Nachricht | GK Geschichte Massenstreik, (Links-)Partei und Gewerkschaften

Zur Kontinuität der Massenstreikdebatte - von Torsten Bewernitz

Manchmal kommen sie wieder: Zur Kontinuität der Massenstreikdebatte

Vielleicht erst mal die erfreulichen Nachrichten: Das Streikaufkommen in Deutschland hat sich im Jahr 2012 deutlich erhöht: es haben sechs Mal so viele Menschen an Streiks teilgenommen wie 2011 und die Zahl der ausgefallenen Arbeitstage hat sich verdoppelt. Das ist durchaus mehr als nur ein Zufall, weil entsprechende Tarifrunden anstanden: Entsprechend hohe Streikzahlen konnten die Gewerkschaften hierzulande seit 2008 nicht mehr vorweisen, vorweggegangen war eine kleine „Streikwelle“ seit 2006, aus der vor allem der einjährige Konflikt beim Düsseldorfer Flughafen-Caterer „Gate Gourmet“ in Erinnerung ist.

Dass der Streik wieder im Aufwind ist, scheint auch im globalen Kontext deutlich: Steven Colatrella machte 2011 in der Wildcat darauf aufmerksam, dass wir uns in einer globalen Streikwelle befinden,1 die Rebellionen in Ägypten und Tunesien wurden durch mächtige (wenn auch erst mal gescheiterte) Streikbewegungen im Textil- bzw. Bergbausektor angestoßen. Und spätestens nach dem grenzüberschreitenden Generalstreik am 14. November 2012 scheinen alle Dämme gebrochen: Der Generalstreik steht offenbar wieder auf der Tagesordnung und er könnte, so die allgemeine Hoffnung, systemverändernd wirken.

Das Ende der Generalstreiks

Allerdings sind die Generalstreiks in Südeuropa durchaus nicht als kraftvolles Zeichen zu bewerten, sondern tatsächlich sind sie eher ein wütendes Symbol der Ohnmacht. Das Forschungsteam von Kerstin Hamann, Alison Johnston und John Kelly hat die Generalstreiks in Europa seit den 1980er Jahren untersucht.2 Dabei stellen sie fest, dass die Generalstreiks der letzten zwei Jahre allein in Griechenland eine höhere Anzahl erreichen als die Generalstreiks in ganz Europa während der 1980er Jahre. Aber: Die ca. 20 Generalstreiks der 1980er Jahre waren allesamt in ihren Forderungen erfolgreich, während die aktuellen Generalstreiks in Südeuropa bislang keinerlei Veränderungen der Politik zur Folge haben. Hamann u.a. bemerken, dass es einen Trend weg von „ökonomischen“ Streiks hin zu politischen Warnstreiks auch deswegen gibt, weil die klassischen Streiks zunehmend bei den Unternehmen auf Granit beißen – das ist weniger zu vergleichen mit einer Massen- oder Generalstreikbewegung wie etwa in Russland 1905, als eher in den Bestrebungen der Callcenter-Gewerkschaft DPV-Kom (im Deutschen Beamten-Bund), für Callcenter-AgentInnen mehr Lohn in Form eines Antrags auf Mindestlohn nach dem Mindestarbeitsbedingungengesetz zu erbitten, weil aufgrund der schwachen Organisierung (auf Unternehmens- wie auf Arbeiterseite) ein Arbeitskampf aussichtslos erscheint. Die südeuropäischen Generalstreiks sind also erstens ein Ausweichmanöver aufgrund mangelnder Arbeitermacht, zweitens größtenteils erfolglos und drittens sind sie in ihrer Form weniger tatsächliche Streiks als eher Demonstrationen eines Generalstreikswillens – vergleichbar einem Warnstreik, dem auch nur selten ein längerer Streik folgt. Die Wildcat machte kürzlich darauf aufmerksam, dass in den griechischen Generalstreiks „nur wenige wirklich gestreikt“ haben und der „Zyklus der Generalstreiks in Griechenland“ vorbei sei.

Der komplette Artikel von Torsten Bewernitz ist über den Link unten einsehbar. Er erschien zuerst in der Direkten Aktion (DA) #217 - Mai / Juni 2013. Zum Thema"Der Streiksommer 1973" hat Christian Frings hier einen Text publiziert, ebenfalls in der DA