Nachricht | Asien Die Entwicklung von Freihandelsabkommen unter dem Einfluss der Wirtschaftskrise: Perspektiven aus der EU und ASEAN

Ein Veranstaltungsbericht von Nadja Charaby, Andreas Bieg und Randi Becker

Am 14. März 2013 fand eine Konferenz zur Entwicklung von Freihandelsabkommen (FTAs), speziell unter dem Einfluss der Wirtschaftskrise, in der Universität für Sozial- und Geisteswissenschaften (USSH HN) in Hanoi statt. Zusammen mit der Universität organisierte die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) das Treffen mit Gastredner_innen aus unterschiedlichsten Ländern und Bereichen. Diese präsentierten kritisch die Auswirkungen, Perspektiven und Chancen von Freihandelsabkommen aus der Perspektive der Europäischen Union (EU) und dem Verband Südostasiatischer Staaten (ASEAN).

Seit sich Vietnam für eine internationale Integrationspolitik öffnete, wurde der Abschluss verschiedenster Freihandelsverträge vorangetrieben, um den internationalen Handel zu fördern. 1996 ist Vietnam der ASEAN-Freihandelszone (AFTA) beigetreten. Seit diesem Zeitpunkt wurden regionale und bilaterale Freihandelsabkommen mit verschiedensten Inhalten ausgehandelt. Vietnam versucht derzeit, existierende Möglichkeiten zur tieferen Integration in der Weltwirtschaft wahrzunehmen. Dies geschieht über ein komplexes Netzwerk der ASEAN Wirtschaftsgemeinschaft, welches 2015 festgesetzt wird und verschiedenste andere Verhandlungen über Vereinbarungen, wie zum Beispiel die transpazifische strategische wirtschaftliche Partnerschaft (TPP), die bilateralen Verträge zwischen Vietnam und der EU, Russland und weiteren Freihandelsabkommen. In diesem Kontext spielen die Trends und Charakteristika von Freihandelsabkommen eine Schlüsselrolle. Vietnam verspricht sich davon,  effektiver am Handelsgeschehen teilzunehmen und einen besseren Beitrag zum sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungsprozess zu leisten. So lautet jedenfalls die der Öffentlichkeit vorgestellte politische Agenda.

Die Ziele des Workshops von USSH HN und RLS waren:

-          Ein Netzwerk zwischen Interessierten, politischen Entscheidungsträger_innen, Aktivist_innen und Expert_innen aus In- und Ausland zu kreieren und den Informationsaustausch zwischen diesen zu fördern;

-          Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Freihandelsabkommen und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft, vor allem in sozialen Aspekten;

-          Ein Bewusstsein über die immense Bedeutung von Freihandelsabkommen mit Blick auf die Wirtschaftskrise zu schaffen;

             Die Arbeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Vietnam und ihrer Partner vorzustellen.

Der Vormittagsblock fand unter der Leitung von Dr. Bui Thanh Nam (USSH HN - Fakultät für internationale Studien) und Nadja Charaby (Leiterin der Rosa-Luxemburg-Stiftung Vietnam) statt. Nach dem Mittagessen übernahmen Bernd Schneider (Mitarbeiter des EP-Abgeordneten Helmut Scholz, DIE LINKE) und Prof. Dr. Pham Quang Minh (USSH HN - Stellvertretender Rektor) die Leitung.

Nach einer kurzen Begrüßung von Prof. Dr. Pham Quang Minh und Nadja Charaby stellte Joseph Purugganan (Focus on the Global South) in seiner Präsentation eine neue Generation von Freihandelsabkommen vor. Inhaltlich bezog er sich kritisch auf deren Hauptthemen, Entwicklungen und Herausforderungen mit Blick auf den globalen Süden und die Freihandelsabkommen zwischen der EU und ASEAN. Zu den Hauptthemen zählt zum einen die Richtung, in der die Handels- und Investitionspolitik abzielt. Zum anderen ist eine erkennbare Intensivierung von wirtschaftlichen Verhandlungen erkennbar, vor allem von bilateralen und regionalen Freihandelsabkommen, welche er als neue Generation bezeichnet. Den zweiten Vortrag gestaltete Dr. Hien Do Benoit (Universität Perpignan Via Domitia, Frankreich). Sie zeigte auf, dass das Ringen um bessere Handelsbeziehungen und somit Freihandelsabkommen zwischen den Ländern zunimmt. Die Anfälligkeit dieser Freihandelsabkommen sieht sie vor allem in dem großen Entwicklungsgefälle zweier Vertragsparteien und in der Heterogenität ihrer Steuersysteme. Danach wurde zu einer Fragerunde übergeleitet.

