Nachricht | Parteien- / Bewegungsgeschichte - GK Geschichte Heider: Vögeln ist schön. Die Sexrevolte von 1968 und was von ihr bleibt, Berlin 2014

Buch über Sexdiskurse seit 1968

Ulrike Heider schreibt als eine Protagonistin der »Sexrevolte« rund um 1968, die betont, dass das lustvolle Reden über Sex in der Adenauer-Zeit einer Befreiung gleichkam. Von diesem Ausgangspunkt geht sie diversen Diskursen über Sexualität bis in die heutige Zeit nach. So behandelt sie die Kommunebewegung, die neue Frauenbewegung, die schwulen Aufbrüche und die ab den 1980er Jahren um sich greifenden Versuche, mittels Gewaltapologie in der Begegnung der Geschlechter und SM-Praktiken ein »verschärftes Leben« auf den Plan zu rufen. Ihre Position ist dabei unterlegt von einem kulturrevolutionären Optimismus und der Annahme einer prinzipiell möglichen lustvollen Begegnung der Geschlechter.
Schmerz, Tod und Teufel, ein ins vorgeblich Lustvolle gewendeter katholischer Umgang mit Sexualität, der bei George Bataille und seinen Freunden anzutreffen ist, verfällt ihrer Kritik. Dabei geht die 67jährige Publizistin durchaus sympathisierend auch queerfeministischen Theorien nach, würdigt ihre libertäre Offenheit, nicht ohne die zuweilen bloß performative und wenig lebensweltlich praktikable wie sozial umwälzende Praxis zu kritisieren. Ihr Buch bietet eine kritische Bestandsaufnahme und geht auch auf die hysterische Moralpolitik der neuesten Sexdiskurse ein, in denen hauptsächlich »Bedrohung« konstruiert wird, um »Unschuld« in einer sexistisch geprägten totalen Marktökonomie heuchlerisch reklamieren und schützen zu können.

Gerhard Hanloser

Ulrike Heider: Vögeln ist schön. Die Sexrevolte von 1968 und was von ihr bleibt. Rotbuch Verlag, Berlin 2014. 288 Seiten, 14,95 EUR

Diese Kurzrezension erschien zuerst in ak - analyse & kritik, der Zeitung für linke Debatte und Praxis, Ausgabe 595 vom 17.6.2014.