Nachricht | Spilker: Eine deutsche Stadt im Ersten Weltkrieg. Osnabrück 1914-1918, Bramsche 2014

"zeigt als Lokalstudie anschaulich die vielen Ausprägungen des Krieges" ... "vorrangig die Kriegsjahre an der ´Heimatfront´“.

Information

Der hier anzuzeigende Band ist der Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung im Museum Industriekultur in Osnabrück. Die Ausstellung steht beispielhaft für das Geschehen 1914 bis 1918 in vielen Städten des deutschen Reiches – und zeigt vorrangig die Kriegsjahre an der „Heimatfront“.

Fotografien zeigen die Begeisterung zu Beginn des Krieges, aber auch, wie wenig später Verwundete und Kriegsversehrte im Alltag nicht zu übersehen sind. Die massenhaft im Stadtbild auftauchenden Plakate, die für Sammlungen jedweder Art werben, sind nur ein Bestandteil der straffen Organisation und Mobilisierung der Heimat(front). Anfänglich begeisterte Kriegsfreiwillige teilen ihre Erlebnisse in Briefen und Tagebüchern mit.

Osnabrück hat ungefähr 80.000 EinwohnerInnen, am Ende des Krieges sind 2.200 Kriegstote und 3.200 sogenannte Kriegsversehrte zu konstatieren. Von den Kriegstoten wiederum sind circa 180, also weniger als 10 Prozent, Kriegsfreiwillige – mehr als zwei Drittel der Kriegstoten, so das Buch, kommen hingegen aus der Unter- und Arbeiterschicht.

Neben den durch Bild- und andere Ego-Dokumente belegten und illustrierten Aspekten des Krieges ist die materielle Seite des Krieges das zweite, große Thema. Auch in der niedersächsischen Provinz ermöglicht die industrielle Produktion das industrialisierte Töten an den Fronten. Der Krieg benötigt menschliches und stoffliches Material und dieses wird bereitgestellt, umgeformt, transportiert und schlussendlich vernutzt.

Nicht nur in den Familien der eingezogenen Soldaten, denen der Ernährer fehlt, macht sich Mangel breit, der durch den Einsatz von Kriegsgefangenen nur teilweise ausgeglichen werden kann. Protest gibt es kaum. Zu Beginn des Krieges übernehmen die Befehlshaber der reichsweit 24 Armeekorpsbezirke die Exekutivgewalt, Deutschland ist de facto eine Militärdiktatur. Die SPD hat in Osnabrück immerhin 1100 Mitglieder, im Januar 1912 aber vergleichsweise wenig Stimmen erzielt (4700). Sie folgt der Linie der Reichsebene der Partei, die Gewerkschaften sind eh eingebunden. Die lokale SPD-Zeitung hat 3.300 Auflage, nur ein Achtel der beiden anderen, bürgerlichen Tageszeitungen, die in Osnabrück erscheinen.

Der Begleitband ist in drei Abschnitte gegliedert: Einem langen, einleitenden Beitrag von Museumschef Spilker (S. 14 – 77) folgen noch insgesamt 15 Artikel. Den Schluss bildet ein Katalog, der die mehrere hundert (!!) Exponate der Ausstellung beschreibt. Der Band zeigt als Lokalstudie anschaulich die vielen Ausprägungen des Krieges – und lädt dazu ein, darüber nachzudenken, was denn nun zwischen 1914 und 1918 kapitalistisch-patriarchale „Normalität“ und was (kriegsbedingter) „Ausnahmezustand“ ist.

Rolf Spilker (hrsg.): Eine deutsche Stadt im Ersten Weltkrieg. Osnabrück 1914-1918, Rasch Verlag, Bramsche 2014, 324 Seiten, 26 EUR, ISBN 978-3-89946-225-8

Hinweise: Die aktuelle Ausstellung (mehr) ist noch bis 28. September 2014 geöffnet. 1998 fand in Osnabrück die Ausstellung “Der Tod als Maschinist. Der industrialisierte Krieg 1914 – 1918“ statt, zu der seinerzeit ebenfalls ein Begleitband (24 EUR, Rasch Verlag, Bramsche 1998) erschienen ist.