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Eine Analyse der US-Kongresswahlen 2014. Ethan Young - November 2014.

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Ethan Young,

«Obama zieht Demokraten runter», titelte die New York Daily News am Morgen nach den Kongresswahlen 2014. Grob übersetzt bedeutet das: «Obamas sinkende Beliebtheit hat dazu geführt, dass die Demokratische Partei beide Kammern des Kongresses sowie die Gouverneure in mehreren Staaten an die Republikaner verloren hat.» Genauer gesagt hat der Satz folgende politische Bedeutung: «Die gnadenlose rassistische Dämonisierungskampagne der Republikaner war so erfolgreich, dass Obama von vielen Wählern, selbst in seiner eigenen Partei, verachtet wurde.»

Den Mainstream-Medien zufolge driftet das Land entschieden nach rechts und die Republikaner erleben einen Aufschwung, während Obama in den letzten beiden Jahren seiner Amtszeit ein Debakel erwartet.

Einiges spricht gegen diese Annahme. Obamas Umfragewerte sind zwar tatsächlich niedrig, aber die des Kongresses sind noch wesentlich niedriger. Neben dem Aufstieg der Republikanischen Partei verweisen die Ergebnisse zahlreicher Volksabstimmungen auf einen Trend zum Wirtschaftspopulismus. Zudem konnten mächtige und extrem wohlhabende Konservative ihren politischen Ansichten anhand von Millionensummen Ausdruck verleihen, nachdem die Obergrenze für Wahlkampfspenden vom Obersten Gerichtshof aufgehoben worden war. Um die Anzahl nichtweißer Wähler zu reduzieren, sind einige Wahlbezirke neu aufgeteilt worden, so dass traditionell links und Mitte-links orientierte Wählerschichten ausgegrenzt werden.

Nur bei zwei der elf Senatswahlen konnten die demokratischen Kandidaten eine deutliche Mehrheit erlangen. Die Republikaner dominierten die Gouverneurswahlen, und in industriell geprägten Bundesstaaten im Mittleren Westen wie Illinois, Michigan und Wisconsin gewannen ausgesprochen arbeitnehmerfeindliche Kandidaten. Dennoch befürworteten die Wählerinnen und Wähler in fünf Bundesstaaten Volksentscheide zur Erhöhung des Mindestlohns – selbst in jenen Bundesstaaten, in denen die Demokratische Partei die Wahlen verlor.

Sowohl im Kongress als auch im Obersten Gerichtshof, in dem fünf erzkonservative vier moderaten Richtern gegenüberstehen, wird Obama eine starke Mehrheit gegen sich haben. Seine Probleme mit der Republikanischen Partei und den Bevölkerungsgruppen, um die beide Parteien wetteifern, haben jedoch wenig mit Politik zu tun. Obama möchte seine kriegerische Politik gegen den selbsternannten Islamischen Staat fortsetzen, eine zentristische (neoliberale) Innenpolitik verfolgen und den Finanzsektor nach der Rezession vor einem erneuten Niedergang bewahren. Das ist nicht die Art von Politik, die die Konservativen auf die Barrikaden bringt. Dennoch sind die nunmehr gestärkten republikanischen Kongressabgeordneten im Begriff, beim ersten Anzeichen eines Alleingangs Obamas ein Amtsenthebungsverfahren in die Wege zu leiten.

In Wahrheit geht es bei den Rivalitäten zwischen Demokraten und Republikanern bezüglich der Wahlen, Legislative und Judikative um zwei politische Themen: erstens den Einflussgrad von Gewerkschaften und damit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf die Politik, und zweitens die Frage, ob die Regierung Maßnahmen zum Ausgleich früherer rassistischer Ungerechtigkeiten durchsetzen soll und darf. Der Widerstand gegen Gewerkschaften zieht sich durch beide Parteien und umfasst auch die Mehrheit der demokratischen Parteispitze, die sich dem Neoliberalismus, der Fortsetzung der militärischen Präsenz der USA im Mittleren Osten sowie dem von Unternehmen dominierten Status quo im Allgemeinen verpflichtet fühlt. Die Parteispitze wünscht sich zwar Unterstützung durch die Arbeiterschaft und ethnischen Minderheiten, steht mit diesen jedoch offenbar nicht in Verbindung und unterstützt sie nicht mit konkreten Maßnahmen.

Die wenigen demokratischen Kandidaten, die ihre Differenzen gegenüber den Republikanern deutlich gemacht und sich auf Obamas Seite gestellt haben, wurden auch gewählt. Es bleibt jedoch unklar, ob dies tatsächlich der Grund für ihren Erfolg war. Die demokratische Parteispitze wird diese Möglichkeit wahrscheinlich nicht einmal in Erwägung ziehen.

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Veröffentlicht von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Büro New York, November 2014.