Kommentar | Parteien / Wahlanalysen - Westeuropa Irland hat eine linke Präsidentin

Der Erfolg der unabhängigen sozialistischen Kandidatin Catherine Connolly in Irland zeigt, dass Linke auch in einer von rechts aufgeheizten Stimmung gewinnen können.

Information

Autorin

Johanna Bussemer,

Catherine Connolly im Dublin Castle am Tag der Bekanntgabe der Ergebnisse der irischen Präsidentschaftswahlen in Irland, am 25. Oktober 2025.
Catherine Connolly im Dublin Castle am Tag der Bekanntgabe der Ergebnisse der irischen Präsidentschaftswahlen in Irland, am 25. Oktober 2025. Foto: picture alliance / REUTERS | Clodagh Kilcoyne

Am Ende war nur noch die Eindeutigkeit der Wahl von Catherine Connolly zur neuen Präsidentin Irlands überraschend. Denn die 63 Prozent Zustimmung für die 68-jährige unabhängige Kandidatin, die sich selbst als Sozialistin und Pazifistin bezeichnet, waren dann doch ein überragend gutes Ergebnis. Connolly verteidigt das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe und Schwangerschaftsabbruch. Dass Irland nun von einer linksgerichteten Präsidentin regiert wird, ist eine kleine Sensation in dem sonst so düster nach rechts rückenden Europa. 

Johanna Bussemer leitet das Europa-Referat der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Connollys Erfolg hat vor allem zwei Gründe: Zum einen bedient sie einige Attribute, die in Irland eine wichtige Rolle spielen. Sie spricht Irisch, stammt aus einer kinderreichen, katholischen Arbeiter*innenfamilie aus Galway mit 13 Geschwistern und ist seit Langem sozial engagiert. Damit passt sie in ein Bild, das auch zu den Wahlerfolgen von Sinn Féin in der jüngeren Vergangenheit beigetragen hat. Bei den Parlamentswahlen Ende 2024 wurde Sinn Féin zweitstärkste Kraft. Dieses Bild kann man als einen linken, lokal verankerten Soft-Nationalismus oder, schöner ausgedrückt, als linksgerichteten Soft-Patriotismus beschreiben. Dieser unterscheidet sich jedoch fundamental von dem, was beispielsweise Sahra Wagenknecht in Deutschland – glücklicherweise erfolglos – zu etablieren versucht hat, da er sich weder xenophober Tendenzen bedient, noch an dem nicht mehr existierenden Bild eines weißen, männlichen, mittelständischen Arbeiters orientiert, dessen Rechte es zu verteidigen gilt. 

Stattdessen ist die irische Linke tatsächlich sozial, feministisch und an den Interessen der Schwächsten der Gesellschaft ausgerichtet. Das wichtigste Ziel bleibt die Einheit Irlands. Entsprechend leiten sich alle anderen politischen Positionen von einer Abgrenzung gegenüber Großbritannien ab. Bei Catherine Connolly zeigt sich dies auch an ihrer pro-palästinensischen Ausrichtung und ihrer Kritik an Waffenexporten, insbesondere nach Israel. Eventuell kann auch ihre EU-kritische Haltung zumindest teilweise als eine Antithese zur aktuellen Labour-Regierung in Großbritannien gelesen werden, die wieder eine stärkere Anbindung an die EU anstrebt. Ihre richtige Kritik am aktuellen deutschen Aufrüstungskurs steht sinnbildlich für die Möglichkeiten des westlichen kleinen EU-Landes, sich gegenüber der Dominanz Deutschlands und Frankreichs zu behaupten. 

Connollys Erfolg ist aber auch das Resultat einer tiefgreifenden Veränderung in der politischen Repräsentation in Irland. Die beiden nur schwer voneinander zu unterscheidenden Parteien Fine Gael and Fianna Fáil konnten schon länger nicht wie Jahrzehnte lang zuvor die Macht zwischen sich aufteilen. Sinn Féin hat in den letzten Jahren zwar schwankende, aber zwischendurch auch immer wieder beachtliche Erfolge erzielt und gezeigt, dass sich die Partei von ihrem Image als reines Überbleibsel der IRA lösen konnte. Connolly wurde aber auch von der irischen Labour-Partei und der im Kontext der Austeritätskrise entstandenen Partei People before Profit und den Grünen unterstützt. Dass sie es geschafft hat, diese Pole hinter sich zu vereinen, deutet auf politisches Geschick und ein hohes Maß an Integrität hin. Die Abwesenheit zahlreicher anderer Kandidat*innen – die einzige Konkurrentin Heather Humphreys von der Partei Fine Gael schied schon wegen ihrer mangelnden Irisch-Kenntnisse so gut wie aus – war ein weiterer Glücksfall, gerade in der aktuellen politischen Situation in Irland, in der anti-migrantische Ressentiments, insbesondere in Bezug auf das Problem des Wohnraummangels, geschürt werden.

Bereits mehrmals in den vergangenen Jahren schien die Endlichkeit der Teilung Irlands möglich. Sinn Fein hatte bereits 2022 die Mehrheit in Nordirland errungen. Wäre sie später auch stärkste und nicht nur zweitstärkste Kraft im südlichen Teil geworden, hätte sie den Druck auf die EU und London sicherlich versucht zu erhöhen. Wie seine Vorgänger*innen der Tory-Regierungen tut es sich Keir Starmer mit der Auflösung zahlreicher Probleme in Bezug auf Nordirland schwer. So ist aus den großen Ankündigungen von Zollkontrollen ebenso wenig geworden wie aus dem für die überwiegend arme Bevölkerung Nordirlands notwendigen wirtschaftlichen Aufschwung. Die ethnischen Spannungen in Nordirland sind zwar meist unter Kontrolle, jedoch bei weitem nicht endgültig aufgelöst.

Die Präsidentschaft dauert sieben Jahre und hat in Irland eher repräsentative Funktionen, vergleichbar mit dem deutschen Bundespräsidenten. 

Präsidentin Connolly, die sagt, dass sie nun erst einmal vor allem zuhören möchte, muss jetzt noch zeigen, ob sie auch außerhalb Irlands genug Verbündete findet, um der Frage der irischen Einheit und einer kritischen Perspektive auf Außenpolitik mehr Gehör zu verschaffen.