Nachricht | Asien Gender und Migration in Asien: Wo bleiben Gleichberechtigung und Menschenrechte im sogenannten Arbeitskräfteexport?

Ein Veranstaltungsbericht aus Vietnam von Nadja Charaby und Jekaterina Rudolph

Seit Beginn der Erneuerungspolitik (viet.: Doi Moi) nicht nur Vietnams Wirtschaft dynamischen Entwicklungen ausgesetzt, es sind auch seine Menschen „in Bewegung geraten“. Millionen von Vietnames_innen zieht es als Arbeitsmigrant_innen in die Nachbarländer Asiens (vor allem Südkorea und Taiwan), in die arabischen Länder, nach Afrika, Europa oder in die USA. Insgesamt leben aktuell fast 5 Millionen Vietnames_innen als Migrant_innen im Ausland und bis 2020 sollen jährlich ca. 100.000 dazukommen.

Vietnam ist, wie viele andere asiatische Länder auch, ein Entsendeland, das seine Einwohner_innen bewusst als Arbeiterkräfte die ganze Welt schickt. Bisher setzte die Regierung mehrheitlich auf „Masse“ und vernachlässigte den rechtlichen Schutz seiner Staatsangehörigen im Ausland. So wundert es nicht, dass sich Fälle in denen die Menschen- und Arbeitsrechte der Migranten_innen missachtet werden, häufen. Vor allem Frauen, die mehr als 35 % der Migrant_innen ausmachen, sind besonders gefährdet durch physische oder psychische Ausbeutung. Insgesamt wird deutlich, dass trotz positiver Argumente (Heimüberweisungen von Erspartem, Armutsreduzierung) auch die massiven Risiken, die mit dem sog. Arbeitskräfteexport einhergehen, offen diskutiert werden müssen.

Dieser Umstand hat die Rosa-Luxemburg-Stiftung Hanoi dazu bewegt, das Vorgehen der Regierung sowie die Situation der Migranten_innen in einem breiten Kreis aus Forscher_innen, sowie Vertreter_innen stattlicher und nicht-staatlicher Institutionen zu erörtern. In diesem Sinne fand vom 28.-29.9.2013 in Ho-Chi-Minh-Stadt der nach dem Auftakt 2012 zweite Workshop zum Thema „Gender und Migration“ statt. Die Resonanz war beeindruckend. Dem Teilnahmeaufruf der RLS und der Universität für Sozial- und Geisteswissenschaften Ho-Chi-Minh-Stadt folgten viele vietnamesische wie internationale Fachleute und  fast 100 Gäste.

Die Vortragenden berichteten über ihre Forschungsergebnisse zum Thema und zeigten aktuelle Probleme der asiatischen Migrationspolitik und –praxen im Allgemeinen sowie der südostasiatischen, insbesondere vietnamesischen „Arbeitskräfteexport“-Politik auf. Dabei wurde zunächst einstimmig die Terminologie „Labour Export“ kritisiert. Der Ausdruck vermittelt den Eindruck, es handle sich um einen staatlichen Kontrollprozess von Waren-Exporten. Dies birgt die Gefahr, dass übersehen wird, dass es um Menschen und ihre persönlichen positiven wie negativen Schicksale geht. In diesem Zusammenhang mahnten die Redner_innen auch eine intensivere Arbeit in Bezug auf „Gender“ und Migration an. Über die Migrationsmotive, das Migrationsverhalten sowie die Chancen und Risiken zwischen den Geschlechtern ist noch zu wenig bekannt. In Anbetracht der Tatsache, dass Frauen einen erheblichen Anteil am Migrationsstrom ausmachen, muss die politische Ebene diesen „blinden Fleck“ beseitigen, so eine Forderung der Experten_innen. Zudem gilt es auch auf Seiten der Forschung, das Thema „Gender“ noch tiefer aus theoretischer Perspektive zu analysieren. Vor allem die einseitige Darstellung der Frau als schwaches „Opfer“ oder „Migrationsware“ spiegelt die Inhalte der Gender-Forschung und die Realität kaum wider. Für ein umfassenderes Verständnis der Auswirkungen des Neoliberalismus anderer Diskriminierungspraxen wäre eine beispielsweise intersektionale Analyse wünschenswert.

Die Teilnehmenden diskutierten kritisch auch den vietnamesischen Weg, mehr auf „Masse“ und weniger auf „Klasse“, d. h. auf besser ausgebildete und vorbereitete Migranten_innen, zu setzen. Darüber hinaus einigten sich die Anwesenden darauf, die Bezeichnung „illegal migrants“ abzulehnen. Es handelt sich nicht per se um „Illegale“, sondern um Migranten_innen, die durch Gesetze und/oder internationale Abkommen aufgrund eines vermeintlich einschlägigen Grundes „illegalisiert“ werden. Gerade sie benötigen Hilfe, denn an den legalen Status knüpfen sich Rechte, die „Illegalen“ verloren gehen. Das macht ihre Lage vielfach noch prekärer.

Insgesamt dürfen die Organisatoren_innen auf eine erfolgreiche Veranstaltung zurückblicken. Viele inhaltliche Themen wurden offen und kritisch behandelt, Lücken aufgezeigt, neue thematische Schwerpunkte identifiziert und weiterer Handlungs- bzw. Forschungsbedarf begründet. Aus diesem Grund trennten sich die Teilnehmer in der Absicht, auch 2014 einen Workshop zum Thema Gender und Migration zu veranstalten.