Nachricht | International / Transnational - Afrika Südafrika ist kein „Entwicklungsstaat“

Eine von der RLS Südliches Afrika unterstütze Podiumsdiskussion diskutierte Armut und Ungleichheit im Land.

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200 Teilnehmer_innen kamen am 12. März 2013 zur öffentlichen Podiumsdiskussion an die Wiwatersrand Universität in Johannesburg, um mit Experten aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft über Armut und Ungleichheit zu diskutieren.

Im Mittelpunkt der Diskussionsveranstaltung stand die Frage, ob und wie die südafrikanische Politik Armut und Ungleichheit bekämpfen kann.  Einig waren sich die Experten, dass es in Südafrika an einem „Entwicklungstaat“ mangele. Zwar gäbe es mit dem National Development Plan (NDP) nunmehr eine Art Vision für das Land, doch wie Professor Vusi Gumede von der Johannesburg Universität sagte, fehlt es dem Staat an den Möglichkeiten diese Vision in die Tat umzusetzen. Vor allem die staatliche Verwaltung weise große Mängel auf. Ein Großteil der Beschäftigten sei nicht ausreichend qualifiziert, denn häufig, so Gumede, werden die Posten im öffentlichen Dienst nicht nach Qualifikation vergeben. Gumede sprach von Mittelmäßigkeit, die in der Verwaltung  vorherrsche. Die Umsetzung der gefassten Beschlüsse sei deshalb oft mangelhaft.

Gumede wies denn auch die von der südafrikanischen Regierung, der er als Berater für Wirtschaftsfragen lange angehört hatte, gemachte Behauptung Südafrika sei ein Entwicklungsstaat (Developmental State) zurück. In Afrika weisen lediglich Botswana und Mauritius einen Entwicklungsstaat auf, wie er sonst in Asien oder Lateinamerika zu finden ist. „Von Brasilien, dem gern genannten Vorbild Südafrikas, trennt uns viel“, meinte Gumede.

Der Kampf gegen Armut und Ungleichheit droht in Südafrika aber auch deshalb verloren zu gehen, so Lebohang Pheko von der Nichtregierungsorganisation Four Rivers, weil nicht klar sei, welche Art von Entwicklung man in Südafrika anstrebe. Das vorherrschende Entwicklungskonzept der Regierung sei dominiert von Unternehmensinteressen. „Wir folgen immer noch dem Mantra, dass allein ausländische Direktinvestitionen Entwicklung ermöglichen“  so Pheko. Mit Blick auf die positiven lateinamerikanischen Erfahrungen im Kampf gegen die Armut und Ungleichheit, ob in Brasilien oder Venezuela,  sprach sie sich für mehr Sozialprogramme und einer stärkeren Kontrolle der Wirtschaft durch den Staat aus. Vor allem der Bankensektor müsse streng reguliert werden und einheimische Unternehmen müssten geschützt werden, auch vor nationalen Monopolisten.

Duncan Green von Oxfam wies ebenfalls auf die sozialen Fortschritte in Lateinamerika hin. Die Fortschritte seien durch gut gesteuerte Sozialprogramme erreicht worden. Brasilien zeige auch, dass man trotz schwieriger Rahmenbedingungen, wie etwa  Korruption, soziale Verbesserungen erreichen könne. Green gab er aber auch zu bedenken, dass mehr Wachstum und soziale Fortschritte ihren Preis haben, denn in Lateinamerika schreitet die Umweltzerstörung rasant voran, so dass von einer nachhaltigen Entwicklung nicht gesprochen werden könne.

In der abschließenden Diskussion mit dem Publikum kreisten die Fragen um die Zukunft des Kapitalismus und die Rolle der Mittelklasse in Südafrika. Einig war man sich darin, dass der Kapitalismus, wie er sich in Südafrika mit seiner Dominanz des Bergbaus und Energiesektors ausgebildet hat, keine Zukunft habe. Für Gumede ist auch die südafrikanische Mittelklasse ein Problem, ihr fehle es an Willen zur Entwicklung, ohne gesellschaftliche Einbettung kann der „Entwicklungsstaat“ aber nicht erfolgreich sein.