
Weltweit wird intensiv nach kritischen Rohstoffen gesucht, die für die grüne Energiewende und moderne Technologien unverzichtbar sind. Diese Suche hat sich zu einem regelrechten geopolitischen Ringen entwickelt. Russlands groß angelegter Angriff auf die Ukraine im Jahr 2022 und die zunehmende Konkurrenz, insbesondere zwischen den USA und China, um die Sicherung der Lieferketten für wichtige Rohstoffe haben die Bedeutung der ukrainischen Bodenschätze stark geändert.
Maryna Larina forscht zu Klima- und Energiepolitik. Ihr Fokus liegt dabei auf der Umsetzung der Klimapolitik in der Ukraine.
Die Ukraine, die über bedeutende Rohstoffvorkommen wie Lithium, Titan, Graphit und Seltene Erden verfügt, steht momentan im Zentrum dieses globalen Wettbewerbs. Die ukrainische Regierung betont die strategische Bedeutung dieser Rohstoffe, um ausländisches Kapital für den Wiederaufbau des Landes nach dem Krieg zu gewinnen. Die Wirtschaftsgeschichte des Landes zeigt jedoch ein wiederkehrendes Muster: Sowohl interne als auch externe Akteure haben von den ukrainischen Ressourcen profitiert und dabei die nationale Souveränität sowie eine nachhaltige Entwicklung untergraben. Die ukrainische Wirtschaft hängt weiterhin stark vom Rohstoff-Export – Getreide, Sonnenblumenöl, Eisen und Stahl – ab, was sie anfällig für Preisschwankungen auf den Weltmärkten macht.
Russland verfolgt eine Strategie der gewaltsamen Aneignung und Besatzung und versucht, sich die Kontrolle über die ukrainischen Rohstoffe zu sichern. Damit stärkt Moskau auch seinen Einfluss auf globale Lieferketten, insbesondere in Zusammenarbeit mit China, das bereits eine dominierende Rolle bei Abbau und Verarbeitung kritischer Rohstoffe innehat.
Der Rohstoff-Deal zwischen der Ukraine und den USA
Gleichzeitig suchen die USA verstärkt nach Alternativen zu China und sehen in der Ukraine eine alternative Bezugsquelle für kritische Rohstoffe. Obwohl der Besitz strategisch wichtiger Ressourcen grundsätzlich eine starke Verhandlungsposition ermöglicht, kann diese durch einen dringenden Bedarf an externer Unterstützung beeinträchtigt werden. Das führt zu einer Verhandlungsdynamik, bei der die Ukraine aus einer Position der Schwäche heraus agieren muss. Ein Beispiel hierfür bietet der zwischen der Ukraine und den USA im April 2025 unterzeichnete Minerals Deal. Dieser enthält eine Klausel, wonach bei Widersprüchen zwischen ukrainischem Recht und dem Vertrag die Bestimmungen des Letzteren Vorrang haben. Zudem verpflichtet sich die ukrainische Regierung, sich nicht auf nationales Recht zu berufen, um Verpflichtungen aus dem Abkommen zu umgehen. Solche Klauseln sind in internationalen Investitionsabkommen zwar nicht unüblich, werfen jedoch verfassungsrechtliche Fragen auf, da sie das Prinzip der Verfassungshoheit – also den Vorrang der ukrainischen Verfassung gegenüber internationalem Recht – im Konfliktfall infrage stellen können. Durch solche Vereinbarungen gewinnen die USA erheblichen Einfluss auf die ukrainische Rohstoffpolitik. Sie können nicht nur Bedingungen für den Zugang zu wichtigen Ressourcen festlegen, sondern auch die rechtlichen Bedingungen mitgestalten.
Sowohl die EU als auch die USA setzen ihr Engagement gezielt ein, um Reformen und die Anpassung an ihre eigenen Interessen zu fördern.
Das Thema kritische Rohstoffe spielt auch eine wichtige Rolle im Integrationsprozess zwischen der EU und der Ukraine. Die EU proklamiert zwar die Integration der Ukraine in nachhaltige Wertschöpfungsketten und betont die Bedeutung lokaler Verarbeitung und Produktion. Verbindliche Verpflichtungen oder konkrete Pläne, die über allgemeine Zielsetzungen hinausgehen und die Herstellung von Endprodukten in der Ukraine garantieren, existieren bislang jedoch nicht. Gleichzeitig nimmt die EU durch Instrumente wie die Ukraine Facility bereits erheblichen Einfluss auf die ukrainische Rohstoffpolitik. Die Auszahlung von Finanzhilfen ist an Reformen und die Angleichung an EU-Standards gekoppelt, wodurch die EU indirekt Vorgaben für die Entwicklung des Sektors setzen kann.
Ein zentrales Element der Beziehungen zwischen der Ukraine und ihren westlichen Partnern sind die Konditionalitäten, die für finanzielle Unterstützung und Investitionen gelten. Sowohl die EU als auch die USA setzen ihr Engagement gezielt ein, um Reformen und die Anpassung an ihre eigenen Interessen zu fördern, wobei sie unterschiedliche Akzente setzen. Zudem ist die Deregulierung für westliche Partner von großer Bedeutung, um die Ukraine für ausländisches Kapital attraktiver zu machen. Es werden gezielt Capacity-Building-Projekte gefördert, wie etwa das von USAID und dem UK Foreign Office finanzierte SOERA-Programm, das die Privatisierung staatlicher Unternehmen vorantreibt. Private Investoren, insbesondere internationale Unternehmen, bevorzugen oft den Export von Rohstoffen oder wenig verarbeiteten Produkten, weil sich damit schneller und mit geringerem Risiko Profite erzielen lassen. Diese Strategie steht in einem Spannungsverhältnis zu entwicklungspolitischen Ansätzen, die darauf abzielen, dass die Ukraine den größtmöglichen Anteil der Wertschöpfung aus ihren Ressourcen im eigenen Land generiert und nicht lediglich als Rohstofflieferant für andere Märkte fungiert.
Ukrainische Deregulierungsoffensive
Als Reaktion auf diesen Druck und um Investitionen anzuziehen, hat die Ukraine umfassende Deregulierungen im Bergbausektor vorgenommen. Neue Gesetzesänderungen vereinfachen insbesondere den Zugang zu Bodenschätzen, indem sie die Zustimmungspflicht lokaler Behörden sowie weiterer staatlicher Instanzen weitgehend abschaffen. Diese Maßnahmen bergen die Gefahr, lokale Gemeinschaften von Entscheidungsprozessen auszuschließen und Umweltschäden zu begünstigen, wie der Verkauf einer Lizenz für Torfabbau im Schutzgebiet zeigt. Im EU-Integrationsprozess werden die kritischen Rohstoffe im Bereich der Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards (ESG) Thema sein, allerdings bleiben hier die Verpflichtungen gegenüber der Ukraine eher formal. Konkrete Umsetzungsmechanismen sind unklar, insbesondere vor dem Hintergrund weitreichender Deregulierung. Die Digitalisierung von Lizenzvergabe und Informationszugang wird von der ukrainischen Regierung häufig als großer Fortschritt für mehr Transparenz angepriesen, jedoch oftmals fälschlicherweise als Allheilmittel präsentiert. Tatsächlich garantiert der digitale Prozess allein weder faire Lizenzbedingungen und angemessene Lizenzgebühren noch robuste Umweltauflagen.
Die EU sieht eine «bunte Mischung» für die Ukraine vor: Auf der einen Seite wird noch stärkere Deregulierung auf die Tagesordnung gesetzt, auf der anderen Seite sind die Erwartungen an die Umwelt- und Sozialauflagen höher als jene der Ukraine. In der praktischen Umsetzung scheint der Fokus bislang stärker auf marktorientierten Reformen und Investorenfreundlichkeit zu liegen, während ESG-Anforderungen kaum eine Rolle spielen. Dabei würde die eigentliche Chance für die Ukraine darin bestehen, die vergleichsweise höheren Standards der EU im Rohstoffsektor einzuführen und konsequent umzusetzen. Auf diese Weise würde die Lebensqualität profitieren, und die Ukraine könnte dies als Qualitätsmerkmal bewerben, um nachhaltige Investitionen zu erwirken. Gleichzeitig sollte es auch Aufgabe der EU im Integrationsprozess sein, darauf zu achten, dass diese Standards nicht nur auf dem Papier stehen, sondern tatsächlich in der Praxis umgesetzt werden.
