufpunkt für alle, die eine Alternative zur herrschenden Elite suchten.
Ende 2022 ging die Gruppe den nächsten logischen Schritt und gründete die Wahlvereinigung Lëvizja Bashkë mit Qori als Gründungsvorsitzendem. Bei den Kommunalwahlen 2023 überraschte Bashkë mit einem Ergebnis von 4,8 Prozent und einem Sitz im Stadtrat von Tirana und nahm diesen Schwung mit in die Parlamentswahl 2025, wo sie sich landesweit 1,5 Prozent der Stimmen und einen der 140 Sitze im Parlament sicherte.
Diese Zahlen mögen einerseits enttäuschen, andererseits hatte es im postkommunistischen Albanien zuvor noch keine explizit linke Partei geschafft, die parlamentarische Hürde zu überwinden. Qoris Partei ist im Parlament vertreten, verfügt über ein Kadernetzwerk in den Minen, Raffinerien und Hochschulen sowie über einen großen Erfahrungsschatz aus hart umkämpften Protesten und hat damit die besten Aussichten, nicht nur an den Gitterstäben des Palastes zu rütteln, sondern die nationale Politik mitzugestalten.
Das Ende der Opposition?
Die Demokratische Partei war den Großteil der 1990er Jahre und noch einmal von 2005 bis 2013 an der Macht, doch nach über zehn Jahren voller Misserfolge ist sie an den Rand der Bedeutungslosigkeit gerückt. Nach der Niederlage gegen Rama 2013 gab Parteigründer Berisha die Führung an den jungen Anwalt Lulzim Basha ab, der allerdings keine signifikanten Zugewinne verzeichnen konnte. 2017 unterlag die PD erneut, 2019 boykottierte sie das Parlament in der Hoffnung, Massenproteste und ein Boykott der Kommunalwahlen würden zu vorgezogenen Neuwahlen führen. Stattdessen trugen die Sozialisten in so gut wie allen Kommunen den Sieg davon und konnten ungehindert regieren, während die Opposition zwei Jahre institutioneller Einflussmöglichkeit verschenkt hatte.
Die Wahl im April 2021 brachte der PD zwar 59 Sitze ein; dennoch blieb Ramas zum dritten Mal in Folge Sieger. Noch schlimmer kam es im Mai 2021, als die US-Behörden Berisha wegen Vorwürfen «erheblicher Korruption» zur Persona non grata erklärten. Unter dem Druck der USA schloss Basha seinen Mentor aus der Parlamentsfraktion aus, was eine parteiinterne Revolte auslöste und die PD in zwei Lager spaltete, wobei Berisha den größeren und einflussreicheren Teil anführte. Berisha gab auch dann nicht auf, als ihn die albanische Antikorruptionsbehörde im September 2023 anklagte und unter Hausarrest stellte. Im Laufe des Jahres 2024 riefen seine Anhänger*innen immer wieder zu Protesten auf und stellten ihn als Opfer voreingenommener Gerichte dar, die Albaniens einzige Oppositionspartei auszuschalten versuchten.
Mit einer derart geschwächten Opposition und ohne einen Nachfolger in Sicht hält Rama unangefochten die politische Macht in Albanien in den Händen.
Diesmal versuchten die Demokraten ihr Glück mit Donald Trump und der MAGA-Bewegung, indem sie den Wahlkampfspezialisten Chris LaCivita sowie dessen Mitarbeiter Paul Manafort engagierten. Letzterer ist dafür bekannt, sich während Trumps erster Amtszeit in die Geschehnisse in der Ukraine eingemischt zu haben. Man suchte die Verbindung zu Trump, um die Konservativen zu erreichen und Stimmen in der Diaspora zu gewinnen. Kritiker*innen im In- und Ausland bezeichneten diese Strategie jedoch als abwegig und bezweifelten, dass die Trump-Rhetorik bei den Albaner*innen verfangen würde.
