Nachricht | International / Transnational - Afrika Über den Versuch, die Grenzen der Emanzipation zu bestimmen

Henning Melber war zu Gast im Rahmen des überregionalen Arbeitskreis Afrika am 25. April in Potsdam

„Wenn Befreiungsbewegungen die Macht übernehmen, zeichnen sich ihre Regierungen häufig durch eine militärische Mentalität aus. Sie kategorisieren Menschen als Sieger und Verlierer, und sie operieren nach dem Muster von Befehl und Gehorsam.“ Diese Feststellung von Henning Melber war der Ausgangspunkt einer mitunter hitzigen Debatte über aktuelle Politikmuster vor allem in jenen afrikanischen Ländern, die durch den bewaffneten Kampf zur staatlichen Unabhängigkeit gelangt sind.

In seiner Einführung verwies Melber zudem darauf, dass dies – die mentale und verhaltensseitige Prägung durch die physische Auseinandersetzung mit einem eigentlich politischen Gegner – nicht allein ein afrikanisches Problem sei. Allerdings entspringe einer solchen historischen Konstellation gerade in Afrika ein Politikverständnis, dass vor allem durch die Führer getragen wird, die selbst um die Unabhängigkeit auf Leben und Tod gekämpft haben und dadurch für den Rest ihres Lebens geprägt wurden. Die davon geprägte Politik biete wenig Spielraum für die Entfaltung demokratischer und partizipativer Strukturen.

Im weiteren zeichnete Melber das Bild der deformierten politischen Elite, die eben jenes Modell der Machtpolitik mit entsprechenden  Symbolen und Mechanismen von den Unterdrückern übernahmen, sich zu eigen machten in dem sie es lediglich spiegelten. Damit gehen sie den Weg vom Opfer zum Täter. Heute sind die politischen Eliten im globalen politischen System angekommen und letztlich auch Teil neokolonialer Strukturen, von denen sie persönlich profitieren. Politische Handlungsspielräume, die sich trotz des massiven internationalen Drucks ergeben, werden meist nicht genutzt. So wurde z. B. der Spitzensteuersatz im unabhängigen Namibia von 44 auf inzwischen 33 Prozent herabgesetzt, was überwiegend den neuen Beziehern höchster Einkommen in der SWAPO-Elite nutz, mit Armutsbekämpfung aber nichts zu tun hat.

Bei aller schonungslosen Kritik zeigte Henning Melber, der 1974 der namibischen Befreiungsbewegung SWAPO beitrat, dass er keineswegs resigniert hat und weiter um Korrekturen in der SWAPO-Politik in Kontroversen mit seinen Kampfgefährten von einst ringt. Dies machte seinen Vortrag sehr lebendig und authentisch.

In der Debatte wurden dann auch Fragen aufgeworfen, die, wie die nach den Rollen von Jugend und Frauen oder des Einflusses von ethnischen Zuschreibungen, über den eigentlichen Ansatz von Melber hinauswiesen und den Referenten offenbar auch etwas überraschten. So erklärt sich möglicherweise seine doch überdeutliche grundsätzliche Skepsis. Melber zeichnete ein mehrheitlich pessimistisches Bild und sah wenig Potential für Veränderungen in und aus der Gesellschaft heraus. Ein Generationswechsel in der politischen Elite habe bislang nicht stattgefunden. Die Frustration der Bevölkerung über die unerfüllten sozialen Verheißungen endeten häufig in gewaltsamen Auseinandersetzungen. Viele Menschen suchen Zuflucht in religiösen Zusammenschlüssen. Der Einfluss der Kirche in Afrika nimmt daher, so Melber, stetig zu.

Insgesamt entstand der Eindruck, dass Melbers Blick sich vor allem auf die ‚verpassten Chancen‘ richtet. Es wurden wenige Möglichkeiten aufgezeigt, die für die noch jungen Staaten beim Aufbau ihrer Gesellschaft hilfreich sein könnten. So wurde das Publikum am Ende etwas ratlos zurückgelassen.

*             *             *

Der Arbeitskreis Afrika bei der Partei DIE LINKE und das Afrika-Referat der Rosa-Luxemburg-Stiftung veranstalteten am 25. April 2013 gemeinsam eine öffentliche Diskussionsveranstaltung in den Räumen der RLS in Potsdam. Anlass war der 40. Todestag von Amilcar Cabral. Eingeladen dazu war Henning Melber, der einführend zum Thema „Die Grenzen der Emanzipation; Bewaffneter Unabhängigkeitskampf und Befreiungsbewegungen an der Macht“ sprach.

von Katrin Voß