
Der Mietendeckel begeistert. Schon seit vielen Jahren ist die wirksame Begrenzung der Mieten eine zentrale Forderung von Mietenbewegung und Linkspartei. Und dass eine solche Begrenzung möglich ist, zeigte die Zeit des «Berliner Mietendeckels» vom Februar 2020 bis April 2021, mit dem der Mietenexplosion in der Hauptstadt wirksam etwas entgegengesetzt werden konnte. Unvergessen ist die spontane Demonstration im April 2021, am Tag nachdem das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietendeckel – amtssprachlich das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) – wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz für ungültig erklärte und über 15.000 Menschen ihrer Wut auf der Straße eindrucksvoll Luft machten.
Justus Henze ist politischer Ökonom und in der Berliner Mietenbewegung aktiv. Er arbeitet als Referent für Eigentumsfragen bei communia und wirkt im Bündnis «Mietendeckel Jetzt!» mit.
Philipp Möller ist Stadtsoziologe und in der Berliner Linken aktiv. Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Berliner Abgeordnetenhaus und ist Co-Host von «Schöner Wohnen - Der Podcast zur Wohnungsfrage».
Im Zuge der eskalierenden Mietenkrise[1] wird die Forderung nach einem bundesweiten Mietendeckel immer populärer. Eine im Dezember 2024 veröffentlichte Umfrage des Forschungsinstituts Verian im Auftrag der Bundestagsgruppe der Linken zeigt, dass es bundesweit hohe Zustimmungswerte für einen Mietendeckel gibt – 73 Prozent der Befragten unterstützen ein solches Instrument[2].
Wenig überraschend also, dass eine der zentralen Forderungen der Linkspartei im Bundestagswahlkampf 2025 die Einführung eines bundesweiten Mietendeckels wurde. Damit stellte die Partei das Thema erstmals in den Fokus einer Bundestagswahlkampagne und zog gestärkt wieder in das Parlament ein. Insbesondere der Spitzenkandidat und Ko-Vorsitzende Jan van Aken betont immer wieder, dass die Linke den Mietendeckel nun «durchsetzen»[3] werde, auch wenn das einige Jahre dauern könnte.
Diese Entschlossenheit lässt aufhorchen, denn mit einem baldigen Regierungseintritt der Linken ist auf Bundesebene nicht zu rechnen. Vielmehr müssen Linkspartei und Mietenbewegung daran arbeiten, dass aus den Umfragemehrheiten künftig auch politische Mehrheiten für einen Mietendeckel werden. Wie sich aber auch tatsächlich aus Opposition und Bewegung heraus Forderungen durchsetzen lassen, zeigt das Beispiel des gesetzlichen Mindestlohns. Ende der 1990er Jahre von Akteuren der gewerkschaftlichen Bewegung erstmals gefordert, nahm Die Linke das Konzept 2005 als erste Partei in ihr Bundestagswahlprogramm auf. 2015 wurde der Mindestlohn schließlich von der damaligen Bundesregierung aus CDU und SPD umgesetzt, und das ohne eine Regierungsbeteiligung der Linken in der Zwischenzeit.
Was lässt sich also aus dem erfolgreichen Kampf für einen gesetzlichen Mindestlohn für die Durchsetzung eines Mietendeckels lernen? Wo liegen die Parallelen und Unterschiede in den politischen Ausgangsbedingungen? Welche Elemente prägten die Mindestlohn-Kampagne und lassen sie sich auf den Mietendeckel übertragen?
