Nachricht | Amerikas Fifa fordert Feuerwaffen

SPORT-GROSSEVENTS Im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft rüstet Brasiliens Polizei auf

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In Brasilien laufen derzeit die Vorbereitungen für die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer im Juni und Juli sowie die Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro. Der Real rollt: Für Konzerne sind die beiden sportlichen Großereignisse ein Bombengeschäft.

Die Rede ist nicht nur von Firmen, die am Stadionbau verdienen. Brasilien erwirbt auch jede Menge neue Sicherheitstechnik. Wie in vielen anderen Staaten der Welt wappnen sich die Regierenden gegen potenzielle «Terroristen» und für die «Gefahrenabwehr», wie es offíziell dann häufig heißt. Vor allem aber geht es gegen Demons­trantInnen. Das Land lässt sich nicht lumpen: Für 70 Millionen US-Dollar (rund 50 Millionen Euro) wurde Militärtechnik im Ausland bestellt: Drohnen, ferngesteuerte Roboter mit Kameras und Chemie-Detektoren sowie Panzer zur Boden-Luft-Abwehr. Lieferanten sind die USA und Israel. Die innere Aufrüstung beschert aber auch Firmen aus Deutschland und Österreich glänzende Geschäfte.

Zum Beispiel mit einem Wasserwerfer mit Hochdruckstrahl. Groß und schwarz lackiert, setzt die Staatsmacht das Gerät seit Juni 2013 gegen die Masse der Protestierenden ein. Die Militärpolizei von Rio etwa trieb damit Demonstrierende auseinander. Vom Gefechtssitz oben auf dem Fahrzeug wird der Wasserstrahl auf sein Ziel ausgerichtet. Wen der Strahl trifft, der wird von der Straße gespült. Verletzungen sind nicht ausgeschlossen. Globo Extra, eine Tochter der größten Tageszeitung Brasiliens, berichtete auf dem vorläufigen Höhepunkt der Massendemonstrationen Mitte vergangenen Jahres: «Wer an diesem Samstag im Zentrum der Stadt war, konnte das Fahrzeug sehen, eskortiert von vier Motorrädern, als es in Richtung des Sitzes des Batalhão de Choque im Stadtteil Cidade Nova fuhr.»

Das Blatt verwies in dem Beitrag darauf, dass «die Türken, die in Istanbul auf die Straßen gingen, die Kraft dieses Wasserstrahls sehr gut kennen». Auf dem Foto des Wasserwerfers prangen, deutlich zu erkennen, die Buchstaben «VW» – das Logo von Deutschlands größtem Autobauer. In Deutschland orderte Brasilien zudem 34 gebrauchte Exemplare des Flugabwehrpanzers Gepard 1A2. Die ersten trafen bereits im Mai 2013 ein und wurden erstmals zum Besuch des Papstes auf dem katholischen Weltjugendtag in Rio de Janeiro eingesetzt. «Wir benötigen die Panzer, um bei Großereignissen die Menschen in den Stadien zu schützen», argumentierte der General der Luftwaffe Marcio Roland Heise. Der Gesamtpreis für die von Krauss-Maffei, Blohm + Voss und Siemens gefertigte Panzerflotte soll bei knapp 40 Millionen US-Dollar liegen.

Die Anschaffung der Panzer geht nach einem Bericht der Tageszeitung Folha de São Paulo ausdrücklich auf eine Anforderung des Fußballweltverbands FIFA zurück. Auch der Soziologe und Stadtplaner Professor Carlos Vainer weist darauf hin, dass die bevorstehenden Mega-Events der Militarisierung der öffentlichen Sicherheit neue Impulse verliehen. Zudem gefährde die Einrichtung eines besonderen Sekretariats für Öffentliche Sicherheit von Großveranstaltungen das föderale Prinzip und damit die demokratische Ordnung Brasiliens. «Diese technischen Innovationen im Namen des Fußballs werden dauerhaft antidemokratische und verfassungswidrige Veränderungen hinterlassen», befürchtet Vainer.Diese Sorge teilen offensichtlich auch viele soziale Organisationen und Bürgerbewegungen. Sie warnen seit Jahren vor der Militarisierung des öffentlichen Raums. Angesichts der nun bekannt gewordenen Waffenkäufe durch den Staat wächst ihre Sorge, dass Rio de Janeiro bis zu den Olympischen Spielen 2016 «komplett militarisiert» wird, wie es in einer Analyse des Basiskomitees zu den Olympischen Spielen und der Weltmeisterschaft in Rio de Janeiro heißt. Dazu passen jüngste Meldungen über die vom brasilianischen Verteidigungsminister Celso Amorim am 19. Dezember 2013 unterzeichnete gesetzliche Bestimmung über die «Gewährleistung von Gesetz und Ordnung». Sie bezieht sich explizit auf den Zeitraum vor oder während der sportlichen Großevents. Amorim ist nicht zimperlich: Proteste während der WM können als «terroristische Akte» eingestuft und mit bis zu 30 Jahren Haft bestraft werden.

Bereits Ende Juni 2013 berichteten brasilianische Medien über die Befürchtungen der internationalen Sponsoren, durch die Proteste könnte ihr Markenimage leiden. Brasília reagiert nun offensichtlich mit allen verfügbaren gesetzlichen Mitteln. Im Land des Fußballs kann nicht sein, was nicht sein darf: Protest gegen Fußball und gegen die WM, gegen die Milliardenausgaben des Staates, gegen die Vertreibungen infolge des WM-Baubooms an den zwölf Spielorten. Dennoch: War die Beteiligung an WM-Vorhaben für Unternehmen in der Vergangenheit stets mit einem Imagegewinn verbunden, so steht dies angesichts der latenten Protestwelle in Brasilien in Frage. Die beteiligten Firmen und Konzerne sollten sich ihrer Sache daher nicht zu sicher sein. «Brasilien ist nichts für Anfänger», besagt das Bonmot des brasilianischen Komponisten Tom Jobim.

Dieser Text ist Teil eines Blickpunktes zu sportlichen Großereignissen in der RosaLux 1-2014.