Die Themen Sexarbeit/Prostitutionspolitik und Menschenhandel werden gerade in jüngster Zeit äußerst kontrovers diskutiert – auch innerhalb der gesellschaftlichen und politischen Linken. Politisch aktuell ist das Thema angesichts kommender richtungsweisender Entscheidungen: Das Europäische Parlament berät den Vorschlag, die Bestrafung von Freiern einzuführen. In Deutschland wird im Herbst eine Entscheidung zur Revision des Prostitutionsgesetzes gefällt. Und nicht zuletzt gewann die Debatte eine erneute Medienöffentlichkeit durch die Zeitschrift Emma, die Prostitution mit Sklaverei gleichgesetzt und eine Rücknahme des Prostitutionsgesetzes forderte.
Zwischen der Forderung nach kategorischem Verbot und einer unkritischen Pro-Prostitutions-Haltung liegen viele verschiedene Positionen. Dies wurde nicht zuletzt deutlich durch die Reaktionen auf das im April 2014 von der Rosa-Luxemburg-Stiftung veröffentlichte Standpunkte-Papier «Liberal zu sein reicht nicht aus.. Eine progressive Prostitutionspolitik muss das ‹Hurenstigma› ebenso bekämpfen wie die Kriminalisierung von Sexarbeit» von P.G. Macioti.
Dem Thema in all seiner Differenziertheit einen Raum zu geben, war das Anliegen der thematischen Diskussion des Gesprächskreises «Frauen und Politik» am 3. Juni 2014. Da wir uns bei diesem Thema insbesondere an der Schnittstelle zwischen den Feldern Geschlechterverhältnisse / Feminismus und Migration bewegen, war es naheliegend und sehr lohnend, die Veranstaltung gemeinsam mit dem Gesprächskreis «Migration» zu gestalten.
In der Diskussion nach dem Vortrag der Gastreferentin P.G. Macioti kristallisierte sich sehr schnell heraus, dass sich die Debatte um Sexarbeit und Prostitutionspolitik im Spannungsfeld verschiedener sich überlagernder Herrschaft- und Ungleichheitsverhältnisse bewegt – von Rassismus und Migration, von Sexismus und Ausbeutung, von kapitalistisch strukturierter Erwerbsarbeit, von queer-feministischer Kritik.
Diese Macht- und Hierarchieverhältnisse sichtbar zu machen und politisch zu skandalisieren, so ein Ergebnis der Diskussion, ist eine der herausragenden Aufgaben aus einer linken feministischen Perspektive. Dabei ist es zentral, die Akteurinnen, also die Sexarbeiterinnen, die Prostituierten selbst als handelnde Subjekte zu sehen – in all ihrer Differenziertheit, in ihrem unterschiedlichen Lebenslagen und Selbstverständnissen. Ihnen so einen Raum und eine Stimme zu geben, heißt also immer auch zu fragen: Wer spricht hier und aus welcher Perspektive. Und nicht zuletzt: Welche (zentrale) Bedeutung haben Vorurteile, hat das Stigma „die Hure“, und wie halten wir, die Sprechenden, selbst es – im Sinne einer Selbstreflexion – mit dem alles beherrschenden öffentlichen Stigma «der Hure».
Um mehr Raum für eine weitergehende öffentliche Debatte zum Thema zu schaffen, hat die rls einen moderierten Blog aufgesetzt. Zum Redaktionsteam gehören Dr. Eva Schäfer, Referentin für Geschlechterverhältnisse; Koray Yılmaz-Günay, Referent für Migration; Katharina Pühl, Referentin für feministische Gesellschafts- und Kapitalismusanalyse; Laura Bremert, Praktikantin Referat feministische Gesellschafts-und Kapitalismusanalyse; Lukas Fuchs, Mitarbeit im Bereich Migration der Politischen Akademie der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Koordinatorin des GK «Frauen und Politik»: Eva Schäfer