Erfolgreiches Agieren aus der Opposition: Die Kampagne für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn
Für den analytischen Vergleich lohnt sich zuerst ein genauerer Blick auf die Ausgangslage und Akteurskonstellation der Kampagne(n) für den Mindestlohn. Die ökonomischen Ausgangsbedingungen für den Mindestlohn waren die umfassende Deregulierung und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes zur Hochphase des Neoliberalismus. Zum Ende des 20. Jahrhunderts stagnierten die Reallöhne[4] und der Niedriglohnsektor in Deutschland wuchs stetig an. 2006 arbeiteten 22,2 Prozent der Beschäftigten in diesem Sektor, knapp 2 Millionen Menschen mussten für einen Stundenlohn von unter fünf Euro die Stunde schuften.[5] Die politisch forcierte, breit angelegte soziale Entsicherung durch die Agenda 2010 tat ihr Übriges. Aus Angst vor «Hartz IV» akzeptierten viele Beschäftigte schlechte Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne, sodass die Zahl der Beschäftigten im Niedriglohnsektor bis zur Einführung des gesetzlichen Mindestlohns weiter stieg.
Dem Druck auf Löhne und Sozialstaat war von linker und gewerkschaftlicher Seite mit tarifpolitischen Mitteln nicht mehr ausreichend zu begegnen, sodass Ende der 1990er Jahre gewerkschaftliche Akteure die Forderung zu einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn erhoben. Als Die Linke diesen in ihr Wahlprogramm aufnahm, unterstützten lediglich zwei Mitgliedsgewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) die Forderung. Die Gewerkschaft Nahrungsmittel, Genuss und Gastronomie (NGG) forderte bereits seit 1999 gesetzliche Lohnuntergrenzen, die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di nahm die Forderung 2004 auf. Hintergrund waren die schwache Tarifbindung in den Branchen, die NGG und ver.di vertreten, und das große Ausmaß an Beschäftigung zu Niedriglöhnen. Andere Gewerkschaften, wie die IG Metall und die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), die Beschäftigte aus Branchen mit hoher Tarifbindung und starkem Organisierungsgrad vertreten, unterstützten den Mindestlohn hingegen aus Angst vor Eingriffen in die Tarifautonomie nicht. Auch in der Gesellschaft und den Medien spielte der Mindestlohn trotz der um sich greifenden Prekarisierung der Arbeitswelt keine Rolle.
Um Mehrheiten in Gesellschaft, Politik und Gewerkschaften zu gewinnen, starteten sowohl ver.di und NGG als auch Die Linke 2006 eigene und voneinander unabhängige Kampagnen für einen gesetzlichen Mindestlohn. Bundesweit wurden Aktionen organisiert, die von beiden Gewerkschaften als auch von der Linken gemeinsam getragen wurden. Diese Zusammenarbeit reichte teils bis hin zur Gründung gemeinsamer Bündnisse, wie etwa dem auch überregional wahrnehmbaren «Bündnis Mindestlohn Sachsen-Anhalt»[6]. Die Kampagne der Linkspartei sollte das Thema Lohndumping prominent in die gesellschaftliche Debatte bringen, durch eine gemeinsame zentrale Forderung den Parteigründungsprozess der Partei DIE LINKE (aus WASG und PDS) unterstützen und zugleich das Bündnis der Partei mit den Gewerkschaften fördern.[7]
Die Kampagnen von Gewerkschaften und Partei einte die Vorstellung, dass die Durchsetzung des Mindestlohns nur möglich sei, wenn die Forderung gesellschaftlich breit getragen würde. Die Kampagnenarbeit mündete schließlich noch im Jahr 2006 in einen Beschluss des DGB-Bundeskongresses, der die Mitgliedsgewerkschaften hinter der Forderung für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn vereinte. Von 2007 bis zur Einführung des Mindestlohns 2015 führte der DGB die von NGG und ver.di begonnene Kampagne weiter. Die nun einheitliche Beschlusslage des DGB zum Mindestlohn setzte die SPD erheblich unter Druck. Kurz nach dem DGB übernahm auch die SPD noch im Jahr 2006 die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn. Damit war ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg zu dessen Einführung erreicht.
