Analyse | Globalisierung - Sozialökologischer Umbau - Multipolare Welt - Klimagerechtigkeit Globale Umbrüche und die Klimakrise

Wie rechter Autoritarismus die ohnehin prekären Beschlüsse zur Klimafinanzierung bedroht

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Aktivist*innen protestieren während einer Pressekonferenz auf der COP29 in Baku, Aserbaidschan für Klimafolgenentschädigungen an den Globalen Süden am 22. November 2024.
Aktivist*innen protestieren während einer Pressekonferenz auf der COP29 in Baku, Aserbaidschan für Klimafolgenentschädigungen an den Globalen Süden am 22. November 2024. Foto: IMAGO / ZUMA Press Wire

Der derzeitige Umbau der globalen politischen Ordnung hat weitreichende Konsequenzen für die internationale Klimapolitik. Der Aufstieg des rechten Autoritarismus schafft nicht nur neue Hürden für zukünftige Klimaabkommen, er gefährdet auch bereits existierende Finanzierungssysteme zur Reduktion von Emissionen und zur Klimaanpassung in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Während sich die USA und ihre Verbündeten aus multilateralen Abkommen zurückziehen, besteht Hoffnung auf neue Allianzen für eine ambitionierte Klimapolitik – etwa zwischen der EU und China.

Wir erleben einen Paradigmenwechsel in der internationalen Zusammenarbeit. Der Aufstieg des rechten Autoritarismus geht mit einem Rückbau des Multilateralismus einher. Das bedeutet schrumpfende Hilfsbudgets, steigende globale Staatsschulden und eine Umverteilung von Geldmitteln, die eigentlich zur Bekämpfung der Klimakrise eingesetzt werden sollten. 

Tetet Lauron lebt auf den Philippinen und arbeitet als Beraterin für das New Yorker Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

David Williams ist Leiter des Programms für Internationale Klimagerechtigkeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung in New York.

Ein Paradebeispiel hierfür sind die USA – die historisch gesehen von allen Ländern am meisten zur Klimakrise beigetragen haben. Im Januar 2025 unterzeichnete Donald Trump eine Verordnung, die die Entwicklungsbehörde USAID zerschlagen sollte. Dieser – eigentlich rechtswidrige – Akt gefährdet rund ein Zehntel der Mittel für die globale Klimafinanzierung und untergräbt damit die Verpflichtung der Industriestaaten, Entwicklungsländer bei der Bewältigung der Folgen der Klimakrise finanziell zu unterstützen. Rund ein Drittel der Klimafinanzierung der USA wird durch USAID gestellt, insgesamt drei Milliarden US-Dollar. Auch der Beitrag der USA zum Green Climate Fund (GCF) in Höhe von vier Milliarden US-Dollar wurde von Trump gestrichen. 

Weltbankpräsident Ajay Banga hat in den vergangenen Monaten gezielt darauf hingearbeitet, klimabezogene Aktivitäten aus dem Aufgabenprofil der Bank herauszulösen. Seit einigen Monaten legt er den Schwerpunkt stattdessen auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und Maßnahmen zur Migrationsabwehr, und schwenkt damit auf Trumps Agenda ein, um so die Gunst des größten Geldgebers und Anteilseigners der Weltbank, der USA, zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund erscheint es zunehmend unrealistisch, dass die USA ihre unter Biden gemachten Zusagen zur Klimafinanzierung in Zukunft erfüllen, geschweige denn, dass sie diese Beiträge auf jene fünf Billionen US-Dollar aufstocken, die sich aus ihrer historischen ökologischen Verantwortung gegenüber den Ländern des Globalen Südens ergeben.

Autoritäre Auswüchse sind jedoch nicht auf die USA beschränkt, sie sind nur eines der jüngsten Beispiele für den Rechtsruck. Auf der internationalen Bühne formieren sich neue rechte Allianzen, wie es kürzlich die USA, Israel und Argentinien bei der UN-Generalversammlung demonstrierten. Auch die EU hat rechte Mitgliedsstaaten, allen voran Italien, Ungarn und Slowenien. El Salvador ist inzwischen ein Hauptverbündeter der Trump-Administration; Ecuador könnte diesem Beispiel folgen und Indien rutscht unter Modi immer mehr in Richtung Autokratie.  

