Hintergrund | Kapitalismusanalyse - Rosalux International - Globalisierung - Multipolare Welt Den Mythos der Multipolarität entzaubern

Warum BRICS keine Bedrohung für den Imperialismus darstellt und wir eine «antipolare» Alternative brauchen

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Patrick Bond,

Xi Jinping, Narendra Modi und Wladimir Putin unterhalten sich vor dem Gruppenfoto auf dem Gipfeltreffen der Shanghai Cooperation Organization in Tianjin, China, am 1. September 2025.
Xi Jinping, Narendra Modi und Wladimir Putin unterhalten sich vor dem Gruppenfoto auf dem Gipfeltreffen der Shanghai Cooperation Organization in Tianjin, China, am 1. September 2025. Foto: IMAGO / ZUMA Press Wire

Wenn das westliche, liberale politische Imperium sich infolge des Genozids in Palästina unwiderruflich diskreditiert hat und das neoliberale Projekt nicht mehr zu retten ist (trotz Forderungen nach einer Reduzierung der Ungleichheit, nach Ernährungssicherheit und Klimaschutzmaßnahmen, wie sie für den G20-Gipfel im November in Johannesburg eingebracht wurden) – was kommt danach?

Patrick Bond ist Professor und Direktor des Centre for Social Change an der University of Johannesburg, einer Partnerorganisation des Regionalbüros Südliches Afrika der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

In jüngster Zeit sind die Erwartungen an eine Wiederbelebung der «Multipolarität» gestiegen. Das liegt unter anderem daran, dass Bevölkerung, Bruttoinlandsprodukt und geopolitische Bedeutung der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) immer weiter wachsen, seit 2023 beim Gipfel in Johannesburg Ägypten, Äthiopien, Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) als neue Mitglieder aufgenommen wurden. Auch Saudi-Arabien wird oft als baldiges Mitglied geführt, während Indonesien bereits Anfang des Jahres beitrat. Außerdem gibt es zehn neue «Partner» mit Beobachterstatus: Belarus, Bolivien, Kuba, Kasachstan, Malaysia, Nigeria, Thailand, Uganda, Usbekistan und Vietnam. Diese Länder weisen eine große Bandbreite an politischen Überzeugungen auf, und eines von ihnen, Bolivien, hat gerade einen scharfen Schwenk nach rechts gemacht (wobei das, im Gegensatz zu Argentinien 2023, nicht zwingend eine Abkehr von BRICS bedeuten muss).

Der Gipfel des Blocks wurde im Juli 2025 in Rio de Janeiro von Brasiliens Mitte-links-Präsidenten (und Vorsitzendem der Arbeiterpartei) Luiz Inácio Lula da Silva ausgerichtet. Obwohl in Rio, wie weithin erwartet worden war, nicht die Themenbereiche behandelt wurden, auf die ein überzeugter multipolarista bestanden hätte, wurden in den folgenden Wochen geopolitische Gewissheiten erschüttert, was den BRICS neuen Glanz verlieh. Das Treffen zwischen dem russischen Diktator Wladimir Putin und Donald Trump am 15. August in Alaska brachte keine Veränderungen im Ukrainekrieg, außer dass Moskau das Bombardement von Zivilist*innen verschärfte, was den US-Präsidenten «sehr enttäuschte». Doch die nachteiligen Auswirkungen der im August frisch verhängten US-Zölle – vor allem gegen Brasilien und Indien (Putins zweitgrößten Ölkunden) – ließen Wut aufsteigen, und die Deutsche Welle fragte berechtigterweise: «Wird BRICS unter Trump einen Boom erleben?»

