
Veronika Schuchter, die bereits mit Veröffentlichungen und Editionen zu Ernst Toller in Erscheinung getreten ist, legt nun eine neue, umfassende, mitreißend geschriebene Biografie über den 1893 geborenen Revolutionär, Schriftsteller und politischen Aktivisten vor. Sie zeichnet all diese Aspekte seines Lebens fein, getragen von zurückhaltender, kritischer Sympathie, nach. Vor allem der politische Denker und Kommentator Toller kommt stark zur Geltung, insbesondere wenn es um seinen Kampf gegen den Faschismus und Nationalsozialismus geht. Dort, wo es keine Quellen und Belege gibt (sei es bspw. zu seinen Beziehungen oder seinen gesundheitlichen Zuständen und politischen Aktivitäten), benennt sie die Lücken und verweigert sich konsequent und transparent jeglicher Spekulation; vorhergehende, weniger sorgfältige oder zum Spekulativen neigende Veröffentlichungen zur Person werden diesbezüglich ohne Getöse kritisiert und korrigiert. Das Buch endet, durchaus abrupt, mit Tollers frühem Tod 1939 – das Nachleben und die posthume Rezeption werden nicht eigens behandelt, sind aber zuvor schon eingeflochten.
Die Darstellung erfolgt konventionell entlang der Chronologie: von Kindheit, Jugend und Studium, über seine Zeit als Soldat und Revolutionär, wie er während seiner Gefangenschaft von 1919 bis 1924 «endgültig zum Schriftsteller» (140) wird, 1933 ins Exil, zunächst nach England und ab 1936 in die USA, gezwungen ist und sich dann u.a. im spanischen Bürgerkrieg engagiert, um über politische Kontakte Hilfe zu organisieren. Gar ein Frontbesuch ist dokumentiert (359). Hinzu kommen seine Reisen nach Palästina, England, in die Sowjetunion, nach Skandinavien und in die USA in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre. Es ist das eindringliche, facettenreiche Porträt eines rastlosen Menschen. Er ist als Vortragender und Redner unterwegs, kümmert sich parallel um die «Umsetzung» seiner Dramen, bleibt, wenngleich nach Ende seiner Gefängniszeit in «politische[r] Heimatlosigkeit», politisch aktiv (170). 1930 bereits «prognostiziert er den Weg Hitlers an die Macht mit erstaunlich detaillierter Voraussicht» (236). Seine Zeit im Exil war gekennzeichnet von einem unermüdlichen Engagement für die Belange anderer EmigrantInnen, neben Freunden und Bekannte auch für «andere Verfolgte und Geflüchtete», (304) auch «an der Kampagne für Carl von Ossietzky» war er beteiligt, und, bislang nicht berücksichtigt, für dessen Tochter und Frau (305). Die Antwort darauf, wieso er «dem Antisemitismus nicht mehr Gewicht in seinen Reden einräumte», muss offenbleiben (323). Ein Personenregister, das von seinen vielen, breit gefächerten Verbindungen zeugt, rundet den sorgfältigen, lesenswerten, spannenden, vielfältigen Band ab.
Veronica Schuchter: Ernst Toller: Revolutionär, Schriftsteller, Antifaschist. Eine Biografie, Wallstein Verlag, Göttingen 2025, 413 Seiten, 36 Euro
Eine kürzere Fassung erschien zuerst in ak Nr. 718, 16. September 2025.

