Am 25. September 2014 organisierte die Rosa-Luxemburg-Stiftung Südostasien (RLS SEA) gemeinsam mit dem Institut für wissenschaftlichen Sozialismus der Ho Chi Minh National Academy of Public Administration (NAPA-IS) den zweiten Teil der Seminartour „Soziale und gewerkschaftliche Strategien in Vietnam“. Der internationale Workshop mit dem Thema „Gewerkschaften und Arbeitnehmer_innen - Deutsche Erfahrungen und vietnamesische Gegenwart“ wurde durch Nadja Charaby (Direktorin RLS SEA), Prof. Dr. Bui Thi Ngoc Lan (Vize Vorsitzende NAPA-IS) und Prof. Dr. Nguyen An Ninh (Wissenschaftler NAPA-IS) eröffnet und moderiert.
Den Auftaktvortrag hielt Prof. emerit. Helga Spindler (Universität Duisburg-Essen) mit dem Thema: „Individuelles Arbeitsrecht, soziale Sicherungssysteme und soziale Mindestsicherung in Deutschland“ Hierbei gab sie einen Überblick über die deutsche Gegenwart und ging auf die Aufgabenverteilung im Staat, zwischen Bundesländern und Kommunen ein. Sie umriss die vorhandenen rechtlichen Grundlagen und erklärte die darauf aufbauenden Gesetze, wie Jugendarbeitsschutzgesetz, Mutterschutz, Mindesturlaub, Arbeitszeitgesetz, Arbeitslosenversicherung, Pflegeversicherung und Unfallversicherung. Abschließend skizzierte Prof. emerit. Spindler die Aufteilung der Sozialleistungen im Bundeshaushalt.
Der zweite Vortrag von Prof. Dr. Vu Quang Tho (Institut für Gewerkschaften und Arbeitnehmer) stand unter dem Thema: „Die Rolle des Staates und der Gewerkschaft für den Schutz der Arbeitnehmer in Vietnam“. Zuerst beleuchtete Prof. Dr. Vu Quang Tho den bisherigen Einfluss der vietnamesischen Gewerkschaften auf die Gesetzgebung. Hierbei hob er besonders Teile der Verfassung, das Arbeitsgesetzbuch, das Gewerkschaftsgesetz und das Versicherungsgesetz hervor. Im zweiten Teil seines Vortrages ging er auf die Rolle der Gewerkschaften für den Schutz der Arbeitnehmer_innen ein um abschließend auf die Probleme und die damit einhergehenden Forderungen aufmerksam zu machen.
In einer Zwischendiskussion nach den ersten beiden Vorträgen wurde auf die verschiedenen Formen von Streiks, die Unterschiede zwischen wilden und gesetzlichen Streiks und die Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede zwischen Deutschland und Vietnam eingegangen.
Im anschließenden Vortrag: „Das deutsche Bildungssystem, mit dem Fokus auf die berufliche Bildung und einen Blick auf berufliche Weiterbildung und Umschulung“ ging Karl Heinz Heinemann (Vorstand der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW) speziell auf das deutsche Ausbildungssystem ein. Hierbei erklärte er die Unterschiede, sowie die Vor- und Nachteile des dualen Systems, des Schulberufssystems und des Übergangssystems und verdeutlichte abschließend die noch immer bestehende Selektivität des deutschen Bildungssystems, dass Kinder aus Elternhäusern mit niedrigem Bildungsstand nach wie vor benachteiligt.
Anknüpfend zu den Ausführungen Heinemanns beschäftigte sich der Vortrag von Frau Trinh Thu Nga (Institut für Sozial und Arbeitswissenschaften) mit dem Thema: „Das Vietnamesische System der Berufsausbildung“. Hierbei erklärte sie einführend den vietnamesischen Rechtsrahmen und skizzierte das System der Berufsausbildung in Vietnam. Abschließend ging sie auf die ländlichen Defizite bei der Berufsausbildung, den erschwerten Zugang für Minoritäten und die mangelnde Ausbildung für Gewerkschafter_innen ein.
In den zweiten Teil des Workshops startete Herr Tran Huy Vi (Direktor der Fachhochschule der Gewerkschaft in Hanoi) mit seinem Vortrag über „Bildungsarbeit in den vietnamesischen Gewerkschaften“. Mit besonderem Fokus auf die Durchführbarkeit in der Praxis stellte er zwei Punkte als besonders wichtig bei der Bildungsarbeit heraus. Zum einen sollen die Fertigkeiten und Kompetenzen der Gewerkschafter_innen und Arbeitnehmer_innen erhöht werden. Zum anderen nannte er die Verbreitung der Rechtskenntnisse innerhalb der Arbeitnehmerschaft und Gewerkschaften als zentralen Punkt in der Bildungsarbeit.
In einer anschließenden Diskussionsrunde wurden die Themenfelder der deutschen Betriebsräte und abermals die Form und besonders die Ursachen von Streiks in Vietnam diskutiert. Den letzten Teil des Workshops bildeten zwei Vorträge mit dem Focus auf Rechte und Arbeitsrealitäten von Frauen. Hierzu startete Mareen Heying (Stipendiatin der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Herausgeberin der feministischen Zeitung WIR Frauen) mit einem Vortrag zu dem Thema: „Arbeitsrealitäten von Frauen in der BRD. Feministische und gewerkschaftliche Forderungen für einen gleichberechtigten Arbeitsmarkt“. Zu diesem Zweck erläuterte Mareen Heying den geschichtlichen Werdegang der frauenpolitischen, feministischen Strömungen in Deutschland. Sie ging auf die momentane Lage auf dem Arbeitsmarkt und erkämpfte Rechte, wie z. B. den Mutterschutz ein.
Passend dazu beschäftigte sich der letzte Vortrag von Dr. Nguyen Thi Ha (NAPA-IS) mit dem Thema: „Arbeitnehmerinnen und Aufgaben der Gewerkschaft in der heutigen Zeit“. Hierbei ging Dr. Nguyen Thi Ha auf die allgemeine Lage der Frauen in Vietnam ein, sie beschrieb folgend die momentane Rechtslage und den Lebensalltag von Frauen in Vietnam. Im zweiten Teil ihres Vortrages beschrieb sie die Rolle der Gewerkschaften bei der Emanzipation der Frau in Vietnam.
In einer letzten Diskussionsrunde wurde über deutsche Gastarbeiterinnen, häusliche Gewalt gegen Frauen und sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz diskutiert. Abgeschlossen wurde der internationale Workshop von Nadja Charaby, Prof. Dr. Bui Thi Ngoc Lan und Prof. Dr. Nguyen An Ninh, die in einer Zusammenfassung den Tag nochmals Revue passieren ließen.
Veranstaltungsbericht von Philip Degenhardt und Nadja Charaby.
Weiterführende Berichte zur Seminarreise stehen weiter unten unter "Downloads" bereit.
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Deutsche Erfahrungen und vietnamesische Gegenwart