Die traditionell sicherheitsorientierte Versammlung der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) in Tianjin, die vom 31. August bis zum 1. September stattfand, bot neben einem imageträchtigen Auftritt Putins auch eine zumindest zeitweise Annäherung zwischen den oftmals zerstrittenen Staatsoberhäuptern Indiens und Chinas, Narendra Modi und Xi Jinping. Die beiden Letzteren werden die nächsten zwei BRICS-Gipfel ausrichten. Doch in den vergangenen zehn Jahren haben sich zwischen den beiden Ländern anhaltende Spannungen entwickelt, ausgelöst durch Grenzkonflikte – insbesondere in der Himalaya-Region, beispielsweise wegen der befürchteten schädlichen Auswirkungen des weltgrößten Staudamms, den China dort bauen will – sowie Beijings enge Verbindungen zu Indiens Gegnern in Pakistan. Nachdem 2020 dutzende Soldaten bei Kämpfen im Gebirge ums Leben gekommen waren, verhängte Indien Sanktionen auf Technologien aus China sowie auf ausländische Direktinvestitionen. Es wurde sogar ein Verbot für Direktflüge erlassen — das jetzt wieder gelockert werden könnte.

Am 8. September mussten sich die Staats- und Regierungschefs der BRICS-Staaten in einer von Lula einberufenen Dringlichkeitssitzung per Videokonferenz zum Thema Außenhandel einem noch schwierigeren Test stellen: Können sie angesichts der chaotischen US-Zollpolitik – sehr hohe Zöllen für Brasilien, Indien, China und Südafrika, aber nur 10 Prozent für die VAE und Saudi-Arabien – ihre isolierten bilateralen Verhandlungen mit Washington überwinden und endlich zusammenarbeiten?

Vielleicht ist das unmöglich, schließlich haben dutzende Staatschef*innen «angerufen und mir den Arsch geküsst», wie Trump im April prahlte, kurz nach der ersten Runde seiner irrationalen Zollerhöhungen, dem sogenannten Liberation Day. Von den BRICS-Mitglieds- und Partnerstaaten konnte seitdem nur Vietnam erfolgreich ein Handelsabkommen abschließen (außerhalb von BRICS gilt das für Südkorea, Großbritannien und die Europäische Union). Lula bezeichnete Trumps Politik als «inakzeptable Erpressung».

Dennoch ist im Hinblick auf eine multipolare Revolte gegen die US-Handelspolitiktricks weiterhin Pessimismus angebracht. Wie verschiedene brasilianische Quellen Bloomberg am 1. September mitteilten, sei ein systematischer Widerstand seitens BRICS auch diesmal unwahrscheinlich: «Lula will das Treffen nicht zu einem Anti-US-Gipfel werden lassen», obwohl Trump als Vergeltung für die strafrechtliche Verfolgung seines Vorgängers Jair Bolsonaro nach dem gescheiterten Putschversuch im Januar 2023 Zölle in Höhe von 50 Prozent auf brasilianische Exporte verhängt hatte.

Mythen des Multipolarismus

Trotzdem sehen einige Stimmen der internationalen Linken bei den BRICS-Staaten nun ein deutlich höheres Potenzial dafür, neue Machtverhältnisse zu schaffen, die auf gegenseitigem Respekt und einem fairen, weltweit ausgeglichenen wirtschaftlichen Spielfeld basieren. Sie weisen darauf hin, dass das Wort «Frieden» in der Abschlusserklärung von Rio ganze 41 Mal auftaucht. Doch um das möglich zu machen, müsste die multipolare Bewegung klare Siege gegen die destruktive Vorherrschaft der imperialistischen Interessen des Westens erringen, einschließlich der neoliberalen Welthandelsorganisation (WTO), dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank. Deren Interessen beruhen auf der Expansionsagenda von Konzernen – insbesondere von Finanzindustrie, Handel, Big-Data-Kapitalist*innen, Big Pharma und der Rohstoffbranche –, die schon lange die Politik der meisten multilateralen westlichen Institutionen dominieren.

Unter den aktuellen Bedingungen jedoch hat sich die angebliche Reform der Bretton-Woods-Institutionen in ihr Gegenteil verkehrt. Die Vorsitzende der Welthandelsorganisation, Ngozi Okonjo-Iweala, räumt ein, das weltweite Handelssystem erlebe «die schwersten Umbrüche seit dem Zweiten Weltkrieg», was teilweise auf die Schwächung ihrer Organisation durch Trump seit 2019 zurückgehe. «Die multilaterale Zusammenarbeit an sich steht infrage … WTO-Ökonom*innen haben die Wachstumsprognosen des Handelsvolumens um fast drei Prozentpunkte nach unten korrigiert und erwarten nun 2025 einen Rückgang von 0,2 Prozent.»

