Nachricht | Geschichte „Unzeitgemäße Erinnerungen“?

Dietmar Keller stellte in Potsdam seine Erinnerungen vor

„In den Mühlen der Ebene“ ist der Titel des Erinnerungsband, den Dietmar Keller vor wenigen Wochen im Berliner Karl Dietz Verlag vorgelegt hat. Er stellte dieses Buch am 14. Februar 2012 als Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg in der Potsdamer Buchhandlung Literaturladen WIST vor.

Keller kann unmittelbar vor seinem 70. Geburtstag am 17. März 2012 auf eine politische Biographie mit zahlreichen interessanten Stationen zurückblicken: SED-Kreissekretär an der Karl-Marx-Universität, Sekretär für Volksbildung, Wissenschaft und Kultur der Leipziger SED-Bezirksleitung, stellvertretender Kulturminister der DDR und schließlich Minister für Kultur in der Modrow-Regierung. Danach war er Stellvertreter von Gregor Gysi im Fraktionsvorsitz der PDS in der letzten Volkskammer, Bundestagsabgeordneter und Obmann der PDS in der Enquetekommission des Deutschen Bundestages zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte. Vor zehn Jahren, im Jahre 2002, ist Dietmar Keller aus der PDS ausgetreten.Keller bezeichnet sein Buch als Erinnerungsband. Sein Verhältnis zur DDR und zur SED nennt er „völlig unsentimental“. „Mit Freude, Bereitschaft und aufklärerischem Willen habe ich in der DDR gelebt und ihr gedient“.

In der Potsdamer Buchvorstellung ging Keller ausführlich auf seine Zeit als Wissenschafts- und Kulturfunktionär in der SED sowie als Kulturpolitiker nach einem einjährigen Studium an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der KPdSU in Moskau ein. Das Studium fiel in die beginnende Gorbatschow-Ära. Über seine dort hergestellten Kontakte zum Rektor der Gewi-Akademie und späteren ZK-Sekretär Wadim Medwedjew hat er ebenso wenig in Berlin berichtet, wie über ein kurzes Gespräch mit Gorbatschow in dieser Zeit. Als Kulturpolitiker in der DDR musste er häufig zwischen den Bedürfnissen prominenter Künstler und den Vertretern der offiziellen Kulturpolitik vermitteln. Westreisen, Studienplätze für die Kindern, Westliteratur und auch fehlende Ballettschuhe für Tänzerinnen und Tänzer mussten „organisiert“ werden. Das Kulturministerium, der Minister uns seine Stellvertreter befanden sich nicht selten in einem Zwiespalt zwischen ihren politischen Zielen und den realen Möglichkeiten in der DDR.

Im Mittelpunkt der Lesung und auch der anschließenden Diskussion stand Kellers Rolle in der Modrow-Regierung, seine Tätigkeit als PDS-Parlamentarier in Volkskammer und Bundestag und seine Mitwirkung in der Enquete-Kommission. Keller würdigte ausdrücklich das von Michael Schumann vorgetragene Referat „Wir brechen unwiderruflich mit dem Stalinismus als System“ auf dem SED-Sonderparteitag im Dezember 1989 und die ein Jahr später in den Räumen der früheren Parteihochschule der SED durchgeführte Geschichtskonferenz über den Stalinismus. In der PDS sei man nach seiner Auffassung später hinter bereits erreichte Positionen zurück geblieben.

Dietmar Keller: In den Mühlen der Ebene. Unzeitgemäße Erinnerungen. Karl Dietz Verlag Berlin 2012, 254 Seiten.