Intransparente Verfahren
Obwohl die ukrainische Verfassung festlegt, dass die Bodenschätze Eigentum der ukrainischen Nation sind, weist der aktuelle Rechtsrahmen erhebliche Lücken auf: Es fehlt an verbindlichen Regelungen für die systematische Einbindung der Öffentlichkeit und an langfristigen Verpflichtungen zur Wiederherstellung der Umwelt. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, an die Erfahrungen aus den Jahren 2013 und 2014 zu erinnern: Damals schloss die Regierung unter Wiktor Janukowytsch – entgegen nationalem Recht und internationalen Verpflichtungen – geheime Produktionsbeteiligungsverträge mit Shell und Chevron über die Förderung unkonventioneller Kohlenwasserstoffe ab – ohne Umweltverträglichkeitsprüfungen oder Beteiligung der Öffentlichkeit. Die Projekte wurden letztendlich nicht umgesetzt, da beide Unternehmen nach wenigen Jahren ausstiegen. 2021 stellte die Aarhus-Konvention fest, dass die Ukraine gegen ihre Regeln verstoßen habe, weil sie wichtige Verträge zur Kohlenwasserstoffförderung geheim gehalten und die Öffentlichkeit nicht einbezogen habe. Auch beim aktuellen Minerals Deal mit den USA wurden die endgültigen Vertragsbedingungen und die Verhandlungsposition der ukrainischen Regierung bis zuletzt geheim gehalten, was eine öffentliche Debatte verhinderte. Die Ratifizierung des Abkommens erfolgt in einem intransparenten Verfahren, sodass die ukrainische Öffentlichkeit bis heute keinen vollständigen Zugang zu den Vertragsanhängen hat.
Die Umsetzung der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) in der Ukraine ist durch fehlende Standardverfahren, mangelnde internationale Konformität sowie unzureichende Anforderungen an Berichtsersteller gekennzeichnet. Besonders problematisch sind auch die häufig rein formalen, sogenannten Schein-Bürgeranhörungen, bei denen eine echte Beteiligung der Öffentlichkeit kaum stattfindet. Die bestehenden Verfahren zur UVP müssen dahingehend gestärkt werden, dass sie eine umfassende Betrachtung des gesamten Lebenszyklus von Bergbauprojekten abdecken – von der Erkundung bis zur Nachsorge nach der Schließung. Die Beteiligung der Öffentlichkeit an UVP-Verfahren muss substanziell sein und über formale Anhörungen hinausgehen, mit klaren Möglichkeiten für die betroffenen Gemeinden, den Projektentwurf und die Genehmigungsentscheidungen tatsächlich zu beeinflussen. Außerdem werden UVP-Berichte in der Regel von privaten Beratungsfirmen erstellt, die direkt vom Projektträger beauftragt und bezahlt werden, was häufig zu Interessenkonflikten führt. Eine Qualitätssicherung durch ein unabhängiges, staatlich geprüftes Gutachtersystem würde die Legitimität des UVP-Systems deutlich verbessern.
Besonders wichtig ist, dass die Ukraine verbindliche Vorgaben für Rückbau- oder Rekultivierungsbürgschaften bzw. andere Formen finanzieller Sicherheiten von Bergbauunternehmen einführt. Diese finanziellen Garantien müssen ausreichen, um die vollständigen, unabhängig geprüften Kosten für die Stilllegung der Mine, die Sanierung des Standorts und die langfristige Umweltüberwachung abzudecken, damit diese Kosten nicht auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. So kann die derzeitige Unsicherheit beendet und die mögliche Haftungslücke im Zusammenhang mit der Rekultivierung nach Ablauf von Produktionsbeteiligungsverträgen geschlossen werden.