Mag die Haltung dieser Staaten zum Thema Klimaschutz auch sehr unterschiedlich sein, so ist doch eines klar: Die globale politische Ordnung befindet sich im Umbruch, und das verändert den Umgang mit dem Klimawandel. Es gilt, den gegenwärtigen Paradigmenwechsel zu analysieren, um zu verstehen, wie er die Rahmenbedingungen für die internationale Klimapolitik verändert und was das in Zukunft für die Klimafinanzierung bedeutet. 

Was heißt Klimafinanzierung?

Im Dezember 2015 wurde auf der 21. UN-Klimakonferenz (COP21) im Rahmen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) das Pariser Klimaabkommen verabschiedet; in diesem Jahr wird es damit zehn Jahre alt. Mit diesem Abkommen haben fast alle Regierungen der Welt zugestimmt, den durchschnittlichen Anstieg der Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad – und idealerweise auf 1,5 Grad Celsius – zu begrenzen. Das Abkommen verpflichtet die Staaten, regelmäßig ihre Emissionsminderungsziele offenzulegen und die Maßnahmen, die sie dafür ergreifen, vorzustellen. Das Abkommen verpflichtet aber auch die Industriestaaten, den Globalen Süden durch entsprechende Klimafinanzierung bei der Bewältigung der Klimakrise zu unterstützen.  

Der Handlungsdruck angesichts der globalen Erderwärmung ist seither weiter gestiegen. Die jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse zeichnen ein düsteres Bild. Wir befinden uns an der Schwelle einer unumkehrbaren Klimakatastrophe. Das vergangene Jahr war das bislang wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen und das erste, in dem die globale Durchschnittstemperatur 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau lag.

Die globale Erwärmung führt zu einer Zunahme und Intensivierung extremer Wetterereignisse wie Überschwemmungen, Dürren, Hitzewellen oder Stürmen, die schwere Schäden anrichten und zahlreiche Leben kosten. Im vorigen Jahr verursachten allein zehn Klimakatastrophen Schäden von mehr als 200 Milliarden US-Dollar. Die meisten dieser Katastrophen trafen Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen, die selbst wenig zum Klimawandel beitragen – und sie vermitteln uns eine Ahnung dessen, was uns bevorsteht. 

Zugleich verdeutlichen diese Klimakatastrophen, dass die Widerstandsfähigkeit von Gemeinschaften dringend gestärkt werden muss, und dass, wo Schäden entstanden sind, Wiederaufbaumaßnahmen nötig sind. Dies gilt insbesondere im Globalen Süden, wo die Menschen besonders unter den Folgen der extremen Wetterereignisse leiden und die Regierungen kaum über die Mittel für solche Maßnahmen verfügen. Entwicklungsländer benötigen Ressourcen, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren (Mitigation), sich an den Klimawandel anzupassen (Adaption) und sozial gerechte Transformationsprozesse einzuleiten (gerechter Übergang). Zudem brauchen diese Länder finanzielle Mittel für den Wiederaufbau nach Katastrophen (klimabedingte Schäden und Verluste). 

Wer zahlt die Rechnung? 

Die Wurzeln der Klimafinanzierung reichen weiter zurück als zum Pariser Übereinkommen. Sie gehen zurück auf die historische Verantwortung der Industrieländer für ihre Treibhausgasemissionen. Die Industriestaaten haben ihre Volkswirtschaften auf der Ausbeutung von Rohstoffen und Arbeitskräften aus dem Globalen Süden aufgebaut. Daher verpflichtet das internationale Recht reichere Industrieländer mit historisch hohen Emissionen dazu, ärmere Staaten finanziell beim Klimaschutz und der Anpassung an die Folgen der Klimakrise zu unterstützen. Dieser Grundsatz wird als «Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung» (CBDR) bezeichnet und ist in der Präambel der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen verankert. Obwohl alle Länder gemeinsam in der Pflicht stehen, sich mit globalen Umweltproblemen zu befassen, sind nicht alle gleichermaßen verantwortlich. Das Prinzip der CBDR verpflichtet die Industrieländer, die Führungsrolle bei der Klimafinanzierung zu übernehmen. 

Finanzierung ist immer entscheidend für die Umsetzung von Maßnahmen und Abkommen, und zugleich sind immer zu wenig Mittel da.

