Griechenland befindet sich seit Beginn der Weltwirtschaftskrise 2008 in einer anhaltenden Rezession. Seit Mai 2010 bestimmen die Sanierungsprogramme der „Troika“ (EU-Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds) die Sozial-, Finanz- und Wirtschaftspolitik des Landes. Die Sparpolitik verschärft die ohnehin fatale ökonomische und soziale Lage: Massive Zunahme der Erwerbslosigkeit, Landflucht und Emigration, Einschränkung der Gesundheitsversorgung, Armut und Prekarisierung. Teile der griechischen Gesellschaft befinden sich heute in einem Zustand der Paralyse; die in den letzten Jahren sprunghaft gestiegene Selbstmordrate ist ein Ausdruck hiervon, ebenso das Erstarken faschistischer Bewegungen, die vor allem gegen Einwanderer_innen mit illegalisiertem und prekärem Aufenthaltsstatus vorgehen.
Im Schatten der Krise entstehen aber auch neue Selbsthilfe-Netzwerke von unten, in denen solidarische Alternativen der ökonomischen Verteilung wie der gesellschaftlichen Teilhabe praktiziert und erprobt werden. Formen der direkten Demokratie, der Selbstorganisation und der Selbsthilfe werden so auf lokaler Ebene entwickelt und konkret erfahrbar. Die von der Krise betroffenen Menschen nehmen ihre soziale und ökonomische Versorgung zunehmend in die eigenen Hände. Dabei geht es zunächst um die Verteidigung elementarer gesellschaftlicher Reproduktionsmöglichkeiten (Ernährung, Wohnraum, medizinische Versorgung) aber auch um die Suche nach Alternativen, zu einer auf Konkurrenz, Gewinn und Ausgrenzung orientierten Wirtschaftsweise. Mit der Koalition der Radikalen Linken (Syriza) ist zudem ein relevanter parlamentarischer Akteur entstanden, der die vielfältigen Formen selbstorganisierter Arbeits- und Lebensweisen politisch unterstützt und befördert.
Auf unserer Reise wollen wir mehr über die Entstehungsprozesse und das Potential von solidarischer Ökonomie und politischer Selbstorganisierung in Griechenland erfahren. Wir wollen vor Ort in Athen (und Umgebung) Projekte besuchen, kennenlernen, nachfragen und lernen. Welche konkreten Herausforderungen bestehen? Was lässt sich aus den bislang gemachten Erfahrungen schließen? Entsteht aus den diversen, sich konstituierenden Initiativen, Netzwerken und Organisationen eine gesellschaftlich und ökonomisch verallgemeinerungsfähige Bewegung? Wie gestaltet sich das (Spannungs-) Verhältnis von Partei (Syriza) und sozialen Bewegungen? Diese und andere Fragen wollen wir während unserer Reise mit Aktiven aus unterschiedlichen Initiativen und Zentren besprechen, ebenso mit Vertreter_innen von Syriza, den Gewerkschaften, sowie engagierten Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler_innen.
Die Reise ist als Bildungsurlaub in Niedersachsen und Hamburg anerkannt. Der Teilnahmebeitrag beträgt 450 Euro. Er beinhaltet die Hotelunterkunft im Doppelzimmer (Einzelzimmer mit Aufschlag), Reiseleitung und vor Ort anfallende Transfers und Übersetzung. Die An- und Abreise zum/vom Veranstaltungsort ist selbst zu organisieren. Gefördert durch die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg.