Nachricht | International / Transnational - Afrika „Schreddern, Spitzeln, Staatsversagen“

Bodo Ramelow im Gespräch mit Denis Goldberg und David Goldberg in Johannesburg.

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„Schreddern, Spitzeln, Staatsversagen“ lautet der Titel des von Bodo Ramelow herausgegebenen Buchs zum rechten Terror in Deutschland. Am 26. Juni lud die Rosa-Luxemburg-Stiftung Südliches Afrika zur Diskussion um Rechte Gewalt und Rassismus in Deutschland und Südafrika in das Goethe-Institut Johannesburg ein.

Mt dem thüringischen Landtagsfraktionschef der Partei DIE LINKE Bodo Ramelow diskutierten Denis Goldberg, ANC-Freiheitskämpfer, der neben Nelson Mandela als Angeklagter des Rivonia Prozesses bekannt wurde, und David Goldberg, Kulturwissenschaftler an der Universität in Kalifornien.

Zunächst stellte Ramelow sein Buch vor, dass sich mit der Terrorgruppe NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) und dem weitverzweigten, bis nach Südafrika reichenden, Netz von Rechtsextremen befasst. Zwischen 2000 und 2006 tötete die dreiköpfige Gruppe neun Migranten und eine Polizistin, führte Bombenanschläge durch und überfiel vierzehn Banken. Erst als zwei der Mitglieder der Terrorgruppe, die alle aus Ramelows Heimatland Thüringen stammen, im November 2011 in Eisenach Selbstmord begingen, wurde die Gruppe von den Sicherheitsstellen in Deutschland entdeckt.

Das Buch setzt sich, so Ramelow in Johannesburg, vor allem mit dem Staatsversagen auseinander. Die zuständigen Stellen waren unfähig das Terrortrio und seine Hintermänner rechtzeitig zu enttarnen und aufgrund von falschen Verdächtigungen durch Polizei und Geheimdienst suchte man sehr lange die Täter unter den Migranten. Dabei bleibt das Buch nicht bei der These stehen, wonach die Sicherheitsstellen nur geschlampt haben. Für Ramelow hat das Versagen einen weiteren Grund: Rassismus in den Behörden.

Gegenstand des Buches, so Ramelow in Johannesburg, ist denn auch der Alltagsrassismus in Deutschland. Die Politik trägt nach seiner Auffassung Mitschuld an der wachsenden Ausländerfeindlichkeit in Deutschland. Vor allem die lange Debatte um die Einschränkung des Asylrechts hat der Erklärung Vorschub gegeben, wonach das Boot voll sei.

Für David Goldberg ist die Welle von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Islamophobie in Europa eng verbunden mit dem erstarkten Abgrenzungsdiskurs. Vor allem von Menschen mit islamischem Glauben grenze sich die Mehrheitsgesellschaft in Europa in zunehmender Weise ab. Hintergrund des Abgrenzungsprozesses ist die herrschende Obsession der Homogenität in Europa. Das von vielen Politikern und Intellektuellen ausgerufene Ende des Multikulturalismus dient David Goldberg als Beweis seiner These.

Denis Goldberg zielte in seinem Diskussionsbeitrag auf die sozialen Entstehungsbedingungen von Xenophobie in Südafrika. Der tägliche Kampf um knappe Ressourcen, die hohe Armut und Arbeitslosgkeit, sind für Goldberg der Humus auf dem Fremdenfeindlichkeit wächst. Immer wieder, beklagte Goldberg, werden Menschen anderer Herkunft in Südafrika Opfer von ausländerfeindlicher Gewalt. Der Staat sei in der Pflicht gegen diese Gewalt vorzugehen und habe aus der Welle der Gewalt im Jahr 2008, als 62 Menschen ausländerfeindlichen Taten in Südafrikas Township zum Opfer fielen, gelernt.

Diskutanten und Zuhörer waren sich abschließend weitgehend einig, dass der Staat gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Gruppen aktiv zu einer offenen und friedlichen politischen Kultur beitragen müsse. Denn ohne eine erneuerte politische Kultur sind unsere multikulturellen Gesellschaften, ob in Südafrika oder in Deutschlands Großstädten, in Gefahr.