Die Architektur der globalen Klimafinanzierung ist sehr komplex und befindet sich weiterhin im Aufbau. Die UNFCCC dient dabei als zentrale Plattform für internationale Finanzierungsmechanismen.  Ein Großteil der Mittel stammt aus den Staatshaushalten der Industrieländer, aus Beiträgen von Fonds der Vereinten Nationen sowie multilateralen Entwicklungsbanken (MDBs). Ergänzt wird dies durch Investitionen aus dem Privatsektor. Darüber hinaus hat eine Reihe von Entwicklungsländern eigene nationale Klimapläne aufgestellt, die aus deren Staatshaushalten finanziert werden. 

Finanzierung war immer ein heikler Punkt in Klimaverhandlungen – Finanzierung ist immer entscheidend für die Umsetzung von Maßnahmen und Abkommen, und zugleich sind immer zu wenig Mittel da; regelmäßig stellt sich die Frage, wer bezahlen muss und wieviel, und wer Gelder bekommt und in welcher Form. Beschwerden über nicht eingehaltene Versprechen und Verpflichtungen sowie mangelnde Transparenz belasten die Verhandlungen bis heute, umso mehr, weil es keine verbindliche Einigung darüber gibt, was Klimafinanzierung tatsächlich beinhaltet.

Die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 (COP15) stellte einen Wendepunkt dar. Statt eine bestimmte Summe auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und entsprechend der Prioritäten der Entwicklungsländer auszuhandeln, haben sich die Industrieländer auf einen politischen Kompromiss geeinigt und bis 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar zugesagt. Die Vereinbarung sah vor, dass es sich bei dieser Summe um «neue» Gelder handelt, die zusätzlich zu den bestehenden internationalen Hilfen bereitgestellt werden, und dass die Gelder sowohl der Finanzierung von Klimaschutz- als auch von Klimaanpassungsmaßnahmen dienen sollen. Die Industrieländer setzen außerdem durch, dass der Privatsektor miteinbezogen wurde. Private Investitionen werden aber vor allem dort geleistet, wo im Rahmen von Klimaschutzprojekten die Aussicht auf Gewinne besteht (wie im Fall erneuerbarer Energien); Projekte und Programme, die der Anpassung dienen oder Gemeinschaften helfen, besser mit Klimakatastrophen umzugehen (etwa im Bereich Überschwemmungsschutz oder Trinkwasserversorgung) sind für private Investor:innen kaum interessant. 

Weil die Kopenhagener Definition der Klimafinanzierung vage blieb, konnten die Industrieländer sie in ihrem Sinne interpretieren. Sie konnten daher Projekte als Beitrag zur Klimafinanzierung ausgeben, die nicht im Entferntesten einen Bezug zur Klimakrise haben – oder der Umwelt sogar schaden, wie zum Beispiel Kohlekraftwerke, Hotels, Süßwarenhandlungen, Flughäfen oder Filmproduktionen. Die Industrieländer haben ihre Beiträge zur Klimafinanzierung immer wieder aufgebläht oder in ihren Entwicklungshilfebudgets doppelt berücksichtigt. Nur in drei Ländern (Luxemburg, Norwegen und Schweden) überstiegen die Gelder zur Klimafinanzierung die ihre für Auslandshilfe bereitgestellten Haushaltsmittel. 

Bei der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 drängten die Industrieländer darauf, das ursprünglich für 2020 gesetzte Klimafinanzierungsziel auf 2025 zu verschieben, mit dem Versprechen, bis dahin ein neues, kollektives Ziel auszuhandeln. Sie legten einen Fahrplan zur Erreichung des 100-Milliarden-Dollar-Ziels vor und drängten darauf, neben öffentlichen Zuschüssen auch Darlehen, Anleihen, Beteiligungen sowie Beiträge multilateraler Entwicklungsbanken (MDBs) und des Privatsektors als Klimafinanzierung anzurechnen.

Doch selbst mit dieser Verlängerung ist es den Industrieländern nicht gelungen, das Ziel von 100 Milliarden Dollar jährlich zu erreichen. Nur 2022 erfüllten sie diese Verpflichtung, als eine Gesamtsumme von 115,9 Milliarden für Maßnahmen in Entwicklungsländern bereitgestellt und mobilisiert wurde. 