Fortan erinnerte die Linke die Sozialdemokratie, die bis 2009 in der Regierung mit der CDU saß und keine Anstalten machte den Mindestlohn auch tatsächlich umzusetzen, an ihre Beschlusslage, etwa indem gleichlautende Anträge in den Bundestag eingebracht wurden.[8] Die Grünen wiederum nahmen die Forderung 2009 in ihr Programm auf. Gemeinsam mit den Gewerkschaften und Sozialverbänden setzten die oppositionellen Mitte-Links-Parteien während der Koalition von CDU und FDP zwischen 2009 und 2013 den Mindestlohn immer wieder auf die Tagesordnung.
Neben der politischen Arbeit auf der parlamentarischen Bühne zielten die Kampagnen für den Mindestlohn auf die Verbreiterung der gesellschaftlichen Zustimmung. Durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit, kluge Wissensproduktion durch zahlreiche Studien, und strategische Kommunikation nahm die Zustimmung zum Mindestlohn rasant zu. Medienberichte über «Hungerlöhne» in bestimmten Branchen – am prominentesten im Friseurhandwerk – thematisierten Lohndumping und Armut trotz Arbeit. Zwischen 2007 und 2013 stieg die Zustimmung zum Mindestlohn von 52 auf 86 Prozent.[9] Infolgedessen machte die SPD die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns 2013 zu einer Bedingung für den Eintritt in die schwarz-rote Bundesregierung, welche den Mindestlohn schließlich zum 1. Januar 2015 beschloss.
Vom Mindestlohn für den Mietendeckel lernen: Akteure und strategische Ansatzpunkte
Nicht nur wegen der Notwendigkeit einer Umsetzung aus der Opposition heraus ähneln sich Mindestlohn und Mietendeckel. Auch die ökonomische Ausgangslage hat erkennbare Ähnlichkeiten. Die oben beschriebene Expansion des Niedriglohnsektors erfasste in den 2000er Jahren weite Teile der Bevölkerung. Der Umfang von Prekarisierung und Kaufkraftverlust für die lohnabhängige Klasse führte zu einer Offenheit für politische Eingriffe ins Lohngefüge.
Heute erreicht die Krise auf dem Wohnungsmarkt ebenfalls weite Bevölkerungsteile. Im Schnitt geben Menschen bundesweit ein Viertel ihres Nettohaushaltseinkommens für das Wohnen aus[10]. Insbesondere in den großen und mittleren Städten mit angespannten Wohnungsmärkten wächst die Zahl an überlasteten Mieter*innen, die ihre Wohnkosten kaum noch bezahlen können. Bundesweit zahlt bereits jeder Sechste Mieterhaushalt mehr als 40 Prozent des verfügbaren Einkommens (ebd.) für das Wohnen.
Die Zuspitzung der Mietenkrise führt deutlich vor Augen, dass das aktuelle Angebot an politischen Instrumenten nicht ausreicht und sie macht radikalere Eingriffe wie etwa einen Mietendeckel für wachsende Teile der Bevölkerung immer nachvollziehbarer. Da mittlerweile auch weite Teile der «Mitte» der Einkommensverteilung betroffen sind, steigt das Potenzial für eine Zustimmung für einen Mietendeckel über die linke Stammwähler*innenschaft hinaus, denn 58 Prozent der Haushalte in Deutschland wohnen zur Miete.
Während Pioniere wie die mietenpolitische Bewegung und Teile der Linkspartei bereits seit Mitte der 2010er Jahre Mietbegrenzungen wie regionale Mietendeckel oder einen bundesweiten Mietendeckel fordern, ist aktuell zu erkennen, dass frühere Skeptiker*innen ihre Position verändern. Aus dem Protestbündnis gegen den Wohngipfel der Bundesregierung in Hamburg im Herbst 2024 entstand die bundesweite Kampagne «Mietendeckel Jetzt!» mit dem Ziel in den Wahlkampf für die vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar 2025 mietenpolitisch einzugreifen. Inzwischen unterstützen zahlreiche Mietervereine –die teils zuvor noch einem Mietendeckel skeptisch gegenüberstanden – gemeinsam mit Bewegungsakteuren, der Partei Die Linke, einzelnen Teilen von Bündnis90/Die Grünen und anderen die Kampagne. Diese Erweiterung des Unterstützer*innenkreises, auch wenn der Gesamtverband Deutscher Mieterbund (DMB) hier bislang fehlt, zeigt das Bündnispotenzial, das eine Mietendeckelkampagne mit den Anfängen der Auseinandersetzung um den Mindestlohn gemeinsam hat. Auch die Gewerkschaften haben sich in den vergangenen Jahren verstärkt für härtere Mietregulierungen ausgesprochen, sind bis dato aber noch kein Teil von «Mietendeckel Jetzt». Gerade gewerkschaftliche Akteure und am Ende die mitregierende SPD müssen im Zuge der weiteren Schritte der Kampagne unbedingt für den Mietendeckel gewonnen werden.
