Nachricht | Perspektivwechsel

Dokumentation des Workshops vom 25. Oktober 2013

An diesem Freitagmorgen standen Beispiele matriarchaler Gesellschaftsformen noch existierender Völker im Mittelpunkt des RLS-Gesprächskreises Lebenszeit - Arbeitszeit. Regina Witt ist ausgebildete Dipl. Agraringeneurin und arbeitet seit über 20 Jahren als Geschäftsführerin des Vereins "Verbund Ökohöfe Nordost e.V.". Nebenbei betätigt sie sich als Gärtnerin und Imkerin. In ihrem Vortrag bezog sie sich auf die Forschungen vieler Männer und Frauen seit dem vorletzten Jahrhundert. Von ihr wollten wir erfahren, was sie selbst am Matriarchat so fasziniert und warum sie sich seit Jahren mit der matriarchalen Lebensweise beschäftigt. Sehr zum Nachdenken anregend war bereits in der Einladung formuliert, dass wir in unserer westlichen Welt eher alles getrennt ERLEBEN und wahrnehmen, was eigentlich ZUSAMMEN gehört: Natur und Mensch, Arbeit und Freizeit, Jung und Alt, Mann und Frau, Stadt und Land, Boden und Lebensmittel, Natur und Kultur, Diesseits und Jenseits...

Ihre freie Rede über Geschichte und Gegenwart des Matriarchats schmückte Regina mit Beispielen aus und untermalte sie mit Buchempfehlungen verschiedener Art. Sie verstand es, mehr und mehr unser Interesse zu wecken und bald gingen die Gedanken spazieren in einer angeblich fremden Welt...

Welche Ideen verfolgen Frauen in matriarchal geführten Gesellschaften? Regina brachte sie wie folgt auf den Punkt: WIRTSCHAFTLICH haben die Frauen die Kontrolle über die wesentlichen Lebensgüter Felder, Häuser und Nahrungsmittel. Das Land und die Häuser gehören dem ganzen Clan, auch Wissen ist Allgemeingut - es wird wie Fähigkeiten und Fertigkeiten von Kindheit an weitergegeben. Protz mit materiellen Dingen ist verpönt - Reichtümer werden nicht angehäuft. Im Matriarchat erfahren alle Clan-Mitglieder vom Kind bis zum Greis SOZIALE Geborgenheit. Das Oberhaupt des Clans ist eine Frau, die von allen erwählt wird. Sie trägt mit ihren sozialen Fähigkeiten die höchste Verantwortung für das Wohl des Clans. Die Frauen wählen ihre Sexual-Partner frei, Trennungen sind immer möglich und schwächen nicht das Ansehen der Frau. Die Kinder bleiben ein Leben lang im mütterlichen Clan. Entscheidungen geschehen im Konsens und man pflegt freundschaftliche Beziehungen zu den Nachbarclans - Gewaltlosigkeit ist Lebensprinzip.

SPIRITUELL verehren die Menschen im Matriarchat Muttergöttinnen als Lebensspenderinnen. Mensch und Natur werden geachtet und verehrt, sind nicht getrennt, sondern bewegen sich im ewigen Rad von Werden, Sein und Vergehen. Und die Männer? Bei einigen Völkern wird der Häuserbau durch die Männer ausgeführt. Die körperlich schweren Feldarbeiten - seit der Altsteinzeit geschlechtsspezifisch festgelegt - führen bei den Mosuo und bei vielen anderen matriarchalen Völkern die Frauen aus. Die Männer vertreten häufig den Clan nach außen, im Auftrag der   Clan-Mutter. Sie hat nach ausführlicher Debatte im Clanrat das letzte Wort. Genügend Stoff für eine lebhafte Debatte und plötzlich stand das Bewusstwerden im Raum - Moment mal - sind die WERTschätzungen im Matriarchat nicht auch unserm Bestreben ähnlich beim Suchen nach Alternativen für unabhängiges Leben und Arbeiten in der gegenwärtigen Gesellschaft? Ja, klar. Wir bleiben dran...

Marga Voigt


Kontakt:

Rosalind Honig (GK-Lebenszeit-Arbeitszeit@rosalux.de)

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