Nachricht | Staat / Demokratie - Soziale Bewegungen / Organisierung - Arbeit / Gewerkschaften - Griechenland No Future – without Solidarity

Auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftungen berichteten junge AktivistInnen aus Südeuropa über Solidarität und Widerstand in Zeiten tiefer Krisen. Von Rabea Hoffmann und Florian Wilde.

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Wie erleben junge Leute in Südeuropa die gegenwärtige Krise? Was bedeutet Massenarbeitslosigkeit für den Alltag junger Menschen? Wie können Solidarität und Widerstand unter diesen Bedingungen aussehen?

Zu diesen Fragen organisierte die Rosa-Luxemburg-Stiftung vom 8. bis 18. Mai 2012 eine Rundreise mit jungen AktivistInnen aus Griechenland, Italien und Spanien. Unter dem Motto «No Future – without Solidarity» fanden Veranstaltungen in Hamburg, Bremen, Frankfurt/M, Marburg, Nürnberg und Stuttgart statt, die von knapp 500 Personen besucht wurden. Kooperationspartner der RLS vor Ort waren dabei Gruppen aus dem Netzwerk der «Interventionistischen Linken» sowie linke Hochschulgruppen, Gewerkschaftsjugenden und Gewerkschaftsgliederungen wie ver.di Stuttgart.
Die Tour fand im Kontext der Mobilisierung zu den Blockupy-Aktionstagen in Frankfurt statt, bei denen die Tour ihren Abschluss fand.

Auf den Veranstaltungen berichtete Daniel Nieto Bravo, Gewerkschafter aus Sevilla und antikapitalistischer Aktivist in der Bewegung der «indignados» (der «Empörten») über die dramatische soziale Situation junger Menschen in Spanien, wo die Jugendarbeitslosigkeit bei 50% liegt und fast 25% der Bevölkerung mittlerweile in Armut leben würden. Eine der Konsequenzen für junge Menschen sei, dass immer mehr von ihnen zu ihren Eltern zurückziehen müssen, weil sie sich eigene Zimmer oder gar Wohnungen nicht leisten können.

Obwohl sich die Situation schon seit längerem verschärfe, habe es bis zum 15. Mai 2011 kaum Proteste gegeben. Dann aber sei es zu einer Explosion der Wut und Empörung gekommen, als hunderttausende auf die Straßen gingen und die zentralen Plätze der Städte besetzten. In dieser Bewegung habe es zunächst eine große Skepsis gegenüber traditionellen linken Organisationen, Parteien und Gewerkschaften gegeben, obwohl sich die meisten Demonstranten selbst als «links» begriffen. Diese Skepsis sei aber im Laufe der Zeit zurückgegangen. Auch wenn die Bewegung der «indignados» die besetzten Plätze schließlich räumen musste, seien viele AktivistInnen weiter aktiv, etwa in ihren Stadtteilen. Daniel plädierte für eine stärkere Verbindung der verschiedenen Kämpfe, Bewegungen, Gewerkschaften und linken Parteien. Als wichtigen Schritt dorthin sah er den erfolgreichen Generalstreik im März diesen Jahres.

Shendi Vali, eine studentische Aktivistin aus dem linken Netzwerk Unicommon aus Rom, berichtete über die Studierendenbewegung in Italien. Diese habe eine wichtige Rolle beim Beginn eines neuen Zyklus sozialer Kämpfe 2008 gespielt, als zehntausende Studierende gegen eine neoliberale Universitätsreform auf die Straße gingen. Sie schilderte, wie sich viele Studierende zunächst als anti-politisch begriffen und sich eher gegen kapitalistische Erscheinungsformen wie die Korruption als gegen das kapitalistische System insgesamt stellten. Allerdings sei die soziale Situation vieler Studierender so prekär, dass soziale Fragen bald eine dominierende Rolle spielten und der Slogan «Wir zahlen nicht für eure Krise» zum beliebtesten Protest-Slogan wurde. Der Prozess der Prekarisierung sei in Italien weit vorgeschritten und würde jetzt auch industrielle Kernbelegschaften erfassen. Deswegen sei die starke Unterstützung, die Studierende und andere soziale Bewegungen durch die linke Metallarbeitergewerkschaft FIOM erfuhren, zwar für viele AktivistInnen zunächst überraschend, letztlich aber auch logisch gewesen. Letztlich sei Berlusconi aber nicht durch die Bewegungen, sondern durch die Troika gestürzt worden. Die neue Technokraten-Regierung des Premiers Monti verfolge das extremste neoliberale Programm der italienischen Geschichte. Massiver Widerstand sei hier notwendig. Allerdings würde die Schwäche der parteipolitischen Linken in Italien sich dabei bisher schwächend auf die Proteste insgesamt auswirken.

Besonders viele Fragen wurden in den Veranstaltungen an Haris Triandafilidou von der Jugendorganisation der linken Partei «SYNASPISMOS» aus Athen (Teil des Bündnis SYRIZA) gestellt. Im Fokus standen dabei die jüngsten Wahlen und die gegenwärtige Entwicklung in Griechenland. Haris betonte dabei immer wieder, dass das Parlament nur eine von vielen Ebenen des Klassenkampfes darstelle und der Erfolg der Linken bei den Wahlen aus ihrer Verankerung in Präsenz in Protesten und Streiks herrühre. Haris schilderte den Charakter der Troika-Programme als Verarmungsstrategie mit verheerenden Auswirkungen, gerade auch auf junge Menschen. Trotz des massenhaften Elends sei es immer wieder zu großen Protesten und zahllosen Generalstreiks gekommen. Die Platzbesetzungen der «indignados» in Spanien hätten auch in Griechenland zu neuen großen Bewegungen geführt. Einen Ausweg für Griechenland sah Haris in einer auf starke soziale Bewegungen und Gewerkschaften gestützte Linksregierung, die versuchen müsse, das Troika-Diktat aufzubrechen, die Reichen in Griechenland massiv zu besteuern und durch eine antikapitalistische Politik die soziale Lage zu verbessern. Für ein solches Programm brauche es die Solidarität der Linken in ganz Europa.

Die Veranstaltungen machten deutlich: Die im Zuge der Eurokrise durchgepeitschte Austeritätspolitik führt in den südeuropäischen Ländern zu massiven sozialen Verwüstungen. Junge Menschen sind vor dem Hintergrund dramatisch hoher Jugendarbeitslosigkeiten besonders betroffen. Eine ganze Generation muss sich als «verlorene Generation» betrachten, viele schwanken zwischen Resignation und Auswanderung. Aber es gibt auch unter diesen schwierigen Bedingungen viel Solidarität und zunehmend auch bewussten Widerstand gegen das kapitalistische System. Dabei ist das Bedürfnis nach einer verstärkten europaweiten Zusammenarbeit linker Protestbewegungen überall groß. Auf die deutsche Linke richtet sich die Hoffnung, der von der Bundesregierung vorangetriebenen Kürzungspolitik in Europa effektiv in die Parade zu fahren.

Die Speakerstour «No Future – without Solidarity» wollte nicht nur über die Verhältnisse in Südeuropa aufklären. In dem sie sich in den Kontext der Mobilisierung zu den Blockupy-Aktionstagen stellte, versuchte sie auch, einen kleinen Beitrag zu ihrer Veränderung zu leisten.

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