Klimafinanzierung bei den UN-Klimaverhandlungen 2024 

Die Verhandlungen über Klimaschutz auf der UN-Klimakonferenz 2024 (COP29) in Baku, Aserbaidschan, mündeten schließlich in einer Einigung der Vertragsstaaten auf ein neues kollektives Finanzierungsziel. Die Industrieländer sollen demnach «die Führung übernehmen» und jährlich mindestens 300 Milliarden Dollar für die Entwicklungsländer mobilisieren. Diese Verpflichtung ist Teil des übergeordneten Ziels, dass bis 2035 jährlich mindestens 1,3 Billionen US-Dollar insgesamt für Klimafinanzierung zur Verfügung steht. Dazu gezählt werden Gelder aus einer Vielzahl von Quellen, staatliche wie private, bilaterale wie multilaterale sowie weitere alternative Quellen. Gleichzeitig werden Entwicklungsländer dazu «ermutigt», auf freiwilliger Basis auch selbst Mittel bereitzustellen. Auf den ersten Blick hat sich der Betrag im Vergleich zum früheren Finanzierungsziel von 100 Milliarden US-Dollar signifikant erhöht. Doch im Vergleich zu den tatsächlichen Finanzierungsbedarfen – Schätzungen zufolge zwischen 6,88 bis 9 Billionen US-Dollar jährlich – erscheint der Betrag weiterhin komplett unzureichend. 

Die Länder des Globalen Südens, die von zivilgesellschaftlichen Organisationen für Klimagerechtigkeit unterstützt werden, kritisieren insbesondere, dass das neue Ziel sich ausschließlich auf Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen konzentriert und die Entschädigung für klimabedingte Schäden und Verluste vollständig ausklammert. Ohne gesicherte Mittel droht der Fonds für klimabedingte Schäden und Verluste eine leeres Versprechen zu bleiben. Die 768 Millionen US-Dollar, die die Industrieländer zur Aufstockung der Finanzmittel für den Fonds zugesagt haben, sind angesichts der realen Bedarfe nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Industrieländer, denen in erster Linie die Aufgabe zukäme, Entwicklungsländer bei der Umsetzung des Ziels finanziell zu unterstützen, haben sich ihrer Verantwortung offensichtlich entzogen. Das Problematische am Beschluss von Baku ist, dass Bankdarlehen und private Investitionen auf das Gesamtziel der Klimafinanzierung angerechnet werden – obwohl die Entwicklungsländer sie zurückzahlen müssen.

Weil alle für das Erreichen des neuen Klimafinanzierungsziels verantwortlich sind, besteht die Gefahr, dass am Ende niemand tatsächlich die Verantwortung übernimmt.

Die MDBs planen, Darlehen in Höhe von rund 120 Milliarden US-Dollar an Länder mit niedrigem oder mittlerem Einkommen zu vergeben, während der Privatsektor bis 2030 65 Milliarden US-Dollar für Investitionsprojekte aufbringen will. Prinzipiell können Darlehen und Investitionen positive Ergebnisse erzielen, doch für viele Länder aus dem Globalen Süden bleibt dies eher die Ausnahme als die Regel. Die wachsende Schuldenlast trifft die ärmsten Länder am härtesten, weil sie durch die hohen Zinsen letztendlich mehr als das Doppelte dessen zurückzahlen müssen, was sie erhalten haben. So haben sich die Kosten für den Schuldendienst in den letzten zehn Jahren verdreifacht und die Zinszahlungen vervierfacht. Es wundert daher nicht, dass Entwicklungsländer Haushaltskürzungen durchsetzen müssen und nicht mehr in der Lage sind, den Bedarf ihrer Bevölkerung an Sozialleistungen sowie Klimaschutzmaßnahmen zu finanzieren. Unterhändler*innen aus den Entwicklungsländern heben regelmäßig hervor, dass man nun also von Menschen, die Angehörige und ihr Zuhause durch Katastrophen verloren haben, die sie nicht selbst verursacht haben, nun auch noch erwartet, Kredite zu hohen Zinssätzen aufzunehmen, um sich ein neues Leben aufbauen zu können. 

Per Beschluss wurden auf der COP29 «alle Akteur*innen» dazu aufgerufen, zum neuen kollektiven Finanzierungsziel beizutragen. Um die Zeitspanne zwischen der COP29 in Aserbaidschan und der COP30 in Brasilien 2025 zu überbrücken, wurde die Baku-to-Belém-Roadmap auf den Weg zu 1,3 Billionen vorgestellt, ein strategischer Plan zur Mobilisierung der Finanzmittel. Dieser Fahrplan will einen Weg aufzeigen, wie das neue Klimafinanzierungsziel trotz des zunehmend angespannten politischen Kontexts weiterhin erreicht werden kann. Aktuell ist ein Prozess im Gange, um Meinungen und Vorschläge unterschiedlicher Akteur*innen einschließlich der Zivilgesellschaft einzuholen, woher die nötigen Mittel kommen könnten und wie politisch Druck erzeugt werden kann. Aber gerade, weil alle für das Erreichen des neuen Ziels verantwortlich sind, besteht die Gefahr, dass am Ende niemand tatsächlich die Verantwortung übernimmt.