Daher kann man leicht von einer Art «Hype» oder «Hoffnung» darauf, dass ein Multipolarismus der BRICS-Staaten den Multilateralismus retten würde, in ein Gefühl der «Hilflosigkeit» abgleiten, nachdem sichtbar wurde, wo der Block an seine Grenzen stößt. Die Reformen der multilateralen Institutionen durch die BRICS-Staaten sind fehlgeschlagen, obwohl gewaltige Summen in den IWF geflossen sind. Die extrem konservative, korruptionsdurchsetzte New Development Bank vergibt noch immer 75 Prozent ihrer Kredite in US-Dollar, selbst wenn es sich um Entwicklungsprojekte für die Deckung von Grundbedürfnissen handelt, für die keinerlei Importerfordernisse bestehen.

Kritiker*innen aus der unabhängigen Linken hingegen hegen üblicherweise deutlich größere Zweifel an der Multipolarität. Ein Grund hierfür ist ihr impliziter analytischer Bezug auf eine breitere Theorie des «Subimperialismus», die die BRICS-Staaten nicht im Gegensatz zu, sondern innerhalb des Weltkapitalismus verortet. Diese Kritiker*innen verbünden sich stattdessen mit progressiven lokalen Gegner*innen der BRICS-Regime, besonders gegen deren herrschende Klassen und Großunternehmen. Das Ergebnis könnte eine «antipolare» (oder zumindest eine «nicht-polare») Version des Internationalismus sein, die in ausdrücklicher Opposition sowohl zur imperialistischen Unipolarität als auch zur subimperialen Multipolarität steht.

Dennoch wächst die Bedeutung der BRICS-Staaten durch Trumps schlecht informierten Hass auf sie (im Januar zählte er fälschlicherweise auch Spanien dazu), seine oft wiederholte irrationale Angst vor ihrem «Entdollarisierungspotenzial» (ganz egal, wie oft diese Agenda bestritten wurde – selbst vom größten Opfer der US-Sanktionen, Wladimir Putin) und seine selbstzerstörerische Vernichtung weiter Teile der multilateralen Governance und der Soft Power der USA (etwa der jährlich 64 Milliarden Dollar für die Verwaltung von Hilfsprogrammen).

Interessenlage der BRICS-Eliten

Vom Standpunkt der unabhängigen Linken scheint es, als sei der BRICS-Block zu einem schnell wachsenden und zugleich krisenanfälligen Netzwerk subimperialer Mächte verkommen, die im Allgemeinen den Interessen des internationalen Kapitals dienten und sich weitestgehend den neoliberalen multilateralen Institutionen untergeordnet – und diese sogar legitimiert – haben. Dies gilt insbesondere in den Bereichen internationaler Handel, Investment, Finanzen und Klimamanagement.

Mit wenigen Ausnahmen liegt das Ziel der BRICS-Staaten weniger darin, die Mechanismen des internationalen Kapitalismus – Handel, Kredit, Investitionen und Arbeitsmigration – abzuschaffen oder radikal zu verändern, sondern vielmehr darin, die Dominanz der USA und des Westens in diesen Prozessen einzuschränken. Doch gegenüber Trump unterliegen die BRICS-Staaten bisher der Teile-und-herrsche-Strategie. Südafrika ist sogar so unterwürfig, dass nach einem demütigenden Gespräch im Oval Office am 21. Mai dieses Jahres eine Runde Golf mit dem notorischen Betrüger immer noch ganz oben auf der Agenda von Präsident Cyril Ramaphosa steht. Kriecherisch – und erfolglos – bot er Trump für Ende November einen offiziellen Staatsbesuch an, um ihn zum G20-Gipfel in Johannisburg zu locken. Für 2026 plant Trump, das G20-Treffen auf seinem eigenen Golfplatz in Miami auszurichten.

Im Bewusstsein der geopolitischen Notwendigkeit, sich gegen den westlichen Imperialismus zu positionieren, sehen sich viele Aktivist*innen, die in nicht-polaren sozialen Kämpfen engagiert sind, oft in Opposition zu beiden großen Blöcken innerhalb der G20: sowohl gegen die G7 als auch gegen die BRICS. Stattdessen fordern diese Aktivist*innen jene Form von wirtschaftlich, sozial und ökologisch gerechter Politik und Praktiken, die mit emanzipatorischen, postkapitalistischen, antirassistischen, feministischen und ökologisch tragfähigen linken Werten verbunden sind und in den G7 genauso ignoriert und unterdrückt werden wie in den BRICS-Staaten. Kritische Stimmen über die einzelnen herrschenden Klassen innerhalb der BRICS sowie im Block als Ganzem beziehen sich auf ein breites Spektrum an Beschwerden. Diese finden in regelmäßigen Gegengipfeln wie «People’s BRICS» oder «BRICS von unten» Ausdruck, sowie bei den «Break the BRICS»-Protesten von 2018 und 2023 in Johannesburg und dem in diesem Jahr anstehenden Alternativgipfel «We the 99 percent».

Die konzeptuelle Kritik der unabhängigen Linken

Eine allgemeinere Kritik hinsichtlich des BRICS-Kapitalismus besteht, neben der Kritik an Chinas massiver Produktion von Überkapazitäten – also dem, was Karl Marx als den Hauptwiderspruch des Kapitalismus betrachtete, nämlich «Überakkumulation» und zerstörerische Auslagerung –, darin, dass die Rollen von BRICS-Unternehmen in extraktiven und produktiven Kreisläufen des Kapitals oft in höchstem Maße neokolonialistisch und ausbeuterisch sind.

Dies gilt nicht nur für die Aneignung von Mehrwert, sondern auch für die Fälle, in denen sich BRICS-Unternehmen in der Extraktion dessen betätigen, was Marx das «Geschenk der Natur an das Kapital» nannte – insbesondere nicht-erneuerbare Mineralrohstoffe und fossile Brennstoffe in den ärmsten Ländern –, und von der «Überausbeutung» von Arbeit profitieren, indem sie den Arbeiter*innen weniger zahlen, als diese für ihren Lebensunterhalt benötigen. Demzufolge gibt es innerhalb der BRICS drei Gruppen:

  • Länder, deren Unternehmen für billige Arbeitskraft von sehr hohen Armutsraten profitieren – nehmen wir der Einfachheit halber 5,50 US-Dollar pro Person und Tag als Maßstab –, was auf Indien (über 80 Prozent), Indonesien (70 Prozent), Südafrika (66 Prozent), Ägypten (58 Prozent) und Äthiopien (50 Prozent) zutrifft.
  • Staaten, in denen die Kapitalakkumulation weniger stark auf den allerbilligsten Arbeitskräften beruht – wie Brasilien, nachdem Lula an die Macht kam und den Mindestlohn verdoppelte (27 Prozent Armut), Iran (22 Prozent) und China (17 Prozent, wobei noch immer ein Viertel der Erwerbsbevölkerung vom Wanderarbeitssystem Hukou betroffen ist).
  • Jene Länder, die ihre Wirtschaft künstlich durch fossile Brennstoffe und militärische Einsätze angekurbelt haben, nämlich Russland (4 Prozent Armut) und die VAE (wo die extrem billige Arbeitskraft, ebenso wie in Saudi-Arabien, fast ausschließlich von Immigrant*innen stammt).

Basierend auf seinen Beobachtungen der überausbeuterischen Prozesse in Brasilien sowie der Rolle, die einige Staaten als regionale Vertreter des US-Imperialismus einnahmen, führte der marxistische Intellektuelle Ruy Mauro 1965 den Begriff des Subimperialismus ein. Im Exil in Chile und Mexiko arbeitete er gemeinsam mit aktivistischen Wissenschaftler-Genoss*innen André Gunder Frank, Vânia Bambirra, Theotônio dos Santos, Samir Amin und Immanuel Wallerstein an der Entwicklung eines marxistischen Ansatzes für die Dependenz- und Weltsystemtheorie.