Dabei könnte der Mietendeckel, ebenso wie es der Mindestlohn vermochte, als politische Forderung eine verbindende Wirkung auf die gesamte gesellschaftliche Linke haben. Beide gleichen sich als weitreichende, aber realistische Forderungen, die einerseits die Profite des Kapitals begrenzen und andererseits materiell das Leben der arbeitenden bzw. mietenden Menschen in ihrem Alltag und ihrer Lebensrealität spürbar verbessern. Eine bundesweite und von Bewegung, Verbänden, Gewerkschaften und Partei(en) gemeinsam getragene Kampagne für einen Mietendeckel könnte für Die Linke, analog zur Mindestlohnkampagne zu Zeiten der Parteigründung, auch als verbindendes Element der Parteiorganisierung dienen. Durch den starken Mitgliederzuwachs erlebte die Partei in den vergangenen Monaten quasi eine Neugründung von unten. Neue und alte Mitglieder könnten durch die Kampagne zusammengeführt und die Partei durch die Vernetzung mit Mietervereinen, Initiativen und Sozialverbänden im zivilgesellschaftlichen Vorfeld wieder stärker verankert werden.
Wo sich die Wege trennen: Differenzen zwischen Mindestlohn und Mietendeckel
Bei allen Ähnlichkeiten von Mindestlohn und Mietendeckel bezüglich Ausgangsbedingungen und Ansatzpunkten gibt es aber auch wichtige Unterschiede zwischen den Instrumenten an sich sowie im politischen Kontext. Die Kampagne für einen Mindestlohn fand zu ihrem Start in den Protesten gegen Hartz IV einen verbindenden Katalysator. Die heutige Mietenbewegung ist hingegen aktuell in einer schwächeren Phase und verlor seit 2021 an Stärke, auch wenn es seit 2024 zumindest in Berlin wieder vereinzelt zu größeren Protesten kommt. Zudem beschränkte sich die neuere Mietenbewegung immer auf lokale Hotspots, allen voran auf die Hauptstadt, aber auch auf Städte wie Hamburg, München oder Frankfurt. Alle bisherigen Versuche eine wirkmächtige bundesweite Mietenbewegung aufzubauen, scheiterten bislang und kamen über Demonstrationen und Konferenzen nicht hinaus.
Drei Aspekte geben aber wiederum Anlass zur Hoffnung: Zum einen fehlt der mieten- und stadtpolitischen Bewegung durch die starke lokale Verankerung und Orientierung seit langem eine verbindende Forderung, um die Bundespolitik zu adressieren. Der Kampf für einen Mietendeckel kann diese Lücke füllen und hat das Potenzial, lokale Bewegungsakteure in einer Auseinandersetzung zu verbinden und der Mietenbewegung neuen Schub zu geben.
Zweitens steht zeitgleich der Kampf um die Vergesellschaftung großer, privater Wohnungskonzerne nicht vor dem Aus, sondern vor der nächsten Phase. «Deutsche Wohnen und Co. enteignen» (DWE) schreibt aktuell an einem eigenen Vergesellschaftungsgesetz für einen zweiten, dann rechtlich verbindlichen Volksentscheid für Berlin. Die nächste Phase des Kampfes von DWE dürfte die stadtpolitischen Auseinandersetzungen allgemein befeuern – auch 2019/2020 konnte der Berliner Mietendeckel davon profitieren, dass vor allem die mitregierende SPD aus Furcht vor der «Enteignungsstimmung» der Einführung des Mietendeckels zustimmte.