Wie soll es jetzt weitergehen?

In dieser unübersichtlichen Gemengelage richten sich die Blicke auf China und die EU. Es kommt darauf an, ob diese ihre Spannungen aus der Vergangenheit überwinden und eine Balance zwischen Zusammenarbeit und Wettbewerb finden können, um auf diese Weise eine Allianz zu bilden und zu den neuen führenden Kräften einer internationalen Klimadiplomatie zu werden. Mag es auch noch zu früh sein, um eine Aussage darüber zu treffen, welche Gestalt eine solche Allianz annehmen wird, ist die enge Zusammenarbeit zwischen China und der EU in den Abschlussverhandlungen auf der COP29 doch ein vielversprechendes erstes Zeichen. Doch zugleich haben unter anderem DeutschlandFrankreich und die Niederlande kürzlich drastische Kürzungen ihrer Entwicklungshilfeetats angekündigt, was unweigerlich Auswirkungen auf die Klimafinanzierung haben wird. 

Die Klimafinanzierung sollte als Anerkennung und Wiedergutmachung einer Klimaschuld verstanden werden, die den Menschen im Globalen Süden für die historischen und andauernden Klimaschäden in deutlich überproportionalem Maße zusteht. Die Industriestaaten müssen einsehen, dass das Wachstum brüchig bleibt, wenn es auf dem Leid anderer basiert, und dass die Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen zur Stärkung weltweiter politischer Stabilität und globalen Wachstums beitragen kann. Damit Regierungen diese Perspektive übernehmen, muss Klimafinanzierung anders verstanden werden. Viele politische Entscheidungsträger*innen und Medien in den Industrieländern stellen Klimafinanzierung als Hilfe oder Wohltätigkeit dar –  obwohl sie tatsächlich als fester Bestandteil eines verbindlichen internationalen Abkommens im Völkerrecht verankert ist. Es geht hier nicht um einen Akt der Wohltätigkeit, sondern um eine Verpflichtung. Wenn politische Entscheidungsträger*innen in Europa sich angesichts der moralischen Bankrotterklärung der USA unter Trump für die Aufrechterhaltung internationaler Normen und Werte aussprechen, muss das auch für ihre eigenen Positionen innerhalb internationaler Kooperationen und im Bezug auf Klimafinanzierung ausdehnen. 

Um tiefgreifende strukturelle Veränderungen zu bewirken, spielen verschiedene multilaterale Politikbereiche eine zentrale Rolle.

Die meisten Entwicklungsstrategien reproduzieren eine Logik, die auf neoliberalen Wirtschaftspraktiken und ungleichen Machtverhältnissen beruht. Diese Logik müssen wir umkehren und eine Praxis einführen, die tatsächlich demokratisch, inklusiv und nachhaltig ist. Wie kann das gelingen? Um tiefgreifende strukturelle Veränderungen zu bewirken, spielen verschiedene multilaterale Politikbereiche eine zentrale Rolle.

Auf der diesjährigen COP30 wird jedes Land seine Klimapläne einreichen, in denen es seine jeweiligen geplanten Maßnahmen detailliert darlegt (die sogenannten Nationalen Klimabeiträge oder NDCs) und zeigt, wie es plant, das Pariser Übereinkommen umzusetzen. Dies ist eine Gelegenheit, Druck auf diejenigen auszuüben, die ihre Emissionen weiterhin nicht ausreichend reduzieren. Die Baku-to-Belém-Roadmap auf dem Weg zu 1,3 Billionen könnte einen realistischen Fahrplan für eine Klimafinanzierung bieten, mit der die Bedürfnisse der Empfängerländer endlich angemessen berücksichtigt werden.  

