Nachricht | Parteien / Wahlanalysen - Staat / Demokratie Landtagswahlen in Bayern – erste Eindrücke

Wahlanalyse von Martin Fochler

Information

 

Die politischen Folgen der bayerischen Landtagswahl 2013 können letztlich erst ausgelotet werden, wenn nach der Bundestagswahl fest steht, ob (als Regierungspartei?) und wie (in welcher Koalition) sich die CSU in der Bundespolitik platzieren kann, ob die FDP über die 5% kommt, wie sich das Ergebnis von SPD + Grünen und SPD / Grüne gestaltet, wie sich das Wahlergebnis der LINKEN entwickelt, was aus der AfD geworden sein wird und was von den Piraten bleibt. All diese Konstellationen haben (auch) Rückwirkungen auf die bayerische Landespolitik, die Politik im Bund und Politik in Europa ist.

Die CSU: allzu viel ist ungesund

Die Wählerschaft von CSU, FDP und Freien Wählern (FW) lebt in einem engen Kommunikationszusammenhang, in dem auch die Bayernpartei (BP) eine Rolle spielt.

 

2013

2008

CSU

47,7

43,4

FDP

3,3

8,0

FW

9,0

10,2

BP

2,1

1,1

Summe

62,1

62,7 

Die Verschiebung des Schwerpunktes hin zu CSU bewirkt, dass politische Fragen in der Landtagsfraktion der CSU wirksam vorentschieden werden. Das bedeutet auch, dass die erheblichen Differenzen, die in der Wählerschaft zwischen den Regionen (vor allem Nord/Süd) und Richtungstendenzen (Traditionalisten/Modernisierer) bestehen, parteiintern abgeklärt werden müssten. Das wird nicht einfach. Denn der Prozess der Modernisierung, dem die CSU in der letzten Legislaturperiode ausgesetzt war, bedurfte des Drucks von außen, durch die Öffentlichkeit und durch die externen Zwänge, die vom Regieren in Koalitionen ausgehen. Fällige Schritte der Regierungspolitik, in der Bildungspolitik, der Gleichstellung der Geschlechter, der Respektierung der sexuellen Orientierung, der guten Nachbarschaft mit den angrenzenden Ländern und vor allem des Pluralismus in kulturellen Fragen kann die CSU aus sich heraus kaum gehen. In der sozialen Frage fällt die bequeme Rollenverteilung (CSU mit sozialem Verständnis, FDP für‘s brutale Wirtschaftsinteresse) weg. Die Ein-Parteien-Herrschaft hat sich über Jahrzehnte als Brutstätte von Skandalen, der Vorteilsnahme und des Vertuschens erwiesen. In der letzten Legislaturperiode ließ sich die CSU, widerwillig und vor allem durch das Agieren des Ministerpräsidenten getrieben, auf Korrekturen ein. So lief die Kampagne gegen die Skandal- und Amigopartei in der Wählerschaft ins Leere. Für die Wählerschaft sah es jedenfalls so aus, dass Druck der Presseöffentlichkeit und Kampagnen in Verbindung mit Mitteln direkter Demokratie die CSU zur Korrektur von Missständen bzw. Fehlentscheidungen veranlassen können.

Letztlich entscheidend war natürlich der Erfolg der bayerischen Politik mit Blick auf Wirtschaftswachstum und Geltung der Region im Bund und in Europa.

FDP: Als reine Wirtschaftspartei gezählt, gewogen, zu leicht befunden

Die FDP hat dramatisch verloren. Sie hätte als Demokratiewächter funktionieren müssen, hat sich aber auf Wirtschaft und Kultur zurückgezogen. Sie ist bei den CSU-typischen Skandalen nur als „nicht verwickelte“ Kraft aufgefallen, nicht als korrigierende Bürgerrechtspartei. In der Öffentlichkeit steht die FDP für das unverhüllte wirtschaftliche Interesse, den Schwenk zum mitfühlenden Liberalismus à la Lindner hat sie nicht vollzogen.

Freie Wähler: Die Bäume wachsen nicht in den Himmel

Die Freien Wähler (FW), die in der Kommunalpolitik vielen engagierten Bürgern und Fachleuten eine Plattform bieten, stehen an einem Scheideweg. Aiwanger will in die Bundes- und Europapolitik. Im Bund konkurriert er mit der AfD, bei der Landtagswahl kandidierte die AfD in Bayern nicht.

Die Freien Wähler sind als Landes- und Bundespartei(?) – anders als in den meisten Kommunen –nach rechts außen weit offen. Wenn der kleine, aber deutliche Rückgang von 10,2% auf 9 % durch ein dramatisch schwaches Ergebnis bei den Bundestagswahlen ergänzt wird, wird bei den FW der Ruf nach Konzentration auf die Kommunen stärker werden. Das überzeichnete Ergebnis der CSU ermöglicht allerdings den FW, sich im Landtag als Sprecher der vernachlässigten Regionen und Menschen aufzubauen.