Im Jahr 2001 dokumentierte daraufhin David Harvey die Entwicklung des Subimperialismus «in Ost- und Südasien, da jedes neue Zentrum der Kapitalakkumulation systematisch territoriale Einflussbereiche definierte, um räumlich-zeitliche Lösungen für sein eigenes Überschusskapital zu finden». Der Begriff tauchte abermals in den 2010er Jahren bei den Agrarwissenschaftlern Sam Moyo, Paris Yeros und Praveen Jha auf, während Samir Amin den Begriff (posthum in seiner Long Revolution) gegen die Post-Apartheid in Südafrika verwendet. In Brasilien schrieben Ana Garcia und Miguel Borba Beiträge zu einer akademischen, aber hochpolitischen Kritik der subimperialen Ebene des Kapitalismus.

Ökonomisch gesehen weisen die subimperialen Kräfte im Inland im Allgemeinen folgende Merkmale auf: einen hohen Grad an Unternehmenskonzentration und Finanzialisierung, eine Tendenz zu schnellerer Überakkumulation von Kapital (der zentrale innere Widerspruch des Systems), wachsende Abhängigkeit von Warenproduktion und -verarbeitung für den Export («Reprimarisierung»), und, angetrieben von einer neoliberalen Politik, die Überausbeutung von Arbeitskraft sowie großflächige Umweltzerstörung. Oft geht dies einher mit einer verknöcherten Klassenstruktur, einem hohen Maß an sozialer Repression und wachsender Ungleichheit. Manchmal jedoch schafft es auch den Raum für die Art von Nationalismus, die links redet und rechts handelt, welche Südafrikaner*innen so vertraut ist.

Auf globaler und regionaler Ebene sind die subimperialen Volkswirtschaften von zentraler Bedeutung für die gegenwärtigen weltweiten Wertschöpfungsketten. Sie leisten einen großen Teil der Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen, die von den ärmeren Ländern geliefert werden, und übernehmen, wie China seit den 2000er Jahren, den Großteil der Produktion preiswerter Waren. Im Gegensatz dazu profitiert der imperialistische Kern weiterhin von großen Teilen des Überschussgewinns der BRICS-Länder und ärmerer Staaten, nämlich über Lizenzen für geistiges Eigentum und Profite aus den Finanz-, Marketing- und Verteilungskreisläufen des Kapitals. In diesem Prozess verschärfen subimperiale Staaten den sogenannten ungleichen ökologischen Austausch mit ärmeren Ländern, insbesondere in Afrika: den unkompensierten Abbau von nicht erneuerbaren natürlichen Ressourcen und die damit einhergehende Umweltzerstörung.

Subimperiale Staaten neigen auch zu stärkeren Krisen durch Überakkumulation und versuchen daher, Kapitalüberschüsse über ausländische Direktinvestitionen, Kredite und Handel zu exportieren. Das «Dumping» – also nicht-kostendeckende Verkäufe – von Produkten ist ein verbreitetes Mittel, um regionale Konkurrenten zu schwächen. Das führt dazu, dass viele BRICS-Staaten untereinander extrem hohe Zölle erheben; beispielsweise verhängte die Handelsverwaltungskommission Südafrikas (ITAC) dieses Jahr neue Zölle auf Importe von Stahl, Schrauben und Muttern, Reifen und Waschmaschinen aus China. Politisch kooperieren subimperiale Staaten im Allgemeinen mit dem imperialistischen Multilateralismus und bemühen sich darum, immer stärker in die weitgehend unreformierten multilateralen Institutionen in Washington, New York und Genf sowie in die G20 eingebunden zu werden und ihren Einfluss dort zu steigern.

Subimperiale multilaterale «Reform»

Diese Merkmale des gegenwärtigen Subimperialismus haben einen allgemeineren Charakter, der wiederum mehr theoretischen Rückhalt und noch viel mehr empirische Untermauerung erfordert. Doch schon jetzt können sie dazu beitragen zu erklären, warum die BRICS-Staaten prinzipiell innerhalb des imperialistischen Kerns agieren, satt eine multipolare Agenda gegen den Westen zu verfolgen.