Klimafinanzierung allein wird aber nicht reichen. Das Problem liegt im System – und deshalb ist eine Umstrukturierung der internationalen Finanzarchitektur und der internationalen politischen Ökonomie notwendig. Wenn wir nicht umdenken, wird man den Globalen Süden und seine Rohstoffe weiterhin ausbeuten, und globale Gleichheit wird in noch weitere Ferne rücken. Zusätzlich zur UN-Klimakonferenz findet im Juli in Sevilla die Internationale Konferenz für Entwicklungsfinanzierung statt, die den Vereinten Nationen eine weitere wichtige Gelegenheit bietet, globale Normen festzulegen und die internationale Wirtschaftspolitik zu steuern. Das Thema der Umschuldung, um die hohen Kosten der Kreditaufnahme und die erdrückende Schuldenlast vieler Ländern des Globalen Südens zu reduzieren, wird weit oben auf der Agenda stehen. Doch die Staaten sollten noch weiter gehen und den Ländern des Globalen Südens die illegalen Schulden komplett erlassen, die sich seit der Kolonialzeit angehäuft haben. Da die USA in der multilateralen Arena faktisch eine reaktionäre Position einnehmen, wird sich die EU unweigerlich klarer positionieren müssen. Bisher hat sie allerdings noch keine wirklich fortschrittliche Haltung eingenommen. Im April 2025 unterzeichneten über 200 NGOs einen offenen Brief, in dem sie «das Fehlen einer erkennbaren positiven Veränderung der europäischen Haltung bei den Gesprächen über den Ausgang der Konferenz» kritisierten:  «Statt Vorschläge für demokratischere Entscheidungsprozesse in globalen Wirtschaftsfragen zu stützen, haben sich europäische Länder bisher jeder vernünftigen Reform widersetzt.» 

Die Staaten sollten noch weiter gehen und den Ländern des Globalen Südens die illegalen Schulden komplett erlassen, die sich seit der Kolonialzeit angehäuft haben. 

Geopolitische Turbulenzen engen den steuerpolitischen Handlungsspielraum ein und beeinflussen die Verfügbarkeit globaler Kapitalflüsse. Dadurch entsteht die Gefahr, dass sich Entwicklungsländer zu sehr auf ausländische Privatinvestitionen verlassen. Entscheidend für die Verringerung dieser Abhängigkeit von ausländischen Märkten ist die Fähigkeit, im Inland ausreichende Einnahmen zu generieren. Dem afrikanischen Kontinent entgehen jährlich 88,6 Milliarden US-Dollar durch illegale Finanzströme, vor allem verursacht durch multinationale Konzerne und hochvermögende Einzelpersonen, die komplexe Steuervermeidungsstrukturen nutzen. Um dem entgegenzuwirken, wurde ein Prozess zur Ausarbeitung einer neuen Steuerrahmenkonvention der Vereinten Nationen zur internationalen Steuerkooperation eingeleitet, die Steuerhinterziehung bekämpfen, eine progressive Besteuerung fördern und ganz allgemein die Demokratisierung des globalen Wirtschaftssystems unterstützen soll. Während sich die USA aus der Konvention zurückgezogen haben (was wenig überrascht), zeigt jüngst die Ratifizierung einer Kohlenstoffabgabe für die Schifffahrt, dass trotz mancher Enttäuschungen durchaus sinnvolle Fortschritte erzielt werden können, selbst wenn einige Staaten den Verhandlungstisch verlassen. 

Die Positionen und diplomatischen Strategien, um dem Globalen Süden in den Bereichen Klimafinanzierung, Verschuldung und Steuern Vorrang einzuräumen, müssen offiziell aufeinander abgestimmt werden. Die Zivilgesellschaft muss den Status Quo in Frage stellen und mit Nachdruck einen grundlegenden Wandel der globalen Finanzarchitektur einfordern, um eine angemessene Antwort auf die Gefahren der Klimakrise finden zu können. Lokale und breite Graswurzelbewegungen können verkrustete Systeme der Ungleichheit und Ungerechtigkeit direkt angreifen. Direkte Aktion und ziviler Ungehorsam sind darüber hinaus, angesichts der aktuellen politischen Apathie und des Abdriftens in den Autoritarismus, bewährte Mittel, um den Diskurs und die Beteiligung der Öffentlichkeit neu zu beleben. Sie können ein Gegengewicht bilden zum überaus unwürdigen Verhalten, das internationale Politiker*innen derzeit an den Tag legen. 

 
Übersetzung von Sabine Voß und Claire Schmartz für Gegensatz Translation Collective.

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