Notwendiger Wandel hin zu souveräner und gerechter Ressourcenverwaltung
Die Entwicklung neuer Bergbauprojekte ist grundsätzlich ein langfristiges Unterfangen, das selbst in stabilen und friedlichen Regionen oft Jahrzehnte von der Erkundung bis zur tatsächlichen Förderung dauert. Die anhaltenden Sicherheitsrisiken erschweren es erheblich, das dafür notwendige langfristige und großvolumige Privatkapital zu gewinnen. Hinzu kommt, dass der Minerals Deal, der im April 2025 von den USA und der Ukraine unterzeichnet wurde, keine Sicherheitsgarantien für die Ukraine enthält. Außerdem gibt es in der Ukraine zusätzliche Herausforderungen: Viele potenzielle Abbaugebiete müssen zunächst aufwändig von Minen geräumt werden, bevor überhaupt mit der Erschließung begonnen werden kann. Zudem gibt es auf dem von der Ukraine kontrollierten Staatsgebiet nur wenige seltene Erden, während die von Russland besetzte Asow-Region reich an seltenen Erden ist.
Wenn sich die Politik einseitig auf die Gewinnung von Privatkapital für den Rohstoffabbau konzentriert, droht die Gefahr, dass die Ukraine dauerhaft auf die Rolle eines Rohstofflieferanten festgelegt wird.
Diese Kombination aus erheblichem Rohstoffpotenzial, großer geopolitischer Bedeutung, historisch wiederkehrender Ausnutzung und rasanter Deregulierung macht deutlich, wie dringend die Ukraine eine strategisch durchdachte Industriepolitik braucht. Wenn sich die Politik einseitig auf die Gewinnung von Privatkapital für den Rohstoffabbau konzentriert, droht die Gefahr, dass die Ukraine dauerhaft auf die Rolle eines Rohstofflieferanten festgelegt wird. Dies würde wirtschaftliche Abhängigkeiten verstärken und soziale sowie ökologische Risiken weiter verschärfen.
Der Reiz schneller Einnahmen oder Investitionen muss sorgfältig gegen das langfristige strategische Ziel abgewogen werden, eine widerstandsfähige und diversifizierte Volkswirtschaft auf Basis der eigenen Vorkommen an kritischen Rohstoffen aufzubauen. Um sicherzustellen, dass die kritischen Rohstoffe der Ukraine tatsächlich als Grundlage für nationalen Wiederaufbau und gesellschaftlichen Wohlstand dienen, ist ein bewusster Wandel hin zu souveräner und gerechter Ressourcenverwaltung unerlässlich. Dafür müssen die nationale Kontrolle und Aufsicht gestärkt, die heimische Wertschöpfung ausgebaut, konkrete Vorteile für die ukrainische Bevölkerung gesichert und internationale Best-Practice-Modelle gezielt an die ukrainischen Gegebenheiten angepasst werden.
Ein zentrales Prinzip sollte der öffentliche Zugang zu allen nicht vertraulichen geologischen Daten sein. Zentrale finanzielle Bedingungen, Fördermengen, Umweltrisiken, soziale Verpflichtungen und umfassende Berichte zur Umweltüberwachung sollten für die Öffentlichkeit zugänglich sein, um Transparenz und Rechenschaftspflicht zu gewährleisten. Eine aktuelle Analyse zeigt jedoch deutliche Unterschiede zwischen den Behörden: Die Staatliche Geologie- und Rohstoffbehörde der Ukraine (SGSU) veröffentlicht 71 Prozent ihrer Datensätze und ist damit am offensten, während das Energieministerium die meisten Datensätze zurückhält (nur ein Datensatz ist öffentlich, 16 bleiben verschlossen).
Außerdem sollte die SGSU über ihre derzeitige Rolle als reine Lizenzbehörde hinaus gestärkt werden. Dazu gehört der gezielte Ausbau ihrer Kompetenzen in der strategischen Ressourcenplanung, bei komplexen Vertragsverhandlungen sowie in der konsequenten Überwachung der Einhaltung von Umwelt- und Sozialauflagen. Eine Möglichkeit wäre, eine unabhängige Ombudsstelle für den Rohstoffsektor nach dem Vorbild von Peru oder Chile einzurichten, die Beschwerden von Gemeinden, zivilgesellschaftlichen Organisationen und anderen Interessengruppen im Zusammenhang mit Bergbauprojekten unparteiisch prüft und bearbeitet. Die Erfahrungen aus Peru verdeutlichen, wie stark der Bergbau von sozialen Konflikten geprägt ist: Nach Angaben der peruanischen Ombudsstelle wurden im März 2023 insgesamt 142 sozial-ökologische Konflikte im Land verzeichnet, von denen 95 direkt mit dem Bergbau in Zusammenhang standen – das entspricht mehr als zwei Dritteln aller Fälle. Chiles Umgang mit Kupfer, dem wichtigsten Rohstoff des Landes, zeigt, dass staatliches Engagement im Rohstoffbereich viele Vorteile bringen kann. Seit der Staat große Kupferminen übernahm, ist das staatliche Unternehmen Codelco ein wichtiger Akteur im Bergbau. Durch diese langfristige Beteiligung konnte Chile viel Wissen und Erfahrung im technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Bereich aufbauen. Die Ukraine kann vom chilenischen Modell lernen, wie ein wichtiger staatlicher Akteur dabei helfen kann, Know-how aufzubauen, wichtige Rohstoffe unter öffentlicher Kontrolle zu halten und mehr Wertschöpfung im Land zu ermöglichen.