Als sich der Staub legte, hatte sich Rama mit 82 Sitzen und 52 Prozent der Stimmen die historische vierte Amtszeit gesichert, während die zersplitterte PD ihr schlechtestes Ergebnis seit 1997 verzeichnete. Mit laufenden Gerichtsverfahren, dem Gründer unter Anklage und rivalisierenden Lagern im stetigen Schlagabtausch stellt sich gar nicht mehr die Frage, ob die Demokraten wieder an die Macht kommen, sondern lediglich, ob sie es überhaupt schaffen, eine intakte Partei zu bleiben. Eine mögliche Auflösung der PD hätte gewaltige Auswirkungen auf Albaniens politische Landschaft, da die Demokraten bislang als die einzige nennenswerte Opposition gelten.
Eine «sanfte Autokratie»?
Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2013 hat Edi Rama über die längste Phase ununterbrochener Herrschaft in Albaniens postkommunistischer Ära regiert. Seine Regierung führt die umfassende «Prüfung» von Richter*innen und Staatsanwält*innen – bei der etwa 60 der Überprüften zurückgetreten sind oder entlassen wurden – als Beleg für institutionelle Aufarbeitung an, obwohl die nun unbesetzten Stellen Gerichtsverfahren hinauszögern und seitens Brüssels und albanischer Rechtsanwaltskammern wiederholt Forderungen nach echten Veränderungen anstelle rein kosmetischer Eingriffe laut werden.
In Ramas Amtszeit fällt auch der offizielle Beginn der EU-Beitrittsgespräche im Juli 2022. Im Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission werden zwar Maßnahmen wie die Vereinfachung der Zollvorschriften und eine teilweise Übernahme des EU-Acquis gelobt, aber auch die eher bescheidenen Erfolge bei der Verfolgung hochrangiger Korruption und Geldwäsche bemängelt. Der Ministerpräsident bezeichnet den langwierigen Prozess als «work in progress», während Oppositionspolitiker*innen darin eine weiterhin nur selektive Durchsetzung des Rechts sehen.
Die NGO Freedom House verleiht Albanien immer noch den Status «teilweise frei»; damit wird das Land weiterhin als demokratisch, wenngleich nicht perfekt, klassifiziert, statt als eindeutig autokratisch. Auch internationale Beobachter*innen haben die Wahl als «offen and professionell durchgeführt» bezeichnet, jedoch deutlich auf einen umfassenden Einsatz staatlicher Ressourcen zu Wahlkampfzwecken durch die regierenden Sozialisten hingewiesen. Im Global-State-of-Democracy-Index des Internationalen Instituts für Demokratie und Wahlhilfe rangiert Albanien als «schwache Demokratie», aber noch eine Stufe über Serbien, dem einzigen Hybridregime in der Region, das kurz davorsteht, als Autokratie eingestuft zu werden. Insgesamt legen diese Beobachtungen nahe, dass Edi Rama kein echter Autokrat ist – zumindest noch nicht. Doch seine wachsende Kontrolle über staatliche Ressourcen, Medien und öffentliche Verträge erodiert die Gewaltenteilung und führt Albanien auf einen Weg, der – ohne korrigierenden Druck – den demokratischen Gestaltungsraum noch weiter einschränken dürfte.
Mit einer derart geschwächten Opposition und ohne einen Nachfolger in Sicht hält Rama unangefochten die politische Macht in Albanien in den Händen. Dabei verwischt er massiv die Grenze zwischen Partei und Staat und führt das Land auf bislang unbekanntes Terrain. Was früher ein pluralistisches System war, in dem Macht tatsächlich angefochten werden konnte, ähnelt jetzt immer mehr einer Ein-Mann-Show, in der Kontrollgremien geschwächt werden und der Wahlkampf einen zunehmend symbolischen Charakter erhält. Die EU mag zwar noch versuchen, Einfluss auszuüben und einen Zeitrahmen für Reformen vorzugeben, doch im Land selbst stellt sich nicht mehr die Frage nach der politischen Richtung, sondern danach, ob das Land unter dem Deckmantel der Sprache von Entwicklung und Integration in eine sanfte Autokratie abgleitet.
Übersetzt von Cornelia Röser und Sebastian Landsberger für Gegensatz Translation Collective