
2014 wurden vor der Küste Senegals Öl- und Gasvorkommen entdeckt. Die damalige Regierung unter Präsident Macky Sall sah darin sofort eine große Chance: Mithilfe der erwarteten Einnahmen sollten wirtschaftliches Wachstum gefördert und der Lebensstandard der Bevölkerung spürbar verbessert werden.
An der Grenze zwischen Senegal und Mauretanien wird bereits Erdgas gefördert und in Flüssiggas (LNG) umgewandelt. Weitere Projekte vor der Küste des Landes sind begonnen oder geplant. Die neue Regierung des Präsidenten Diomaye Faye will diese Projekte weiterverfolgen.
Claus-Dieter König ist Leiter des Regionalbüros Westafrika, Rosa-Luxemburg-Stiftung in Dakar, Senegal.
Ibrahima Thiam arbeitet zum Thema Klimawandel und natürliche Ressourcen im Westafrika-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Dakar, Senegal.
Doch lohnt sich das Risiko?
Im Rahmen eines Vortrags der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) in Dakar am 21. Mai erläuterte Dr. Mamadou Touré, Wirtschaftsexperte für Erdöl- und Gasfragen, warum genau dieser Weg ein riskanter Irrweg sein könnte. Seine Analyse stützt sich auf eine umfangreiche Studie, die das Westafrika-Büro der RLS bald veröffentlichen wird.
Ein zentrales Argument Tourés: Die Gefahr gestrandeter Vermögenswerte. Investitionen in die Tiefseeförderung – oft in über 2.000 Metern Tiefe – sind extrem kostspielig. Sollten sich diese Investitionen aufgrund von Marktveränderungen oder politischen Entwicklungen nicht mehr rentieren, wären die Verluste enorm.
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt bereits Beispiele gescheiterter Investitionen:
- Der staatliche Stromversorger Senelec investierte im Rahmen des «Plan Takkal» 2008 rund 120 Millionen Euro in Projekte, die heute nicht mehr weiterverfolgt werden.
- Das 125-MW-Kohlekraftwerk in Sendou, das 196 Millionen Euro kostete, leidet unter sinkender Rentabilität – unter anderem wegen Umweltprotesten und der Zusage, es auf Erdgas umzustellen.
- Erste Offshore-Bohrungen wurden bereits aus wirtschaftlichen Gründen wieder eingestellt.
Senegal ist bereits auf dem Weg zur Energiewende
Gleichzeitig hat der Wandel auch im Senegal bereits begonnen: Erneuerbare Energien erzeugen bereits 30 Prozent des in Senegal produzierten elektrischen Stroms. Neue Massenverkehrsmittel wie der Vorortzug TER und eine Schnellbuslinie, der BRT, werden elektrisch betrieben und reduzieren den fossil betriebenen städtischen Straßenverkehr. Betreiber von Gold- und Zirkonminen experimentieren mit Solarkraftwerken für ihre Stromversorgung
Die bessere Investition: Erneuerbare Energien
Tourés Fazit: Investitionen in fossile Brennstoffe sind zunehmend unattraktiv – wirtschaftlich wie ökologisch.
Stattdessen sollte Senegal seine Mittel in zukunftssichere, nachhaltige Energiequellen lenken. Jetzt ist der Moment, um in diese Industrien zu investieren, die weltweit in den kommenden 30 Jahren dominieren werden.
Erneuerbare Energien bieten größere Planungssicherheit, langfristige Rentabilität und eine klarere Perspektive für eine wirtschaftlich und ökologisch stabile Zukunft.
Was jetzt gebraucht wird: Ein grüner Marshall-Plan. Um diesen Plan zu finanzieren, bedürfe es einer Art «Marshall-Plan» für Sonderinvestitionen in vielfältige nicht-fossile Energieinfrastrukturen. Dazu könne die unter Führung von Frankreich und Deutschland ausgehandelte Just Energy Transition Partnership (JETP) zwischen den G7 und dem Senegal weiterentwickelt werden. Eine Anreizformel für den Verzicht auf nicht geförderte und nicht zugewiesene fossile Energieträger sei einzuführen. Zudem müssten dem Senegal Zuschüsse statt Kredite zur Verfügung gestellt werden um seine Energiewende zu finanzieren, ohne sich zusätzlich zu verschulden.
Globale Gerechtigkeit – und eine strategische Partnerschaft mit Deutschland
Afrika trägt nur einen Bruchteil zu den weltweiten CO₂-Emissionen bei, leidet aber überproportional unter den Folgen: Wüstenbildung, Dürren, Verlust von Anbauflächen und Fischbeständen. Es ist an der Zeit, globale Ausgleichsmechanismen zu schaffen – etwa durch Umweltabgaben großer Industrieländer und Ölkonzerne, die in UN-Fonds für Klimagerechtigkeit fließen.
Die Umwandlung von JETP-Darlehen in internationale öffentliche Zuschüsse wäre Teil der Reparationen für die Verluste, die der Kontinent als Folge des Klimawandels erlitten hat.
Deutschland und Senegal könnten eine beispielhafte Partnerschaft mit einem integrierten Modell für eine grüne Wirtschaft im Senegal entwickeln. Diese grüne Wirtschaft könnte die Bereiche Industrie, Landwirtschaft, Straßen- und Schienenverkehr umfassen und damit den Lebensstandard für die Masse der Bevölkerung erheblich verbessern. Dies böte den Rahmen für strukturierte bilaterale und multilaterale Verhandlungen, um die Finanzierung des weiteren Ausbaus erneuerbarer Energien zu gewährleisten. Eine solche Partnerschaft könnte Labor und Vorreiter für Strategien globaler Zusammenarbeit in Sachen Energiewende und Klimaschutz werden.