
Gerade jetzt, wo darüber diskutiert wird, das Bürgergeld noch härter zu sanktionieren und sogar einzusparen, ist das Sachbuch von Helena Steinhaus und Claudia Cornelsen unglaublich wertvoll.
In Es braucht nicht viel fragen sie, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. Denn viele Menschen, die Bürgergeld beziehen, wissen nicht wie sie einfache Dinge wie das S-Bahn-Ticket oder gar die Wohnung bezahlen sollen, denn die Grundsicherung reicht schließlich kaum zum Leben. Deshalb fordern die Autorinnen Veränderungen von Politik und Gesellschaft. Das ist besonders wichtig, weil Menschen im Bürgergeld keine Lobby haben.
Das Buch basiert auf der Vereinsarbeit von Sanktionsfrei, in dessen Vorstand Steinhaus und Cornelsen tätig sind. Dieser Verein setzt sich für die Rechte von Leistungsbeziehenden ein und ist zivilgesellschaftlich sowohl organisiert als auch finanziert. Neben Öffentlichkeitsarbeit engagiert sich Sanktionsfrei auch in Einzelfällen. Menschen, die Probleme mit dem Arbeitsamt haben, aber ihre Rechnungen bezahlen müssen, werden aus dem Solidartopf finanziell oder juristisch unterstützt.
Doch zusätzlich zu den Tätigkeiten des Vereins geht es auch um viele Debatten und Mythen rund um Armut, für die hier sensibilisiert wird. Dabei wird die Entstehung von Hartz IV beleuchtet und erklärt, warum es trotz der Umbenennung in Bürgergeld zu keiner wirklichen Verbesserung kam. Und so folgt eine Argumentation darüber, dass Armut System habe und so manche Rechnung bewusst oder unbewusst fehlerhaft ist.
In sehr kurzen Kapiteln wird in einfacher Sprache geschrieben, was einen Zugang für alle Lesenden ermöglicht. Zudem werden die ernsten Themen auf erfrischend unterhaltende und teilweise satirisch-humorvolle Weise vermittelt. Aufgelockert wird das Sachbuch außerdem durch Zitate von Betroffenen aus ganz Deutschland, aktuelle Online-Diskussionen oder die Darstellung einer Talkshow-Runde in Zeitlupe. Am Ende gibt es sogar ein Quiz für die Lesenden, um ihr Wissen über den Sozialstaat zu testen. So locker es geschrieben wurde, manchmal geht es um Zahlen und Kalkulation, und die sind bekanntlich eben trocken.
Schlaue und verständliche Analysen machen Armut sichtbar. Dabei geht es nicht nur um Kritik, sondern auch um Ideen für ein besseres Zusammenleben. Diese sind keineswegs utopisch: Die Kritik an der Erbschaftssteuer, eine deutliche Erhöhung des Regelsatzes oder höhere Grundfreibeträge im Steuersystem sind in der Praxis umsetzbar. Sie erklären auf Basis des Grundgesetzes wie der Sozialstaat sich ändern lässt, damit er das tut was er soll.
Ein Buch für alle, die den Sozialstaat besser verstehen wollen, dem Framing der „Bürgergeld-Mafia“ am Familientisch Paroli bieten oder von einem besseren Leben träumen. Denn Steinhaus und Cornelsen machen klar, es braucht nicht viel für eine gerechte Gesellschaft.
Angaben zum Buch:
Es braucht nicht viel. Wie wir unseren Sozialstaat demokratisch, fair und armutsfest machen.
Helena Steinhaus, Claudia Cornelsen (2023)
256 Seiten, Fischer Verlag