Prof. Dr. Pham Thi Tanh Binh (Institut für Weltwirtschaft und Politik) erläuterte in ihrem Vortrag die Konzepte und Politik für Freihandelsabkommen und stellte einzelne konkrete Fälle vor. Besonders auf die Auswirkungen der vielen bilateralen Freihandelsabkommen der ASEAN-Mitgliedstaaten ging sie ein. Sie bringen zwar positive Auswirkungen für einzelne Länder, jedoch für andere Länder derselben Wirtschaftsregion Nachteile. Pham Van Min (USSH HN – Fakultät für internationale Studien) beleuchtete Freihandelsabkommen in der asiatischen Region unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit der Energieversorgung. Mithilfe von Freihandelsabkommen über Energieressourcen könnte die Sicherheit der wachsenden Energienachfrage gewährleistet werden. Dies birgt allerdings ein hohes Risiko. Prof. Dr. Nguyen Anh Tuan (Diplomatische Akademie von Vietnam) präsentierte als Letzter des Vormittages die Freihandelsabkommen zwischen der EU und ihren Partnern mit Blick auf die Weltwirtschaftskrise. Dies sei auch ein Grund für ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und ASEAN. Vor der Mittagspause gab es noch eine große Diskussionsrunde, in der offene Fragen besprochen wurden.

Den Nachmittagsblock begann Kingkorn Narintarakul (FTA Watch Thailand) mit Einblicken in die Arbeit der Zivilgesellschaft zu Freihandelsabkommen in Thailand und Südostasien. Sie erläuterte unter anderem mehrere Probleme, die aufgrund von Freihandelsabkommen entstanden sind. Beispielsweise wurde die Problematik der HIV-Bekämpfung genannt. Der Zugang zu bereits existierenden und erprobten Medikamenten ist für Betroffene erschwert, da wegen internationaler Handelsabkommen die Patentrechte verschärft wurden. Bernd Schneider setzte Narintarakul’s kritischen Ansatz in seinem Vortrag fort und gab einen Einblick in die Außenpolitik der Europäischen Union. Die Mehrheit der Europäischen Union möchte durch das Eindringen in externen Märkten ihre eigenen wirtschaftlichen Probleme lösen, ohne dabei die Auswirkungen für das betroffene Land zu beachten. Anschließend fand eine Diskussionsrunde statt.

Der zweite Teil des Nachmittags begann mit einem Vortrag von Dr. Vo Xuan Vinh (Institut für südostasiatische Studien an der Akademie für Sozialwissenschaften, Vietnam), welcher die Freihandelsabkommen von ASEAN erklärte in Bezug auf ihre Gestaltung, Merkmale und Entwicklung. Danach folgte eine Ausführung von Dr. Bui Thanh Nam (USSH HN - Fakultät für internationale Studien) über die Freihandelsabkommen der  Mitgliedstaaten von ASEAN. Er ging näher auf die Realität und die Chancen dieser ein. Als letztes erläuterte Pham Khac Tuyen (Ministerium für Industrie und Handel) die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Korea und Vietnam und deren Verhandlungen der Freihandelsabkommen. Mit einer weiteren Diskussionsrunde wurde die Konferenz erfolgreich abgeschlossen. Am Ende des Tages konnten die Teilnehmenden auf eine gelungene Veranstaltung zurückblicken. Aus vielen unterschiedlichen Perspektiven wurden die Auswirkungen der Freihandelsabkommen in Zeiten einer Wirtschaftskrise beleuchtet. Interessante Vorträge von Expert_innen aus unterschiedlichen Bereichen und intensive, lebhafte Diskussionsrunden machten dies möglich. Zudem hätte der Workshop nicht aktueller sein können, denn am vorherigen Wochenende fand der Wirtschaftsgipfel zwischen ASEAN und der EU in Hanoi statt.