Das erste Treffen der G20 auf Ebene der Staats- und Regierungschef*innen fand im Oktober 2008 in Washington statt. Es war eine dringliche Versammlung, da US-Präsident George W. Bush Verbündete unter den Schwellenländern suchte – vor allem China und Saudi-Arabien, die über die meisten Finanzreserven verfügten –, um die größte Bankenrettung der Welt zu stützen. Doch davon profitierte letztlich nur der Westen. Dieses G20-Treffen hatte, ebenso wie das darauffolgende sechs Monate später in London, nur eine einzige, drängende Aufgabe: nämlich die extrem bankenzentrierte Politik – neue «quantitative Lockerung» (Gelddrucken), Niedrigzinskredite, regulatorische Nachsicht sowie die Rekapitalisierung des IWF – in Stellung zu bringen, um westliche Finanzakteur*innen zu retten.

Der südafrikanische Finanzminister, Trevor Manuel, leitete damals ein «Komitee zur Reform der Governance des IWF», dessen Bericht empfahl, dem IWF fast eine Billion US-Dollar an zusätzlichen Mitteln zu geben. So sollte nicht nur die Finanzstabilität des Westens gewährleistet werden, sondern der IWF außerdem zu einem nützlicheren Werkzeug für die BRICS-Kreditgeber*innen gemacht werden, welche zunehmend mit den ärmsten Ländern in Kontakt kamen. In Afrika betraf das südafrikanische Banken auf dem ganzen Kontinent, Russlands korrupte VTB-Bank in Mosambik und chinesische Staatsbanken nahezu überall.

Als Ergebnis beschlossen die G20 im April 2009, Manuels Plan umzusetzen und den IWF uneingeschränkt zu unterstützen. Die immer stärker finanzialisierte Klassenstruktur der BRICS-Länder war jetzt voll und ganz mit den Bretton-Woods-Institutionen und den New Yorker Kredit-Ratingagenturen verflochten. Im Zuge des Fundraisings von 2010 bis 2015 wurden die meisten BRICS-Staaten zu größeren Investoren im IWF: Chinas Anteil an Eigentums- und Stimmrechten stieg um 37 Prozent, der von Indien um 23 Prozent, Brasiliens um elf Prozent und Russlands um acht Prozent.

Dieser Anstieg bei BRICS-Ländern ging zulasten ärmerer Staaten, die wiederum Stimmanteile einbüßten. Nigeria und Venezuela verloren beispielsweise jeweils 41 Prozent ihrer Stimmanteile. Dieses Beispiel zeigt, wie sich die Staatschefs der BRICS-Staaten im Rahmen der G20 und der IWF-Rekapitalisierung entschieden, sich den Bretton-Woods-Institutionen und den Finanzkreisläufen des Westens anzuschließen, statt sie zu bekämpfen. Das kommt eher einer multilateralen Verformung gleich als einer Reform.

Geopolitisch besteht die größte Sorge dementsprechend darin, dass die herrschenden Klassen der subimperialen Kräfte «aktiv mit der imperialistischen Expansion zusammenarbeiten, und in dieser Expansion die Rolle von Schlüsselstaaten einnehmen», wie Marini 1965 erläuterte. Wäre er nicht bereits 1997 verstorben, hätte er wissend genickt, als 2024 sämtliche BRICS-Staaten außer dem Iran ihren Handel mit der wohl brutalsten subimperialen Macht, Israel, ausbauten, besonders im Energie- und Militärsektor – während eines Genozids, der Ende 2023 ironischerweise von der südafrikanischen Regierung vor dem Internationalen Gerichtshof als solcher bezeichnet wurde. Dennoch

  • ermöglichen chinesische und indische Unternehmen durch den Betrieb von (privatisierten) Containerterminals in Haifa Militärimporte nach Israel, darunter Tausende chinesische Drohnen, die Einwohner*innen von Gaza jagen;
  • liefern Südafrika, Russland und China den Hauptanteil der Kohle, mit der das israelische Stromnetz betrieben wird (seit Kolumbien Sanktionen verhängt hat), und die Ölversorgung kommt aus Brasilien (9 Prozent) sowie von neuen BRICS-Partnern wie Kasachstan (22 Prozent) und Nigeria (9 Prozent);
  • unterhalten brasilianische, indische und südafrikanische Unternehmen weiterhin Beziehungen zu Tel Avivs größtem Rüstungskonzern Elbit, während die VAE, Saudi-Arabien und Ägypten Israels Militäreinsätze gegen Iran und die Palästinenser*innen unterstützen;
  • dienen Tausende Bürger*innen aus Russland, Äthiopien, Indien und Südafrika in der israelischen Armee, ohne von einer Söldnerregulierung der BRICS-Staaten daran gehindert zu werden.

