Nachricht | Parteien- / Bewegungsgeschichte - Deutsche / Europäische Geschichte Streiks für Frieden und Brot

Hunderttausende ArbeiterInnen protestierten zwischen 1914 und 1918 gegen den Krieg / Konferenz in Berlin ging spontanem und organisiertem Widerstand nach

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Kontrapunkte kritischer Geschichtsaufarbeitung setzte im Mai die Berliner Landesstiftung «Helle Panke» mit der Konferenz «Erster Weltkrieg, Urkatastrophe und Widerstand». Denn der konservative Zeitgeist, zumal in der sich zu Normalität und Machtanspruch bekennenden Berliner Republik, zeigt Wirkung.

Erfolgreich werden die Erkenntnisse von Fritz Fischer wie von marxistischen, auch DDR-Historikern, beiseite gewischt. Warum soll man noch über sozioökonomische Ursachen des Krieges, seinen imperialistischen Charakter, gar eine besondere Schuld Deutschlands nachdenken? Genau dafür aber brach Stefan Bollinger in seinem Einleitungsreferat eine Lanze.

Das größte Phänomen aber ist – für Linke desillusionierend – das Versagen der Arbeiterbewegung. Das Versagen in der Kriegsfrage und die Spaltung zwischen staatstragenden reformistisch-revisionistischen und AntikriegsaktivistInnen, letztlich oft revolutionären Kräften, war die Folge. Dabei war dieses Umfallen ein Prozess, der in Parlamentsfraktionen und Vorständen begann – lange vor 1914. Es begann mit dem Hinwenden von Linken zu einer staatstragenden und -gestaltenden Rolle, auch in der Landesverteidigung.

Aber linke Arbeiter protestierten im Juli 1914 zu Hunderttausenden. Bei aller Desorientierung durch die Politik ihrer Führer standen viele Organisierte und Unorganisierte gegen den Krieg. Die Konferenz brach das weitgehende Schweigen über den spontanen und noch mehr den organisierten Widerstand gegen den Krieg in der Heimat wie in den Armeen. Der war für organisierte ArbeiterInnen oft schwierig, wie Gisela Notze herausarbeitete. Oft standen sie genau in diesem Konflikt zwischen der vaterlandsverteidigenden SPD und einem vielfach spontanen Widerstand. An Hand der politischen Biografien etwa von Marie Juchacz, Luise Zietz oder Martha Arendsee mit ihren späteren Präferenzen für SPD, USPD und KPD, wurde dies plastisch.

Axel Weipert berichtete über vielfältige Formen spontanen, zunehmend aber auch organsierten Widerstandes in Berlin. Es gab große Streiks in den Jahren 1916 und 1917 sowie im Januar 1918 für Frieden und Brot. Diese Auseinandersetzungen kulminierten im Januarstreik 1918, den Revolutionäre Obleute und Spartakus organsierten, obwohl ihre Köpfe Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Clara Zetkin inhaftiert waren. Ähnliche Ausstände erschütterten gleichzeitig Österreich-Ungarn.

Simon Loidl aus Wien erinnerte an den Matrosenaufstand von Cattaro, der isoliert blieb und blutig niedergeschlagen wurde. Heute ist er aus dem politischen Gedächtnis gestrichen. Michael Pesek öffnete den Blick über den europäischen Horizont nach Afrika, das zum Kriegsschauplatz, aber auch zum Rekrutierungsort und Rohstofflieferanten gemacht wurde. Das provozierte spontanen Widerstand gegen den Krieg der Kolonialherren. Ralf Hoffrogge spann schließlich den Bogen von den Streikaktionen über die hier besonders wirksamen Revolutionären Obleute jenseits der linken Parteien hin zu dem großen Umbruch gegen den Krieg, für eine vielleicht auch sozialistische Republik im November 1918.

Mehr zur Debatte um den Ersten Weltkrieg findet sich im Titelthema «Nachhall der Geschichte» der Ausgabe 1-2014 des Stiftungsjournals RosaLux

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