Nachricht | Sozialökologischer Umbau Gibt es neue Saarkohle?

Regiogeld, eine Möglichkeit zur Ankurbelung regionaler Wirtschaftskreisläufe?

Nicht jedem wird auf den ersten Blick klar, dass die Frage nach Saarkohle zweideutig ist. Vor allem dann nicht, wenn man an eine Regionalwährung denkt. Im Saarland eingeführt bekäme sie sicher den Namen "Saarkohle" und würde an den bis 2012 abgebauten und vor 300 Millionen Jahren im Karbon-Zeitalter entstandenen Rohstoff Steinkohle erinnern.

Christian Gelleri, einer der Initiatoren des „Chiemgauer‘s“, der umsatzstärksten und bekanntesten Regionalwährung in Deutschland, war Gast der Peter-Imandt-Gesellschaft/Rosa-Luxemburg-Stiftung. In der Saarbrücker Galerie n.n. stellte Gellerie die Erfolge aber auch Probleme des Chiemgauers vor. Kennzeichen ist seit der Einführung im Jahr 2002 dessen negative Verzinsung. Das heißt: Wer das Geld längere Zeit aufbewahrt, bezahlt dafür eine Gebühr.

Damit soll sichergestellt werden, dass die Komplementärwährung stetig im Umlauf bleibt. Denn überall dort, wo sich die Umlaufgeschwindigkeiten der Zahlungsmittel erhöhen, würden - nach Auffassung von Gellerie - freie Potenziale zur Wertschöpfung in der Region entstehen. Spekulationsblasen der Finanzwirtschaft gehörten dann der Vergangenheit an. Doch für Gelleri ist der "Chiemgauer" nicht nur Geld, er ist ein demokratisch organisierter Verein, der sich als Genossenschaft versteht, weil diese Unternehmensform der Währungsidee am nächsten kommt.

Wer also einen Euro gegen einen "Chiemgauer" tauscht, "erleidet" einen Verlust von 5 Prozent, von denen 3 Prozent gemeinnützigen Vereinen und Projekten der Region zufließen und 2 Prozent als Gebühr für den Regiogeld-Verein zur Sicherstellung des Geldflusses, Herstellung, Werbung usw. verbleiben. Inzwischen haben etablierte Bankhäuser Konten mit "Chiemgauer" eingeführt und geben sogar eine Kreditkarte aus. Bei 600 Akzeptanzstellen vereinfacht die Abwicklung über Konten die Initiative deutlich.

Auf den Wertverlust von 5 Prozent angesprochen, antwortet Gellerie: "Es wird übersehen, dass bei den meisten Kreditkarten die Gebühren über 5 Prozent liegen, deren Wertverlust aber niemand beklagt." Durch die Bindung an den Euro besteht theoretisch auch eine Inflationsgefahr für den "Chiemgauer", doch sei das System so aufgebaut, dass sich diese schnell entkoppeln lässt. Auch gäbe es keine Geheimnisse um den mit etwa 7 Mio. Euro Jahresumsatz ausgewiesenen Chiemgauer. Schließlich werden alle Bilanzen veröffentlicht und von Wirtschaftsprüfern kontrolliert.

Erst 2002 hat Luxemburg durch die Einführung des Euros seine eigene Währung aufgegeben. Doch in der Luxemburger Gemeinde Beckerich im Kanton Redingen denkt man für 2013 wieder an eine eigene Währung. Diesmal nicht im ganzen Großherzogtum, sondern als ersten Schritt nur in der 2300 Einwohner starken Gemeinde. Bürgermeister Camille Gira sieht den Nutzen des "Beki" in erster Linie als "Training für regionales Bewusstsein". Dessen Einführung fällt in eine Zeit, in der es der Gemeinde gelungen war, ein eigenes Gymnasium im ländlichen Raum neu zu errichten, energieautark zu werden und so der Landflucht entgegen zu wirken. Der "Beki", so hofft der kommunale "Währungsbeauftragte" Max Hilber, soll die verbliebenen Landwirte ermuntern, Regionalprodukte zu entwickeln und ihren beruflichen Niedergang zu stoppen. Hierfür hat Hilber schon die Zusagen von vier Luxemburger Geldinstituten.

Mit dem Zitat von Albert Einstein: "Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu belassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich was ändert." schloss die Vorstellung der beiden Regionalwährungsinitiativen.

Ob sich auch im Saarland Menschen für eine neue Regionalwährung „Saarkohle“ erwärmen, um die regionalen Wirtschaftskreisläufe im Saarland anzukurbeln wird die Zeit zeigen.

Die Peter-Imandt-Gesellschaft/Rosa-Luxemburg-Stiftung wird die Entwicklungen weiter beobachten und schon im Frühjahr 2013 eine Bildungsfahrt ins nahe Beckerich unternehmen und einen leichten Wertverlust in Kauf nehmend hoffen, dann schon mit dem "Beki" zahlen zu können.