Nachricht | Gröschler: Der Wandel eines Täterbildes. Von der ersten zur zweiten "Wehrmachtsausstellung", Köln 2008

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2001 wurde die Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944“ eröffnet. Nach Kritik an der erstmals 1995 gezeigten Ausstellung „ Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944“ war diese von einem neuen Team überarbeitet worden. Mit der Aufnahme des Themas der Beteiligung des normalen Wehrmachtsangehörigen am organisierten Morden hatte das Hamburger Institut für Sozialforschung (HIS) die Tatsache des Vernichtungskrieges ebenso ins öffentliche Bewusstsein gehoben wie die Frage danach, wer ihn wie geplant und vor Ort umgesetzt hatte. Der Mythos von der sauberen Wehrmacht wurde ordentlich dekonstruiert.

Wiebke Gröschler untersucht in ihrer für den Druck überarbeiten kulturwissenschaftlichen Magisterarbeit die Ausstellungen, wie auch die Unterschiede zwischen ihnen. Sie stellt damit einen wichtigen Beitrag zu dieser geschichtspolitischen Kontroverse, die heute schon wieder fast vergessen ist, zur Verfügung.

Die Einleitung behandelt zum einen kurz Form und Ausmaß der Verbrechen der Wehrmacht, wie auch ihre juristische Aufarbeitung und die erinnerungspolitische Beschäftigung damit bis Anfang der 1990er Jahre und bietet einen sehr kompakten Überblick zu diese beiden Komplexen. Danach wird die öffentliche (Re-)Präsentation der Ausstellungen untersucht, Daten zu Besucherzahlen und Ausstellungsorten (wurde die erste an 33 Orten gezeigt, waren es bei der zweiten nur noch 13) genannt und die mediale Resonanz anhand einer von der Autorin selbst durchgeführten Auswertung von fünf überregionalen Qualitätszeitungen referiert.

Im Hauptteil der Studie geht es dann um die Ausstellungen selbst. Im Ergebnis stellt Gröschler fest, die Ausstellungen würden sich in der formalen Gestaltung stark und in der inhaltlichen Gestaltung „unterscheiden“ (S. 122/123). In der zweiten Ausstellung werde die Bedeutung der konkreten Täter stark zurückgenommen, die zweite Ausstellung sei eher davon geprägt, Planungs- und bürokratische Prozesse zu „dokumentieren“. Die erste Ausstellung, die von Gröschler als dem Mainstream weit kritischer gegenüberstehend interpretiert wird, habe sich noch zum Ziel gesetzt, die Debatte anzustoßen und die Wehrmacht damit auch anzugreifen. Zusammenfassend stellt Gröschler fest, das in den Ausstellungen gezeigte „Täter(innen)bild“ habe sich „in einigen wesentlichen Punkten gewandelt“ und das HIS sei damit in einem gewissen Sinne vor der an der Ausstellung geäußerten Kritik in Wissenschaft und auf der Straße zurückgewichen.

Erweitert wird das Buch durch ein sehr aufschlussreiches Interview mit Hannes Heer, dem Verantwortlichen für die erste Ausstellung. Zitat: „Reemtsma wollte die erste Ausstellung (…) sofort und für immer verschwinden lassen“. Ulrike Jureit, die Verantwortliche für die zweite und seit 2004 eingelagerte Ausstellung wurde im Zuge der Recherchen ebenfalls befragt, jenes Interview ist aber nicht veröffentlicht.

Diese informationsgesättigte Publikation ist ein gutes Beispiel dafür, wie und dass von jungen HistorikerInnen kritische Geschichtswissenschaft betrieben wird: unaufgeregt und qualifiziert.

Wiebke Gröschler: Der Wandel eines Täterbildes. Von der ersten zur zweiten „Wehrmachtsausstellung“. Köln: Papyrossa-Verlag 2008, 167 S., 16 EUR.

Manuskript einer Besprechung, die in Forum Wissenschaft, der Zeitschrift des BdWi, Heft 2/2009 erschienen ist.

Die Zeitschrift für Politikwissenschaft veröffentlichte eine Rezension des Buches. Sie ist sehr positiv ausgefallen und nimmt Bezug zu den Hauptthesen des Buches.


Die Publikation des Bandes wurde von Rosa-Luxemburg-Initiative e.V.,
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Bremen finanziell gefördert.