Politik der Reindustrialisierung
Um einer «Rohstoff-Falle» zu entgehen, sollte die Ukraine eine umfassende Politik der Reindustrialisierung verfolgen. Die Anziehung ausländischer Direktinvestitionen bleibt zwar wichtig, sollte jedoch mit klaren Vorgaben zur lokalen Wertschöpfung verbunden werden. Dazu gehören etwa die Gründung von Joint Ventures mit internationalen Partnern, der Einsatz lokaler Ressourcen im Produktionsprozess sowie die Verpflichtung, lokale Arbeitskräfte zu beschäftigen und Technologietransfer sicherzustellen. Ein erfolgreiches Beispiel bietet Taiwan in den 1970er und 1980er Jahren: Dort wurden für ausländische Investoren in Schlüsselbranchen wie Maschinenbau und Elektrotechnik umfassende Lokalisierungsanforderungen eingeführt, darunter die Nutzung einheimischer Arbeitskräfte, der Transfer von Know-how und die Festlegung von Exportzielen. Diese Strategie ermöglichte es Taiwan, nicht nur Kapital anzuziehen, sondern auch die eigene Industrie weiterzuentwickeln, selbst Know-how aufzubauen, Innovationen zu fördern und langfristige wirtschaftliche Vorteile zu erzielen, die den sogenannten Silicon Shield erschaffen haben. Dieser «Schild» bezeichnet die Stärkung der Sicherheitslage Taiwans durch technologisch fortgeschrittene Fabriken – denn jeder militärische Großangriff auf Taiwan würde mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zur Zerstörung der Fabriken führen, was wiederum nicht nur für die Weltwirtschaft, sondern auch für den potenziellen Angreifer sehr kostspielig wäre.
Die Politik sollte darauf ausgerichtet sein, nicht nur Rohstoffe und Konzentrate zu exportieren, sondern gezielt deren Weiterverarbeitung zu höherwertigen Zwischenprodukten (wie raffinierten Lithiumverbindungen, Titanschwamm oder gereinigtem Graphit) und, wo möglich, zu Endprodukten (wie Batteriezellen oder fortschrittlichen Kohlenstoffmaterialien) zu fördern. Das Beispiel der United Mining and Chemical Company (UMCC) verdeutlicht, wie wichtig dieser Ansatz ist: UMCC wurde 2014 vom Staat gegründet, nachdem zwei zuvor vom Oligarchen Dmytro Firtash kontrollierte Schlüsselunternehmen der Titanindustrie wieder unter staatliche Kontrolle gebracht worden waren. Das strategische Ziel bestand darin, von der Ausfuhr unverarbeiteter Rohstoffe auf die Produktion technologisch anspruchsvollerer Produkte umzusteigen. In der Praxis wurde dieses Potenzial jedoch nicht ausgeschöpft – UMCC blieb ein Exporteur von Rohmaterialien und modernisierte seine Produktion nicht. Infolge einer Privatisierungsauktion im Oktober 2024, an der nur ein Unternehmen teilnahm, wurde der aserbaidschanische Unternehmer Nasib Hasanov neuer Eigentümer. Damit verlor der Staat die Kontrolle über dieses strategische Vermögen. Die Annäherung zwischen Aserbaidschan und Russland der letzten Jahre macht solche Zuschläge umso besorgniserregender. Dieses Beispiel zeigt, wie entscheidend es ist, industriepolitische Maßnahmen und Investitionen so zu gestalten, dass die Weiterverarbeitung und Wertschöpfung im Land gestärkt werden, um das wirtschaftliche Potenzial der Ukraine nachhaltig zu entwickeln.
