Nachricht | Gesellschaftliche Alternativen - Gesellschaftstheorie - Afrika Vielfalt mit Marx: «Marxisms in the 21st century»

Eine Buchpräsentation in Johannesburg.

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Mehr als 100 Interessierte kamen am Donnerstag, den 20. Februar 2014, an die Witwatersrand Universität in Johannesburg, um mit den anwesenden AutorInnen des Sammelbands „Marxisms in the 21st Century. Crisis, Critique & Struggle“ zu diskutieren. Das Buch ist der erste einer dreibändigen Ausgabe, welche die Zukunft des Demokratischen Marxismus in Afrika und der Welt diskutiert.

Die Bände erscheinen bei der WITS University Press, die HerausgeberInnen sind Michelle Williams und Vishwas Satgar, beide Sozialwissenschaftler an der Witwatersrand Universität. Die Herausgabe und die Diskussionsveranstaltungen zu den Bänden wird von der Rosa-Luxemburg-Stiftung Südliches Afrika unterstützt.

Der erste Band diskutiert im wesentlichen drei Themen des modernen Marxismus: erstens das Verhältnis von Marxismus zu Demokratie und Globalisierung und dabei vor allem die Bedeutung von Polanyi (Michael Burawoy) und Gramsci (Vishwas Satgar) für einen zeitgemäßen Marxismus. Zweitens setzt sich der erste Band der Serie mit dem Zustand linker Politiken, welche auf dem Marxismus basieren, auseinander. Hier wird besonders das nicht unproblematische Verhältnis von Feminismus und Ökologie zum Marxismus diskutiert. Schließlich endet der Band mit Reflektionen über die Krise des Marxismus in Afrika und seine Zukunft.

Michelle Williams eröffnete die Buchpräsentation an der Witwatersrand mit einem kurzen Aufriss des Buchprojekts. Im Kern geht es den HerausgeberInnen um die Frage, wie man den Kapitalismus heute verstehen kann und welche Rolle der Marxismus nach dem Scheitern der sozialistischen Länder in Osteuropa, dem Fortbestehen des Kommunismus in China, Nordkorea und Kuba sowie den neuen sozialistischen Experimenten in Lateinamerika spielen kann.

Diese Frage ist in Südafrika gegenwärtig von großer Bedeutung, macht sich doch die größte Einzelgewerkschaft des Landes, die Metallarbeitergewerkschaft NUMSA, auf den Weg, möglicherweise eine eigene „Workers Party“ zu gründen.

Dinga Sikwebu, NUMSAs nationaler Bildungskoordinator, war denn auch eingeladen, um das Buch vorzustellen. Er bezeichnete den ersten Band als eine gelungenen Quelle der Inspiration für NUMSA und verspricht sich von den weiteren Bänden konkrete Hilfestellungen im Rahmen der Weiterbildung von GewerkschafterInnen.

Froh zeigte sich Sikwebu über den Titel des Buches: „Der Marxismus ist nur in seiner theoretischen und praktischen Vielfalt ein Schatz.“ Zu lange sei der Marxismus autoritär eingesperrt worden und zu lange hätte die kommunistische Partei in Südafrika bestimmt, welcher Marxismus der richtige sei, so Sikwebu. Der anwesende Autor Devan Pillay stimmte Sikwebu hier zu.

Satghar ging in seiner kurzen Präsentation auf die Frage des Verhältnis von Marxismus und Demokratie ein. Demokratische Rechte gilt es gerade heute, wo der Neoliberalismus die Deokratie aushöhlt, zu verteidigen. Das Wahlrecht und damit die repräsentative Demokratie ist Teil der vielen Kämpfe von Menschen für Freiheit und Selbstbestimmung seit der französischen Revolution bis zu den Bürgerhaushalten in Curitiba und anderswo. Die liberale Demokratie sollte daher nicht, wie 1917 geschehen, missachtet werden. Sozialismus ohne Demokratie ist nicht denkbar, will man nicht in die dunkle Zeit des Marxismus nach der russischen Revolution zurückfallen, so Satghar.

Im ersten Band weitgehend unbeleuchtet bleibt das Verhältnis von Marxismus und Keynesianismus (Kapitel 10 Limits of ANC ‚Marxism‘). Vieles deutet darauf hin, dass wie schon nach der großen Wirtschaftskrise Anfang des 20. Jahrhunderts und den Katastrophen der Weltkriege das Pendel von einem marktradikalen Kapitalismus zu einem mehr geregelten, staatlich eingehegten Kapitalismus schwingen wird. Die Entwicklung Südafrikas, die wieder wachsende Rolle des Staates in der Wirtschaft und das anschwellende Lamento der Konservativen gegen die anwachsenden Sozialausgabe unterstreichen diesen Befund.

Die AutorInnen sind daher aufgefordert, in den beiden kommenden Bänden noch klarer die Beziehungen zwischen erneuertem Keynsianismus, wohlfahrtsstaatlichen Politiken und dem globalisierten Finanzkapitalismus sowie der Rolle von transformativ-emanzipatorischen Projekten (marxistsicher Prägung) in den verschiedenen Weltregionen darzulegen.