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Li Andersson erklärt, warum sie und andere linke Europaabgeordnete die Budapest Pride besuchen

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«Die EU-Kommission muss rechtliche Schritte gegen das Verbot von Pride-Veranstaltungen in Ungarn einleiten. So darf es nicht weitergehen.» Li Andersson Foto: Antti Yrjönen

Seit Jahren greift die ungarische Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán die Grundwerte der Europäischen Union an: Sie schränkt die Meinungs- und Pressefreiheit ein, höhlt die Rechte von Minderheiten und Beschäftigten aus und verzögert oder blockiert wichtige europäische Entscheidungen, etwa zur Unterstützung der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland.

Li Andersson ist Europaabgeordnete der finnischen Linken, deren Vorsitzende sie von 2016 bis 2024 war.

Was passiert, wenn autoritäre Regierungen nicht gestoppt werden? Sie machen weiter. Am Dienstag, dem 13. Mai, brachte Orbáns Fidesz-Partei im ungarischen Parlament einen Gesetzentwurf ein, der den Behörden weitreichende Befugnisse geben würde, zivilgesellschaftliche Organisationen, politische Bewegungen, Gewerkschaften und Medien zu überwachen, sanktionieren oder gar ganz zu verbieten. Das Gesetz wird verabschiedet werden; Fidesz verfügt über eine Zwei-Drittel-Mehrheit.

Dem Entwurf zufolge stehen aus dem Ausland finanzierte Organisationen stets unter fremder Einflussnahme und stellen eine Gefahr für die nationale Sicherheit und Souveränität Ungarns dar. Diese Organisationen könnten künftig auf einer schwarzen Liste geführt werden. Dann dürften sie ohne Genehmigung keine ausländische Unterstützung mehr annehmen, auch keine EU-Gelder. Aktuell in Ungarn geltende steuerliche Begünstigungen für Spendeneinnahmen könnten wegfallen, wodurch eine wichtige Finanzierungsquelle versiegen würde. Außerdem sollen ihre Unterlagen, Betriebsmittel und Bankkonten kontrolliert werden dürfen. Es bleibt unklar, wer genau betroffen wäre, aber denkbar sind Gewerkschaften, YouTube-Kanäle und sogar Künstler*innenverbände.

Wir Abgeordneten der Linken im Europäischen Parlament werden an der Budapest Pride am 28. Juni teilnehmen, um uns mit den Menschen vor Ort, die sich gegen Orbáns Unterdrückung wehren, solidarisch zu zeigen.

Begründet wird das Vorhaben mit dem Schutz der Meinungsfreiheit, doch in Wirklichkeit soll eben diese eingeschränkt werden. Künftig könnte jede Äußerung, die Ungarns nationale Identität, traditionelle Vorstellungen von Ehe, Familie und Geschlecht oder das Christentum «in schlechtem Licht» erscheinen lässt, geahndet werden. Politische Akteur*innen, die sich solcher Vergehen schuldig machen, sollen mit einem Ordnungsgeld belegt werden, das bis zu 25-mal so hoch sein kann wie die erhaltene ausländische Unterstützung. Wer die Strafe nicht fristgerecht zahlt, muss die Tätigkeit vollständig einstellen.

In Ungarn sind zuletzt Zehntausende gegen diesen Gesetzentwurf auf die Straße gegangen. Ihr Protest war unmissverständlich: Mit diesem Gesetz würden kritische Stimmen verstummen und das demokratische Fundament des Landes noch stärker untergraben. Diese Warnung sollten auch die EU-Institutionen endlich ernst nehmen. 2024 hat die Europäische Kommission Ungarn eine förmliche Mitteilung zu der geplanten Einrichtung eines Amts für nationale Souveränität geschickt. Diese Behörde verstößt in mehrfacher Hinsicht gegen EU-Recht, insbesondere gegen demokratische Rechte, Datenschutz und die Unabhängigkeit der Justiz. Doch das allein reicht nicht aus.

Denn es gibt noch andere beunruhigende Entwicklungen. Ungarn erwägt einen Austritt aus dem Internationalen Strafgerichtshof. Am 2. Juni wurde der UN-Generalsekretär offiziell über dieses Vorhaben informiert. Die Entscheidung folgte kurz nach dem Besuch des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu in Ungarn, gegen den der Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen in Gaza einen Haftbefehl erlassen hat. Die EU-Kommission prüft derzeit die rechtlichen Folgen des möglichen Austritts. Immerhin ist die Anerkennung des Römischen Statuts des Gerichtshofs eine der Beitrittsvoraussetzungen zur EU.

Und auch das ist noch nicht alles. Anfang des Jahres hat Ungarn ein Gesetz verabschiedet, das Pride-Veranstaltungen verbieten soll. Ein in Europa beispielloser Angriff auf die Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Gergely Karácsony, der Bürgermeister der Stadt Budapest, kündigte an, die Pride dennoch auszurichten – als städtische Veranstaltung. Damit wäre sie von dem Verbot nicht betroffen.

Wir Abgeordneten der Linken im Europäischen Parlament werden an der Budapest Pride am 28. Juni teilnehmen, um uns mit den Menschen vor Ort, die sich gegen Orbáns Unterdrückung wehren, solidarisch zu zeigen. Denn es geht hier nicht nur um Pride. Es geht auch um einen Angriff auf Beschäftigte, Minderheiten, Wissenschaft und Journalismus. Wie wir immer wieder sehen müssen, beginnen autoritäre Regime zuerst damit, die Rechte besonders marginalisierter Menschen zu beschneiden, die ohnehin wenig Gehör finden. Doch dabei bleibt es nie. Genau deshalb betrifft es letztlich uns alle.

Und deshalb muss auch die Europäische Union entschlossener handeln. Die Maßnahmen des Artikels 7 des EU-Vertrags müssen endlich ausgeschöpft werden, auch das Einfrieren von Geldern und der Entzug des Stimmrechts. Außerdem muss die Kommission rechtliche Schritte gegen das Verbot von Pride-Veranstaltungen einleiten. So darf es nicht weitergehen.