Kommentar | Israel - Palästina / Jordanien - Krieg in Israel/Palästina Waffenruhe in Gaza. Stimmen aus Israel

19. September 2025: Israelische Aktivisten protestieren an der Grenze zum besetzten Gazastreifen gegen Israels Bombardierungen und bekunden ihre Solidarität mit der Global Sumud Flotilla.
19. September 2025: Israelische Aktivisten protestieren an der Grenze zum besetzten Gazastreifen gegen Israels Bombardierungen und bekunden ihre Solidarität mit der Global Sumud Flotilla. Foto: Oren Ziv/Activestills

Zwei Jahre nach dem brutalen Massaker der Hamas und zwei Jahre nach Beginn des genozidalen Krieges im Gazastreifen, wurde am 9. Oktober 2025 endlich eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas unterzeichnet. 

Auch wenn der sogenannte Friedensplan, vermittelt durch den US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump, viele wichtige Fragen völlig offen lässt und es berechtigt ist, mit Skepsis auf die Entwicklungen zu schauen, so ist die vereinbarte Waffenruhe, die mit dem Rückzug der israelischen Armee, der Freilassung der israelischen Geiseln sowie der Freilassung palästinensischer Gefangenen aus israelischen Gefängnissen einhergehen soll, ein wichtiges Momentum. 

Endlich gibt es einen Schimmer der Hoffnung und die Menschen in Palästina und in Israel können aufatmen, auch wenn sie wissen, dass es ein kurzer Moment sein kann. Und selbst dieser Moment der Freude ist durchzogen von Schmerz, Leid und Angst. Um in dieser Situation Menschen von vor Ort zu hören, veröffentlichen wir Stimmen aus Palästina und Israel, die Teil unserer dortigen Netzwerke sind. Wir bedanken uns herzlich bei den Autor*innen, dass sie ihre Gedanken mit uns teilen.

Uri Weltmann, National Field Organizer bei Standing Together

«Große Freude darüber, dass dieses schreckliche Kapitel endlich zu Ende ist. Die Bombardierungen, das Töten und das Aushungern in Gaza werden aufhören und die Geiseln werden zu ihren Familien zurückkehren.

Großer Wut richtet sich jedoch gegen Netanjahu, denn dies geschah nicht dank ihm, sondern gegen seinen Willen. Schon längst hätte man die Geiseln durch ein Abkommen freibekommen und den Krieg beenden können.

Wir haben den Krieg gestoppt und müssen nun dafür sorgen, dass es keinen weiteren gibt. Das kann nur durch ein israelisch-palästinensisches Friedensabkommen gelingen, das die Besatzung beendet und zur Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates neben dem Staat Israel führt.

Es gibt keinen anderen Weg, um einen weiteren 7. Oktober und einen weiteren Vernichtungskrieg zu verhindern. Nur eine gerechte politische Regelung, die die nationalen Rechte beider Völker gleichermaßen achtet, kann beiden Seiten Sicherheit, Freiheit, Gerechtigkeit und Unabhängigkeit bringen.»

Quelle: @uri.weltmann, Facebook

Donia Abbas, Mitarbeiterin RLS-Büro Tel Aviv

«Ein Kind, nicht älter als sechs Jahre, tanzt vor Freude und ruft ‹Waffenstillstand, Waffenstillstand›. Kindern sollte eine solche Erleichterung niemals zuteilwerden.

Ein Waffenstillstand mag die Kampfflugzeuge zum Schweigen bringen, doch er kann weder die Trauer stillen noch die Kriegsverbrechen wegwaschen, die wir erlebt haben. Er darf nicht mit Frieden verwechselt werden; es muss der Anfang vom Ende der Kriegspolitik, der Besatzung und des Militarismus sein, die zu einer solchen Verwüstung geführt haben.»

Haggai Mattar, Geschäftsführer +972Mag, RLS-Partnerorganisation

«HOFFNUNG. Zum ersten Mal seit langer Zeit. Hoffnung, dass es wirklich vorbei ist. Dass der Völkermord endet. Dass die Geiseln nach Hause kommen. Dass Gaza all die Lebensmittel, die medizinische Hilfe und den Wiederaufbau bekommt, die es nach Israels verbrecherischem Feldzug braucht. Der Regen spiegelt die Tränen in meinen Augen. 

