
Wir leben in extrem politisierten Zeiten. Die Diskussionen ändern sich schnell und sind oft hitzig. Manchmal werden absichtlich falsche Behauptungen aufgestellt, und es ist nicht immer leicht, Fake News von Fakten zu unterscheiden. In unserer Serie «Was ist eigentlich …?» erklären wir wichtige Begriffe aus der politischen Diskussion und zeigen, welche Interessen und Konflikte dahinterstecken.
Von George Floyd in den USA über Adama Traoré in Frankreich bis zu Oury Jalloh oder Lorenz A. in Deutschland: Immer wieder kommt es zu tödlicher Polizeigewalt. Oft sind die Opfer Schwarz, arm, geflüchtet oder befinden sich in psychischen Ausnahmesituationen. Proteste dagegen gibt es weltweit.
Polizei, Macht und gesellschaftliche Ungleichheit
In der öffentlichen Meinung hat die Polizei hohe Glaubwürdigkeit als Garantin von Sicherheit und Ordnung. Im Innern übt die Polizei das staatliche Gewaltmonopol aus. Gewalt als gesetzlich geregelte Anwendung von Zwang gehört also untrennbar zur Polizeiarbeit dazu.
Die Polizei selbst pflegt das Bild als bürgernahe Institution. Besonders in den USA ist das Selbstverständnis als «thin blue line» verbreitet, als schmale Linie, die die Gesellschaft vom Chaos trennt. Polizeigewerkschaften und konservative Medien verstärken dieses Bild. Vor diesem Hintergrund werden Polizeibefugnisse häufig erweitert, etwa durch neue Sicherheitsgesetzte auf Bundes- und Landesebene.
Exzessive Polizeigewalt, etwa bei Personenkontrollen oder bei politischen Demonstrationen, ist kein Einzelfall. In ungleichen, von Rassismus geprägten Gesellschaften treffen Repression und die Einschränkung von Grundrechten benachteiligte und diskriminierte Gruppen systematisch und besonders häufig. Historisch entstand die Polizei zur Sicherung der kapitalistischen Eigentumsordnung; in den Südstaaten der USA waren die «Slave Patrols», die flüchtige versklavte Schwarze jagten, Vorläufer der heutigen Polizei.
Racial Profiling und fehlende Kontrolle
Die kritische Polizeiforschung weist darauf hin, dass die Polizei auch gesellschaftliche Zugehörigkeit herstellt. Wenn nicht-weiße oder migrantische Personen häufiger kontrolliert werden, ist das kein Zufall und sendet zugleich das Signal an die Mehrheitsgesellschaft: Ihr seid normal, die anderen kriminell. Racial Profiling – die «anlasslose» Kontrolle aufgrund äußerer Merkmale – ist vielfach dokumentiert und kein Fehlverhalten einzelner, sondern strukturell bedingt.
In der Polizeilichen Kriminalstatistik sind daher Menschen ohne deutschen Pass im Vergleich zu ihrem Anteil an der Bevölkerung besonders oft als Verdächtige erfasst. Medien greifen diese Zahlen auf und verstärken das verzerrte Bild von «Ausländerkriminalität» zusätzlich – ein Kreislauf, der auf die Polizeiarbeit zurückwirkt. Gleichzeitig neigen Polizist*innen überdurchschnittlich oft zu rechtsautoritären Weltbildern. Das zeigt sich auch in wiederkehrenden Nachrichten über rechtsextreme Chatgruppen und Netzwerke in der Polizei.
Polizeireform – oder Abschaffung?
Die Aufklärung und das Verhindern von Polizeigewalt stößt an institutionelle Grenzen. Bei Anzeigen ermitteln Polizist*innen gegen Polizist*innen, so dass die Strafverfolgung oft am Korpsgeist in der Polizei scheitert. So liegt die Aufklärungsquote bei Polizeigewalt bei unter einem Prozent. Menschenrechtsinitiativen beklagen eine Kultur der Straflosigkeit. Teilweise werden Betroffene im Nachhinein kriminalisiert, um Polizeigewalt zu rechtfertigen.
Um das zu ändern, fordern Initiativen und politische Parteien wie Die Linke eine Kennzeichnungspflicht für Einsatzkräfte, wie es sie in einigen Bundesländern bereits gibt. Auch unabhängige Beschwerdestellen mit Ermittlungsbefugnissen könnten für mehr Aufklärung sorgen. Andere gesellschaftliche Akteure bezweifeln die Reformierbarkeit der Polizei – jedenfalls solange die kapitalistische Eigentumsordnung und Rassismus fortbestehen. In Protesten gegen Polizeigewalt wird deshalb verstärkt die Forderung nach «Abolitionismus» laut, also der Abschaffung der Polizei zugunsten anderer Formen der Konfliktlösung.