Überlebenskünstler Bayernpartei und eine neue Regionalpartei

Die Bayernpartei (BP)hat sich von 1,1 % auf 2,1% hochgearbeitet. Sie kann mit diesem Ergebnis in der Kommunalpolitik agieren und hat z.B. gute Aussichten, den einen Sitz, den sie im Münchner Stadtrat hat, bei den Kommunalwahlen im März zu behaupten. Die Bayernpartei blickt auf eine lange Geschichte zurück. Sie hat ihren Schwerpunkt in Südbayern (Spitzenwert Niederbayern mit 3,6%). In den drei fränkischen Regierungsbezirken erreicht die BP nur Werte um 1%. Dort allerdings hat sich die Partei „Die Franken“ mit Werten um 2% neu etabliert (Oberfranken 2.9%).

Die Parteien rechts außen verlieren

Die REP (1,0%, -0,4%) und die NPD (0,6%, -0,6%) verlieren erheblich. Die neu auf den Plan getretene Partei „Die Freiheit“ des antiislamischen Hetzredners Stürzenberger (Betätigungsfeld München) trat in Oberbayern an und kam auf 0,1%. Diese Parteien haben Schwierigkeiten, Kandidaten zu finden und die nötigen Unterschriften zu sammeln. Zudem wurden ihrem Wählerpotential Möglichkeiten geboten, bei anderen Parteien anzudocken. Die Hoffnung, dass mit diesen schwachen Ergebnissen auch die ausländerfeindlichen Sammlungsbewegungen erledigt wären, die in Nürnberg und München im Stadtrat sitzen, wäre verfehlt.

Die Strategie SPD+Grüne+FW ist gescheitert.

Das Bündnis aus SPD, Grünen und Freien Wählern – damals numerisch ganz knapp mehrheitsfähig –, war vor einem Jahr die Offerte der SPD an die Wählerschaft, es wurde als DIE Chance zur Ablösung der CSU dargestellt. Die SPD hätte allerdings einen Kurs vorschlagen müssen, auf dem diese drei verschiedenen Gebilde sich in Richtung Regierungsbildung hätten bewegen können. Das ist dem SPD-Spitzenkandidaten nicht gelungen, den Grünen erst recht nicht und Aiwangers FW schon gar nicht.

Wie entwickelt sich die Relation SPD-Grüne-LINKE …

 

2013

2008

SPD

20,6

18,6

Grüne

8,6

9,4

LINKE

2,1

4,4

Summe

31,3

32,4

Es ist nicht verkehrt, das Stimmergebnis von SPD, Grüne und LINKE zu addieren. Wählerinnen und Wähler dieser Parteien treffen sich, in den Gewerkschaften und bei politischen Aktivitäten. Sie stehen in einem Kommunikationszusammenhang, dessen Position in der Wählerschaft sich 2008 auf 2013 keineswegs verbessert hat. Die SPD hat nicht hinzugewonnen, was Grüne und vor allem die LINKE verloren. Dies ist kein gutes Zeichen für die Kommunalwahlen im März, wo es in den Großstädten um Mehrheiten links von der Mitte geht.

Wenn der SPD-Spitzenkandidat Ude trotzdem sagt, die Bayern-SPD habe nach Jahrzehnten der Verlust nun eine Wende erreicht, dann trifft das im Grunde nur auf die Kräfteverhältnisse zwischen den linken Parteien zu. Wie wird die SPD mit diesem Einfluss umgehen? Arrogant, wie etwa der SPD-Kanzlerkandidat, der für das Verhältnis SPD/Grüne das Bild von „Koch und Kellner“ prägte? Der Anteil der SPD an den linken Wählern ist seit langem erstmals wieder gestiegen, er liegt nun bei fast zwei Drittel. Das kann dazu führen, dass die in linken Debatten traditionell starke Tendenz, nicht am Sachpunkt zu diskutieren, sondern um die politische Linie, die Richtung, um Meinungsführerschaft / Hegemonie, wieder auflebt. Es bleibt zu hoffen, dass die jüngere Generation der SPD- und Grünen- Politiker/innen sich aus diesen veralteten Vorstellungen lösen können und lieber Chancen der Kooperation suchen und heben.

… und Piraten

Haben in Bayern 2% erreicht. Untersuchungen über die Wählerwanderung, die z.B. für die Landeshauptstadt München bereits vorliegen, legen nahe, dass es eine Wanderung von der LINKEN zu den PIRATEN gegeben hat, die in der Tat als Bürgerrechtspartei warben. Ob und wo sich die Piraten letztlich platzieren, wird sich nach den Bundestagswahlen klären.

