Nachricht | B. Stambolis: Töchter ohne Väter, Stuttgart 2012

"Insgesamt hat Barbara Stambolis ein gut lesbares Buch vorgelegt, das die Bandbreite der Auswirkungen des weiblichen Aufwachsens ohne Vater aufzeigt. In methodischer Hinsicht indessen befriedigt "Töchter ohne Väter" nur teilweise."

Lu Seegers, Historisches Seminar, Universität Hannover, rezensiert für H-Soz-u-Kult

Stambolis, Barbara: Töchter ohne Väter: Frauen der Kriegsgeneration und
ihre lebenslange Sehnsucht. Stuttgart: Klett-Cotta 2012. ISBN
978-3-608-94724-3; EUR 24,95.

"Söhne ohne Väter" - so lautete der Titel des 2004 erschienenen Buches
von Jürgen Reulecke, in dem die Folgen kriegsbedingter Vaterlosigkeit am
Beispiel der Erfahrungen und Deutungen westdeutscher männlicher Akademiker diskutiert wurden. Seitdem gehört die Tatsache, dass die Väter von rund einem Viertel aller deutschen Kinder im Zweiten Krieg vermisst oder gestorben waren, neben Bombenkrieg, Flucht und Gewalt zu den zentralen Erfahrungen der so genannten "Generation der Kriegskinder". Demgegenüber fanden entsprechende Erfahrungen und Deutungen weiblicher Halbwaisen zumindest in den Massenmedien längere Zeit nur wenig Beachtung. [1] Diesem Manko will die Zeithistorikerin Barbara Stambolis nun begegnen und dabei ein breites Publikum ansprechen. Als Sprecherin der Studiengruppe "Weltkrieg2Kindheiten" hat  sie sich die Aufgabe gestellt, das Parallelbuch zu "Söhne ohne Väter" zu  schreiben. Barbara Stambolis tut dies nicht als "Kriegskind", wohl aber  mit "Empathie gegenüber den Empfindungen, Verletzungen und lebenslangen Belastungen vaterloser Töchter" (S. 12). Sie möchte den Erfahrungen, Wahrnehmungen und subjektiven Rückblicken vaterloser Töchter "eine Stimme geben" und diese zeitgeschichtlich deuten und einordnen (S. 12).
Die Grundlage dafür bilden rund 120 schriftliche Antworten auf Fragebögen, ferner mündliche Mitteilungen und Gespräche sowie ausführliche Korrespondenzen mit Betroffenen der Jahrgänge 1930 bis 1945. Im Buch sollen sich die Frauen wiederfinden: mit ihren "Stärken", "Zweifeln, Sehnsüchten und Unsicherheiten" (S. 14).
Barbara Stambolis folgt damit einem dezidierten Schreibauftrag, hinter dem die präzise methodische Arbeit bisweilen zurücktritt. So erfährt man erst in der Mitte des Buches etwas mehr über die sozialen Hintergründe der fast ausschließlich westdeutschen Teilnehmerinnen der Studie. Verwunderlich ist auch, dass die Autorin kaum Informationen zu den Geburts- und Lebensorten der Frauen gibt, obgleich sie für eine Differenzierung der Erfahrungen in der "Generation der Kriegskinder" plädiert. Auch wird bei den zahlreich zitierten Fragebogenantworten nicht vermerkt, welchem Jahrgang die jeweilige Frau angehört. Zudem wird häufig nicht deutlich, ob die Autorin aus Fragebögen oder Korrespondenzen zitiert. Darüber hinaus hat Barbara Stambolis Frauen
befragt, die sich aktiv mit ihrer Vaterlosigkeit beschäftigen. Für manche von ihnen, so Stambolis, sei diese gar zum "Lebens- oder vielleicht Daseinsthema" (S. 18) avanciert. Dennoch gelingt es Barbara Stambolis in zwölf Kapiteln des Buches, viele Facetten des kriegsbedingten Verlusts des Vaters und seiner Auswirkungen zu thematisieren.

Die komplette Rezension ist über den nachfolgenden Link zugänglich.