Aber die Hoffnung ist auch zerbrechlich. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die erste Phase unter Dach und Fach ist, aber Netanjahu wird uns zurück in den Krieg und zu Massakern ziehen wollen. Wir können nur hoffen, dass Trump ihn daran hindert. Selbst wenn das gesamte Abkommen zustande kommen, wenn der Krieg und der Völkermord wirklich vorbei sein sollte, müssen wir alle Augen auf Palästina richten. Das Apartheidregime, das die Grundlage für den 7. Oktober bildete (ohne die Hamas von der Verantwortung für ihre Verbrechen freizusprechen), besteht noch immer. 

Wir müssen weiter dafür kämpfen, dieses Regime zu zerschlagen, um allen Palästinenser*innen Gerechtigkeit und Befreiung zu bringen. Das ist der einzige Weg, um langfristigen Frieden und Sicherheit für uns alle zu gewährleisten. Dürfen wir hoffen, dass dies nur der erste Schritt auf unserem Weg dorthin ist?»

Quelle: @Ha_Matar, X

Yali Hashash, RLS-Partnerorganisation Isha L’Isha

«Wir von Isha L’Isha (אשה לאשה/«Frau zu Frau») verfolgen mit Hoffnung die Verhandlungen über ein Abkommen zur Beendigung des Krieges in Gaza und zur Freilassung der Geiseln. Wir sehnen uns nach einem Ende des unvorstellbaren Tötens und der Zerstörung – und nach einem Leben, in dem Israelis und Palästinenser*innen zu einer gerechten und nachhaltigen Friedensregelung gelangen können.

Neben der Hoffnung erfüllt uns jedoch auch große Sorge: Das Abkommen wird von autoritären Politikern verhandelt, die in den vergangenen Jahren darauf hinwirken, die Grundlagen der Demokratie einzuschränken oder gar zu zerstören. Sie verantworten unterschiedslose Tötungen von Zivilist*innen – Erwachsenen und Kindern –, haben Infrastrukturen zerstört und den Zugang zu Nahrung und medizinischer Hilfe verhindert. Dieselben Machthaber treiben weiterhin eine Politik der Landenteignung und Gewalt im Westjordanland voran und streben nach einem Regime, das auf Unterdrückung und jüdischer Vorherrschaft zwischen dem Jordan und dem Meer basiert.

Als feministische Organisation streben wir nach Frieden und Sicherheit, die nicht auf Gewalt oder Überlegenheit beruhen, sondern auf dem Gemeinwohl, der Wiederherstellung des Lebens und der Erneuerung von Gemeinschaften, Infrastrukturen und sozialen Diensten.

Wir wenden uns von der Kultur des Todes und der Rache ab und wählen ein Leben in Freiheit, Solidarität und menschlicher Gleichheit – für alle Bewohner*innen dieses Landes.»

Reem Hazzan, Internationale Sekretärin von Hadash/Kommunistische Partei Israels

«Dieses Abkommen hätte schon vor 22 Monaten, oder sogar vor zwei Jahren geschlossen werden können. Tausende von Menschenleben hätten gerettet und unermessliches Leid hätten vermieden werden können. Es ist ein kompliziertes Gefühl vorsichtiger Freude. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass im besetzten Westjordanland und Ostjerusalem täglich Gräueltaten verübt werden, dass weiterhin mit kolonialistischer Annexion gedroht wird, und dass in Israel eine extrem rechte Regierung an der Macht ist, die gestürzt werden muss. 

Wir haben noch einen langen Kampf vor uns für die Freiheit und Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes, für einen Regimewechsel und einen Wandel der öffentlichen Meinung in Israel. Nur dann scheint der Weg zu Frieden und Stabilität möglich. Die internationale Solidarität und der internationale Druck waren und sind nach wie vor entscheidend, um sicherzustellen, dass dieser Krieg wirklich vorbei ist.»