Assimilation und Kooperation

Aus diesen Perspektiven spiegelt sich die Einheit der BRICS-Staaten zu oft lediglich in den Gipfel-Erklärungen und konkreten multilateralen Aktionen, an denen sich zeigt, dass sich die (meisten) Mitglieder und Partner in Wahrheit nicht gegen den Unilateralismus des westlichen Kapitalismus stellen, sondern ihn sogar verstärken. Seit 2022 haben vier BRICS-Staaten – Indonesien, Indien, Brasilien und jetzt auch Südafrika – mit Begeisterung den übergeordneten Club der mächtigen Länder ausgerichtet, die den Imperialismus verwalten: den G20-Gipfel. Statt den imperialistischen Status quo anzugreifen, beugen sich die BRICS-Staaten in der Regel den G20 und heben dabei ihre Verantwortung als «Schlüsselstaaten» hervor.

Bezeichnend für diese Art der Kooperation war die BRICS-Erklärung von Kasan im Oktober 2024: «Wir bestätigen unser Engagement für die Aufrechterhaltung eines starken und wirksamen globalen Finanzsicherungsnetzes, in dessen Zentrum ein quotenbasierter und angemessen ausgestatteter IWF steht … Wir bestätigen unsere Unterstützung des regelbasierten, offenen, transparenten, fairen, vorhersagbaren, inklusiven, gerechten, nicht-diskriminierenden, konsensbasierten multilateralen Handelssystems, dessen Kern die Welthandelsorganisation bildet.»

Die Rio-Erklärung der BRICS-Staats- und Regierungschefs vom Juli des Jahres führte dieses Engagement sogar noch weiter, indem ein großzügiges Finanzversprechen hinzugefügt wurde: «Trotz der fehlenden Quotenanpassung haben wir der vorgeschlagenen Quotenerhöhung entsprechend der 16. Allgemeinen Quotenüberprüfung unsere Zustimmung erteilt und bitten jene IWF-Mitglieder, die dies noch nicht getan haben, dringend, ebenfalls ihre Zustimmung zu geben und die Quotenerhöhung entsprechend der 16. Allgemeinen Quotenüberprüfung ohne weitere Verzögerung in Kraft treten zu lassen.»

In diesem Dokument wurde insbesondere ersichtlich, welche Rolle die verbündeten subimperialen «Schlüsselstaaten» innerhalb der G20 spielen: «Wir unterstreichen die Schlüsselrolle des G20-Gipfels als höchstes weltweites Forum für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit, das eine Plattform für den Dialog zwischen Industrie- und Schwellenländern bietet, auf einer gleichberechtigten Basis und zum gegenseitigen Nutzen, um gemeinsam nach Lösungen für globale Herausforderungen zu suchen und eine multipolare Welt zu fördern.»

Dass Trump die Ausrichtung des G20-Gipfels für 2026 übernehmen wird – und seine Ankündigung, jede Berücksichtigung von Weltklima, allgemeiner Gesundheit, internationalem Handel, Frieden und der von Lula und Ramaphosa übernommenen Anti-Ungleichheits-Rhetorik rückgängig zu machen –, hätte ein Grund sein müssen, ihn vom Treffen im Jahr 2025 auszuschließen (wie es die G8 2014 mit Putin taten, nachdem Russland auf der Krim einmarschiert war).

Doch ungeachtet der multipolaren Rhetorik, die «Solidarität, Gleichheit und Nachhaltigkeit» betont – Ramaphosas Schlagworte für die G20 –, wird die Assimilation der BRICS-Staaten in die westlich dominierte Wirtschaftspolitik und globale Misswirtschaft weiterhin sämtliche Merkmale einer subimperialen Anpassung zeigen, statt eine antiimperialistische Kampfansage zu verkörpern. Das schadet allen außer den Eliten der G7- und BRICS-Länder, weshalb antipolarer politischer Widerstand umso dringender notwendig ist.
 

Übersetzung von Cornelia Röser und Claire Schmartz für Gegensatz Translation Collective.