Durch Nacht zum Licht, die große Ausstellung im Technoseum, dem baden-württembergischen Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim wurde mit viel Spannung erwartet. Ein lesenswerter, umfangreicher und preiswerter Katalog ist erschienen, es gibt kostenfrei ein 70-seitiges Heft mit Lehrermaterialien (PDF) und in Mannheim ein umfangreiches Begleitprogramm.
Die Ausstellung selbst hat mich aber gar nicht angesprochen, als ich sie zusammen mit meiner 14-jährigen Tochter, am 28. März 2013 besuchte. Nähert man sich nach einer ungefähr 10-minütigen Straßenbahnfahrt vom Mannheimer Hauptbahnhof dem Technoseum, ist man zuerst einmal von dem imposanten, sechs Stockwerke hohen Gebäude beeindruckt. Die Ausstellung zur Geschichte der Arbeiterbewegung 1863-2013 ist die aktuelle Wechselausstellung, sie dürfte mit ihren 800 Quadratmetern nicht einmal ein Zehntel der Gesamtfläche des Technoseums ausmachen.
Ist das Gebäude des Technoseums zwar unübersichtlich, aber doch lichtdurchflutet gestaltet, so ist bei der Wechselausstellung das Gegenteil der Fall. Betritt man die Ausstellungsräume, tritt man sprichwörtlich in die im Titel aufgegriffene „Nacht“. Ins Dunkle, in einen Raum mit schwarzen Wänden, ohne Tageslicht. Die ganze Ausstellung wirkt absolut dunkel und deswegen nach meinem Dafürhalten wenig ansprechend und sehr düster. Die Inhalte der Ausstellung will ich hier nicht nacherzählen, diese sind hier über eine Rezension des Kataloges nachzulesen, oder hier in einem Artikel von Volker Ullrich in der ZEIT oder werden in einer begeisterten Ausstellungsbesprechung von Rainer Fathmann auf www.gegenblende.de, dem gewerkschaftlichen Online-Magazin gut dargestellt.
Die AusstellungsmacherInnen haben eine Vielzahl von Dokumenten und Devotionalien zusammengetragen, die für sich gesehen alle sehr betrachtenswert sind. Mit den Inhalten und der Periodisierung der Ausstellung habe ich auch keine Probleme. Obwohl ich den Katalog schon kannte, in dem viele, wenn nicht alle Objekte abgebildet sind, war meine Aufnahmekapazität schon sehr bald erschöpft. So viele Dokumente, Bilder und Einzelheiten kann niemand lesen oder aufnehmen. Obwohl meine Tochter gerne liest und sehr interessiert ist, stürzte sie sich gleich auf die wenigen Medienstationen mit Liedern oder Filmen. Sicher nicht, um das Klischee von den generationell verschiedenen Mediennutzungen zu erfüllen, oder etwa doch? Dazu passt ihre Erzählung, dass sie sich doch sehr wundern muss, dass die entwicklungspolitische NGO, bei der sie kürzlich ein zweiwöchiges Praktikum absolvierte, doch tatsächlich über eine eigene, öffentlich nutzbare Bibliothek verfüge. Dass diese in den zwei Wochen von niemand aufgesucht worden sei, wunderte meine Tochter nicht, denn schließlich „braucht heute so etwas niemand mehr“.
Die Ausstellung ist, so meine Vermutung, eher etwas für BesucherInnen mit Vorkenntnissen, und für solche älteren Jahrgänge, die gerne lesen. Für jüngere BesucherInnen bietet sie jenseits der zwei Stationen, wo unter Anleitung von sog. Technoscouts etwas experimentiert werden kann, wenig Andockstationen.
Zwei thematische Engführungen fielen mir erst im Nachhinein auf. Die Ausstellung hat die Arbeiterbewegung, also Parteien, Gewerkschaften und die Arbeiterkultur zum Gegenstand. Diese sind durchweg männlich konnotiert und damit Frauen tendenziell ausschließend. Zwar ist das Bemühen der AusstellungsmacherInnen ab und zu zu spüren, dass sie dies kritisch reflektieren, aber wirklich aufheben tun sie dies nicht. Es ist zweitens keine Ausstellung über Arbeit oder eine zur allgemeinen Geschichte arbeitender Menschen, denn diese hätte dann noch andere Formen von Arbeit, etwa Landwirtschaft oder Haus- und Pflegearbeit mit umfassen müssen. Insofern ist die Ausstellung eine zur kapitalistischen Lohnarbeit und den aus dieser Basis heraus resultierenden Emanzipationsbemühungen. Theoretisch verficht sie eine mit etwas Alltags- und Protestgeschichte modernisierte Variante der klassischen Sozialgeschichtsschreibung, und wirkt vielleicht unter anderem deswegen methodisch etwas so wie aus den 80er Jahren. Das ist alles besser als nichts, und angesichts dessen, dass Arbeiterbewegung in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten eher verschwiegen wurde und wird sehr viel. Nicht zuletzt ist es vermutlich das Maximum dessen, was in einem staatlichen Museum derzeit möglich ist (1).
Die Ausstellung wirft aber Fragen nach der zeitgemäßen Vermittlung von Inhalten, ja nach (der Vorstellung von) Bildung auf. Die Botschaft der Ausstellung für heute könnte lauten, dass sie dafür sensibilisiert, dass die Arbeiterbewegung und auch die Arbeiterorganisationen aus Selbstkonstitutionsprozessen entstanden und die Dialektik von Basisdemokratie und autoritärer Macht immer in sich trugen. Zweitens dafür, die Rolle, die politische Bildung im 21. Jahrhundert bei solchen dringend nötigen Konstitutionsprozessen spielen könnte und sollte kritisch zu untersuchen. Große Fragen, deren Debatte gerade erst begonnen hat.
(1) In einer Guerilla Aktion haben die AusstellungsmacherInnen ein Plakat von Bündnis 90/Die Grünen zur Europawahl 1994 hineingeschmuggelt. Sein Text lautet: "6 Stunden statt Überstunden - Umsteuern durch Arbeitszeitverkürzung - Nur mit uns“ (Nachweis, leider ohne Bild)
Die Ausstellung ist täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet. Die Eintrittspreise sind sehr moderat: Erwachsene 6,00 Euro, Ermäßigte 4,00 Euro.
In Mannheim läuft die Ausstellung noch bis zum 25. August. Nochmals zu sehen ist sie dann vom 25. Oktober 2013 bis zum 1. Mai 2014 im Sächsischen Industriemuseum in Chemnitz.
Interview von Luz Kerkeling mit Torsten Bewernitz, Politikwissenschaftler und Gewerkschaftsaktivist, der Mitarbeiter der Ausstellung ist (mehr). Das Interview erschien gedruckt zuerst in graswurzelrevolution - für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft, Ausgabe 376, Februar 2013.
© des Fotos: Technoseum