Die Bundeskunsthalle widmete im Frühjahr 2014 Kasimir Malewitsch eine große Ausstellung. Der russische Künstler und Theoretiker (1878–1935) gilt vor allem als Begründer des Suprematismus – der reinen, gegenstandslosen Kunst.
Das Buch gliedert sich anhand des Lebens von Malewitsch chronologisch in zehn Kapitel, die jeweils mit einer kurzen Einleitung versehen sind und dann Bildbeispiele enthalten (Eindrücke von der Gestaltung des Buches gibt es hier online).
Suprematismus meint die Überlegenheit der reinen Empfindung, in der Regel umgesetzt in geometrischen Abstraktionen, die weder der Vernunft noch der Rechtfertigung bedürfen. Das war damals sehr avantgardistisch und klingt und wirkt auch heute noch so. Malewitsch wiederum eifert anfänglich dem Kubismus und Futurismus nach, wendet sich dann aber auch der russischen Volkskunst („Ikonenmalerei“) als Ausdruck der Abwendung vom „Westen“ zu. Bereits 1915, als das Bild entsteht, das auf dem Cover des Buches abgebildet ist („Supremus Nr. 50“) malt er nach seinen, suprematistischen Prinzipien. Sein berühmtestes Werk, das „Schwarze Quadrat“ wird ebenfalls 1915 abgeschlossen. Malewitsch selbst nennt seine Kunst nicht „abstrakt“, sondern spricht von „gegenstandsloser Kunst“.
1919 geht er an die vom künstlerischen Autodidakten Marc Chagall gegründete Kunstschule in Witebsk, an der auch El Lissitzky (1890-1941) arbeitet. An dieser Ausbildungseinrichtung, an der er bis 1922 ist, arbeitet Malewitsch vor allem als Lehrer: Er schreibt unzählige Aufsätze und fünf Bücher, malt kaum. Danach arbeitet er in Petrograd, wo z.B. auch Wladimir Tatlin ist, und entwirft Plakate und Geschirr. Seine postsuprematistische Phase, in der er wieder zur – auch figurativen - Malerei zurückkehrt, beginnt 1927 und endet mit seinem Tod 1935. Läuft sein Schaffen in den frühen 1920er Jahren zuerst synchron zum vielfältigen kulturellen Aufbruch der post-revolutionären Phase, wird avantgardistische Kunst immer randständiger und schließlich verfolgt. Wer die Ikonographie des grobschlächtigen, stumpfen, sozialistischen Realismus neben die Kunst der Avantgarde stellt, wird die Entfernung spüren, die zwischen ihnen liegt.
Die Ausstellung und das Buch basieren auf den Werken, die in den Sammlungen Chardschijew und Costakis überliefert sind. Beide sammelten in Russland abstrakte und avantgardistische Kunst, als dies dort unerwünscht, wenn nicht verboten war. Chardschijew (1903-1996) sammelt seit Anfang der 1920er Jahre alles von und über Malewitsch (und Majakowski) und publizierte auch über ihn. Seine Sammlung kommt 1993 nach Amsterdam und wird fünf Jahre später als Dauerleihgabe dort an das Stedelijk Museum übergeben, das dadurch dann weltweit über die umfangreichste Sammlung zu Malewitsch außerhalb Russlands verfügt. Costakis (1913-1990) geht 1977 nach Griechenland, und nimmt über 1200 Kunstwerke mit, der große Rest bleibt in Russland. Seine Sammlung wird heute im Museum für zeitgenössische Kunst in Thessaloniki aufbewahrt.
Der Katalog präsentiert mit über 300 Werken aus den Bereichen Skulptur, Malerei und Grafik und die zentralen Schaffensphasen Malewitschs in üppiger Gestaltung und Ausstattung. Seinen Abschluss bilden private Fotos aus dem Leben des Künstlers. Malewitsch, der selbst nur einmal in seinem Leben Russland verlässt, um 1927 Berlin und Warschau zu besuchen, gehört zu den wichtigen Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Er hatte prägende Wirkung auf die abstrakte Kunst, auf z.B. El Lissitzky oder das Bauhaus.
Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (Hg.): Kasimir Malewitsch und die russische Avantgarde, Kerber Verlag, Bielefeld 2014, 24 × 28 cm, 232 Seiten, 283 farbige und 18 s/w Abbildungen, Hardcover, geb., ISBN 978-3-86678-945-6, 39,80 EUR