Drittens kommt der Linkspartei im Zuge des starken Mitgliederzuwachses eine veränderte Bedeutung für die bundesweite Bewegung zu. Eine vielversprechende, aber herausfordernde Situation für die Partei: Es geht darum, die Bewegung zu unterstützen, ohne dominant zu werden und die Ausweitung der gesellschaftliche Basis über die Linkspartei hinaus zu behindern. Der Kampf für einen Mietendeckel kann also Vehikel für den konzentrierten Aufbau einer bundesweiten Mietenbewegung sein und eine sinnvolle Ergänzung der Enteignungskampagnen in Berlin (und Hamburg).
Auch in der engen Verzahnung mit den Gewerkschaften zeigen sich Unterschiede zwischen Mindestlohn- und Mietendeckelkampagne. Zwar waren die Gewerkschaften nach der Niederlage gegen die Agenda 2010-Reformen zu Beginn der Mindestlohnkampagne geschwächt, verfügten aber damals wie heute über deutlich mehr Mitglieder als die Mietervereine. Zudem besitzen sie mit dem Streikrecht eine weit größere Machtressource und haben dadurch als gesellschaftlicher Akteur deutlich mehr Gewicht. Der DGB-Beschluss für einen gesetzlichen Mindestlohn entfaltete daher erheblich mehr Druck auf die SPD als es ein entsprechender Beschluss des DMB für einen Mietendeckel heute könnte.
Auf dem Weg zum Bundesweiten Mietendeckel: Strategische Herausforderungen und Zwischenziele
Einen bundesweiten Mietendeckel durchzusetzen ist beschwerlich und die politischen Ausgangsbedingungen sind mit der aktuellen CDU/CSU-SPD-Bundesregierung unter Friedrich Merz und einer Mietenbewegung in der Defensive nicht berauschend. Aber auch die Ausgangsbedingungen für die Mindestlohnkampagne, die zu einer Hochzeit des Neoliberalismus und nach erfolgreichen Angriffen auf den Sozialstaat gestartet wurde, waren alles andere als gut. Schlussendlich dauerte der Weg vom Start der ersten umfangreichen Kampagnen bis zur Einführung des Mindestlohns neun Jahre. Um den Mietendeckel Wirklichkeit werden zu lassen, bedarf es vermutlich eines langen Atems, sowie eines strategischen Kampagnenaufbaus, der Verbreiterung der gesellschaftlichen Zustimmung und einer nachhaltigen Verankerung der Auseinandersetzung.
Mit der neu erstarkten Linken gibt es wieder eine politische Kraft, die in der Wohnungsfrage – auch durch die erfolgreiche Umsetzung des Berliner Mietendeckels mit seinen unmittelbar spürbaren Folgen für viele Berliner Mieter*innen – an Glaubwürdigkeit gewonnen hat. Um die anderen Parteien wirksam vor sich her treiben zu können, braucht es allerdings deutlich mehr Unterstützung innerhalb der Gewerkschaften und deutlich mehr Verbündete auch auf Seiten von SPD und Grünen. Aber auch hier gibt es aktuell einige Lichtblicke wie der Beschluss des Landesparteitags der Berliner SPD im Mai 2025 zeigt, in dem sich der Landesverband für eine Öffnungsklausel im Mietrecht des Bundes aussprach, um einen Mietendeckel auf Länderebene zu ermöglichen.[11] Auch die Grünen zeigten sich auf Bundes- und Landesebene wiederholt offen für schärfere Mietregulierungen, einzelne Akteure sind schon Teil des Mietendeckel-Bündnisses. Das zeigt: Obwohl SPD und Grüne in der «Ampelregierung» mietenpolitisch kaum etwas durchgesetzt haben, lassen sich beide Parteien grundsätzlich für ein Pro-Mietendeckel-Lager gewinnen.