Die Wähler zeigen der LINKEN die kalte Schulter

In Umfragen und in der öffentlichen Meinung zeigten sich in den Monaten vor der Wahl Geltung und Ansehen der LINKEN verbessert. Bei der Landtagswahl aber hat die LINKE – so wie in anderen Bundesländern der alten BRD auch – wieder mehr als die Hälfte ihrer Stimmanteile verloren. Das Ergebnis kontrastiert heftig zu dem Zuspruch, den der aktive Wahlkampf der LINKEN nach Bekunden der Beteiligten gefunden hat. Eine wichtige Rolle für das schlechte Abschneiden der LINKEN spielt sicherlich das in Bayern derzeit weit verbreitete und starke Gefühl wirtschaftlicher Sicherheit, Befürchtungen, die es gibt, werden eher auf die Bundes- und die Europapolitik projiziert. So hat die Bundestagswahlkampagne der LINKEN, deren Richtung den bayerischen Wahlkampf bestimmt hat, dem Landtagswahlergebnis nicht so recht helfen können.  Schaut man auf die lange Reihe der Umfragen, so wäre es auch möglich, dass die Bayern-Linke z.B. etwa zur Zeit des NRW-Wahlergebnisses noch viel niedriger lag, in den Umfragen jedenfalls war sie öfter gar nicht messbar. Der kommende Sonntag wird es zeigen. Wichtig ist, dass selbst dieses schlechte Wahlergebnis das Potential zeigt, die Positionen bei den Kommunalwahlen im März zu halten.

Filter und Umfragen

Der Wahlkampf schafft einen besonderen Kommunikationszusammenhang zwischen den Parteiaktiven, den der freundlichen Umgebung und der breiten Öffentlichkeit. Im unmittelbaren Kontakt wird Ablehnung selten signalisiert, Gleichgültigkeit fällt nicht auf, Zuspruch und Ermutigung hört man gern. Weil irgendwie jeder weiß, wie trügerisch solche Eindrücke sein können, richtet sich der Blick auf die Umfragen. Die bayerischen Landtagswahlen, bei denen verbesserten Umfragewerten für die LINKE ein besseres Wahlergebnis nicht folgte, machen auch dieses Orientierungsmittel zweifelhaft. Vielleicht würde die Auseinandersetzung mit der Beurteilung der inhaltlichen Stärken und Defizite der Parteien durch die breite Öffentlichkeit genauere Hinweise für die Verbesserung der Parteiarbeit liefern.

Fazit

Die SPD, und das ist schon etwas Kurioses, ist mit einem Spitzenkandidaten angetreten, der nicht in den Landtag einziehen will. Das ist auch ganz vernünftig, denn in der bayerischen Politik steht ein Generationswechsel an. Für die positive Bewertung der CSU durch die Wählerinnen und Wähler  ist erheblich, dass Seehofer diesen Wechsel einleitete und einer ganzen Reihe jüngerer Leute – Frauen und Männer – Möglichkeiten zur Entfaltung ließ. Für die CSU und den ganzen christlich-konservativ-liberalen Zusammenhang ist eine Verschiebung der Normen nur – wie oben schon gesagt – unter Druck „von außen“ und zweitens im Gange des Generationenwechsels denkbar. Das betrifft ganz unterschiedliche Problemfelder. Eine freiere Haltung zu verschiedenen Entwürfen der Lebensgestaltung, einschließlich der sexuellen Orientierung. Die Bereitschaft, Ansprüche an das tschechische Nachbarland aufzugeben. Abbau von Brückenbindungen zum faschistischen Milieu. Solche Veränderungen werden von der jetzt alten Generation vielleicht ertragen, nicht aber formuliert und aktiv vertreten.

Auch die Parteien und Strömungen im linken Spektrum habe eine Chance, sich in der Bayerischen Landespolitik zu entwickeln. Denn der CSU-Staat wird größte Schwierigkeiten haben, die Erwartungen der Wählerinnen und Wähler zu erfüllen. Augenscheinlich wird das am Fortschreiten der sozialen Spaltung zwischen Arm und Reich und an der Entwicklung der Zentren zu Lasten des Landes. Gerade auf dem Gebiet der Strukturplanung ist es nicht leicht, die sozialen Folgen von Investitionen der öffentlichen Hand abzuschätzen. Allerdings kann sich die LINKE auf die Arbeit der Partei im Bund und in den Stadträten stützen.

Auch als kleine Partei der bayerischen Linken ist die LINKE in der bayerischen Landespolitik nicht machtlos. Die Instrumente der direkte Demokratie und Partizipation ermöglichen Bündnisse, so dass Kritik auch praktisch werden kann.

Martin Fochler, 16./17.10.2013

Benutzte Quellen: http://www.muenchen.de/rathaus/Stadtinfos/Statistik/Wahlen/Landtagswahl.html