Die Ausgangslage der ukrainischen Rohstoffpolitik gestaltet sich anspruchsvoll: Die Intransparenz, die bereits beim Abschluss des Minerals Deals mit den USA herrschte, dürfte die Durchsetzung progressiver Forderungen erheblich erschweren. Durch die Bevorzugung von US-Interessen und die potenzielle Etablierung eines deregulierten, investorenfreundlichen Umfelds könnte der Minerals Deal zudem eine langfristige Pfadabhängigkeit erzeugen, die den Wandel hin zu einer Rohstoffpolitik, die verstärkt auf Souveränität und nachhaltige Entwicklung abzielt, behindert.
Eine realistische Strategie für die Ukraine könnte darin bestehen, den vorhandenen Handlungsspielraum innerhalb des bestehenden Abkommens bestmöglich zu nutzen. In näherer Zukunft ließe sich dies insbesondere bei der Ausgestaltung konkreter Projektverträge umsetzen, indem beispielsweise Vorschläge zur Förderung lokaler Zulieferer oder zur Einführung höherer Umweltstandards eingebracht werden. Mittelfristig könnten ggf. auch die Grenzen der Auslegung des Minerals Deals selbst getestet werden. Dass die Ukraine hierzu in der Lage ist, zeigt das Beispiel des Deals selbst: Die ukrainische Regierung konnte in den Verhandlungen deutlich vorteilhaftere Bedingungen erzielen, als ursprünglich befürchtet wurde. So wurden etwa keine Rückzahlungen an die USA oder die Übernahme ukrainischer Ressourcen durch amerikanische Akteure vereinbart. Dabei sollte die Ukraine die EU-Integration gezielt als zusätzlichen Hebel nutzen und die Zusagen der EU, das Land in nachhaltige Wertschöpfungsketten zu integrieren, aktiv einfordern. Es wäre sinnvoll, industriepolitische Maßnahmen und konkrete Entwicklungsziele in die Verhandlungen über Instrumente wie die Ukraine Facility einzubringen.
Die globale Wirtschaftsstruktur ist stark von etablierten Wertschöpfungs- und Verarbeitungszentren geprägt. Solche wertschöpfungsstarken Länder profitieren von gut organisierten Lieferketten, moderner Technologie und viel Erfahrung. Für die Ukraine, die aufgrund des Kriegs schwere wirtschaftliche und infrastrukturelle Schäden erlitt, stellt der Aufbau eigener Verarbeitungskapazitäten eine große Herausforderung dar. Um eine international wettbewerbsfähige Verarbeitungsindustrie im eigenen Land aufzubauen, braucht es erhebliche Investitionen in moderne Anlagen, technologische Innovationen und die Ausbildung qualifizierter Fachkräfte. Auch beim Thema Fachkräfte ist die Situation in der Ukraine schwierig: Millionen von Menschen haben das Land verlassen, weshalb im Land zahlreiche Arbeitskräfte fehlen. Der Aufbau von Verarbeitungskapazitäten in der Ukraine könnte für westliche Partner auch eine geringere Priorität besitzen, insbesondere dann, wenn dieser nicht den möglichst schnellen Zugang zu Rohstoffen vorsieht oder neue Konkurrenz für die eigene Industrie entstehen könnte.
Für die Ukraine bedeutet dies, dass sie eine eigenständige und langfristig angelegte Industriepolitik entwickeln sollte, anstatt sich ausschließlich auf die Zusagen internationaler Partner zu verlassen, in globale Lieferketten integriert zu werden. Ob Kyjiw erfolgreiche Strategien umsetzen kann, hängt maßgeblich davon ab, wie weitsichtig die Politik handelt, wie stark und unabhängig die Kontrollbehörden sind, und ob es gelingt, den Einfluss der Oligarchen einzuschränken. Darüber hinaus wird vor allem der Verlauf und Ausgang des Krieges darüber entscheiden, welche Handlungsspielräume der Ukraine tatsächlich zur Verfügung stehen.