
Bereits im Vorfeld der Stimmabgabe hatte sich abgezeichnet, dass diese Wahl auf großes Interesse in der Wählerschaft stoßen würde. 735.000 Wahlberechtigte gaben schon vor dem gestrigen Wahltag ihre Stimme ab – ein Rekord. Und als am Dienstagabend die Wahllokale schlossen, hatten über zwei Millionen Menschen in Brooklyn, Manhattan, Staten Island, der Bronx und Queens ihre Stimme abgegeben, mehr als bei jeder anderen Bürgermeisterwahl in New York in den letzten Jahrzehnten.
Stefan Liebich leitet das Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in New York.
Zohran Mamdani, der in Uganda geborene 34-jährige muslimische New Yorker Abgeordnete im Parlament des Bundesstaats, gewann mit knapp über 50 Prozent der abgegebenen Stimmen deutlich. Sein härtester Konkurrent, Andrew Cuomo, der ehemalige Gouverneur des Bundestaates New York, kam nur auf knapp 42 Prozent, und der Kandidat der Republikaner, Curtis Sliwa, der nicht einmal mehr von Donald Trump unterstützt wurde (der stattdessen zur Wahl Cuomos aufrief), landete abgeschlagen mit sieben Prozent auf dem dritten Platz.
He is not a moment but a movement!
Die Wahl eines Sozialisten in der größten Stadt der von der MAGA-Bewegung des Präsidenten dominierten USA ist eine gute Nachricht, die die Linken bei der Wahlparty in Astoria – dem Wahlkreis, den Mamdani derzeit in der New York State Assembly vertritt – lautstark feierten. «He is not a moment but a movement» («Er ist kein Augenblick, sondern eine Bewegung»), riefen die Anwesenden und versprachen, dass sie ihn auch im Amt weiter unterstützen würden.
Fokus auf die Lebenshaltungskosten
Mamdanis Sieg hat handfeste Gründe. Seine Fokussierung auf die Senkung der Lebenshaltungskosten durch eine Mietpreisbremse, kostenlose Busse, beitragsfreie Kinderbetreuung, städtische Supermärkte mit bezahlbaren Preisen, einen höheren Mindestlohn und höhere Steuern für Reiche und Unternehmen trafen den Nerv der Mehrheit. Sein Versprechen, die Stadt «Trump-sicher» zu machen, wurde von vielen Migrant*innen und der LSBTIQ*-Community positiv aufgenommen. Und sein Einsatz gegen den Krieg der israelischen Armee im Gaza-Streifen stieß auf breite Unterstützung, auch bei vielen Jüdinnen und Juden. Wichtig für Mamdanis Wahlsieg war zudem die Unterstützung durch die Aktivist*innen der Democratic Socialists of America (DSA), die mit Hilfe von Tausenden Freiwilligen an 1,6 Millionen Türen klopften, um für ihren Kandidaten zu werben.
Die Bedeutung des Wahlausgangs reicht weit über die Stadt am East River hinaus. Zahlreiche Unterstützer*innen hatten sich hinter Mamdani versammelt, allen voran Senator Bernie Sanders, der seine politische Karriere ebenfalls als Bürgermeister begann. Auch die Senatorin Elizabeth Warren und Alexandria Ocasio-Cortez, die bekannteste progressive Kongressabgeordnete des Landes, unterstützten ihn, ebenso viele prominente Künstler*innen, Gewerkschaften und linke Organisationen.
Kampf um den Kurs der Demokraten
Anders sahen es allerdings wichtige Demokraten wie der Minderheitsführer im US-Senat, Chuck Schumer, und der Minderheitsführer der Partei im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries – obwohl beide aus New York kommen. Jeffries zögerte sehr lange, bevor er halbherzig zur Wahl Mamdanis aufrief, und Schumer konnte sich gar bis zum Schluss nicht zu einer Unterstützung durchringen. Auch wenn nur wenige Demokraten Cuomo öffentlich unterstützten, schienen viele insgeheim darauf zu spekulieren, dass der nach seiner Niederlage in den Vorwahlen nun als unabhängiger Kandidat antretende frühere Gouverneur Mamdani doch noch schlagen könne.
Die Kontroverse um Mamdani und die Frage seiner Unterstützung zeigt, wie hart die Demokraten derzeit um den Kurs ringen, mit dem sie bei den in einem Jahr anstehenden Zwischenwahlen zum Kongress antreten wollen. Ein Teil des Establishments zählt darauf, dass die Trump-Regierung so viele unpopuläre Entscheidungen trifft, dass die Demokraten «automatisch» gewinnen werden, und setzt weiterhin auf «gemäßigte» Kandidat*innen.
Der Sieg Mamdanis erhöht jetzt den Druck auf das alte Partei-Establishment beträchtlich.
Der linke Flügel setzt hingegen auf einen klaren Bruch mit der neoliberalen Politik der Vergangenheit. In einer neuen, vom New Yorker Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung unterstützen Studie wird herausgearbeitet, dass sowohl der Begriff «demokratischer Sozialismus» als auch Kandidat*innen, die sich als Sozialist*innen bezeichnen, in der demokratischen Wählerschaft großen Zuspruch finden. Der Sieg Mamdanis erhöht jetzt den Druck auf das alte Partei-Establishment beträchtlich.
Allerdings steht Mamdani nun auch vor gewaltigen Herausforderungen. Präsident Trump kündigte bereits an, Bundesmittel für die Stadt zusammenstreichen zu wollen. Viele New Yorker*innen fürchten überdies, das Weiße Haus werde demnächst Soldaten in die Stadt entsenden. Zugleich reagieren allerdings viele Menschen eher unerschrocken, wie eine junge Frau in Astoria: «Hey, wir sind New Yorker. Der macht uns keine Angst!»
Für die Finanzierung seines Reformprogramms benötigt Mamdani die Unterstützung der Gouverneurin des Bundesstaates, Kathy Hochul. Die Demokratin hatte zwar zu seiner Wahl aufgerufen, seine Forderung nach höheren Steuern für Reiche jedoch abgelehnt. Und wie seine Organisation, die DSA, mit «ihrem» Bürgermeister umgehen wird, wenn er beginnt, im Rathaus in Midtown Manhattan zu regieren, dürfte ebenfalls spannend werden.
Aber gestern Nacht wurde in New York erst einmal gefeiert.