Auch in der Mietenbewegung gibt es hoffnungsvolle Entwicklungen. Sowohl der systematischere Einsatz von Organizing zum Aufbau von Mieter*inneninitiativen als auch die Verbindung von klima- und wohnungspolitischen Auseinandersetzungen – etwa im Rahmen der Kampagne «Soziale Wärmewende Jetzt!», skizzieren mögliche Schwerpunkte für einen erneuten Bewegungszyklus. Für eine stadt- und mietenpolitische Bewegung in Offensive bleibt allerdings noch viel Aufbauarbeit zu leisten. Das ist konkrete politische Handarbeit und braucht Ressourcen - gerade beim Aufbau der Kampagne «Mietendeckel Jetzt!» gibt es noch viel zu tun.
Um den Marathon bis zur erfolgreichen Durchsetzung eines Mietendeckels durchzuhalten, braucht es Etappenziele, die sicht- und spürbare Zwischenschritte auf dem Weg zum Erfolg markieren. Dazu könnten etwa die Durchsetzung lokaler Mietendeckel für kommunale Wohnungsunternehmen zählen. Auch kleinere Erfolge, die für Mieter*innen materiell einen konkreten Unterschied machen, können helfen, um progressive Mietenpolitik lokal zu stärken und die soziale Basis für eine Bewegung mit der einenden Zielsetzung Mietendeckel zu verbreitern. Mit der Verfolgung von Mietwucher oder dem Heizkosten-Check etabliert die Linke wirksame Hebel, wie stark überhöhten Mieten und Heizkosten-Abzocke etwas entgegensetzt werden kann.
Die Aussagen von Jan van Aken und anderen zur Durchsetzung eines Mietendeckels nach dem Vorbild der Mindestlohnkampagne haben im Wahlkampf Hoffnung auf eine wirksame Begrenzung der Mieten geweckt. Unsere Analyse der materiellen, strategischen und bündnispolitischen Grundlagen beider Kampagnen zeigt: Trotz einzelner Unterschiede steckt in diesem Vergleich, in dieser politischen Referenz eine Reihe spannender Parallelen und Potenzial! Diese Erkenntnis hilft auf dem vor uns liegenden Weg einen konkreten Plan und eine tragfähige Strategie für diesen langfristigen Kampf zu entwickeln. Die Hoffnung auf den Mietendeckel macht Mut für den Mietendeckel-Marathon – denn eine seiner großen Stärken ist: Wir wissen aus der kurzen Wirkungszeit in Berlin: Es ist Politik, die funktioniert!
[2] https://www.linksfraktion.berlin/politik/presse/detail/umfrage-zeigt-drei-viertel-der-bevoelkerung-unterstuetzen-einen-mietendeckel/
[3] https://www.freitag.de/autoren/elsa-koester/jan-van-aken-die-stimmung-ist-euphorisch-jetzt-geht-es-um-den-mietendeckel
[4] https://www.bpb.de/themen/arbeit/arbeitsmarktpolitik/322503/lohnentwicklung-in-deutschland-und-europa/
[5] siehe: Sascha Kristin Futh: Strategische Kommunikation von Gewerkschaften - Die Kampagnen Samstags gehört Vati mir, 35-Stunden-Woche und Mindestlohn, Springer VS Verlag, S. 253.
[7] siehe: Werner Dreibus/ Matthias Hinze/ Axel Troost (2007): Die Kampagne als strategisches Instrument der LINKEN Überlegungen am Beispiel der Mindestlohnkampagne, in: Michael, Brie/ Cornelia Hilfebrand/ Meinhard Meuche-Mäker (Hrsg.) DIE LINKE - Wohin verändert sie die Republik?, Karl-Dietz-Verlag.
[9]siehe: Sascha Kristin Futh: Strategische Kommunikation von Gewerkschaften - Die Kampagnen Samstags gehört Vati mir, 35-Stunden-Woche und Mindestlohn, Springer VS Verlag, S. 264.