Der Ressourcenhunger des globalen Kapitalismus scheint kaum zu stillen. Den Diskussionen um nachhaltige Entwicklung und Grüner Wirtschaft zum Trotz, kommt es noch nicht einmal zu bemerkenswerten Korrekturen. Im Gegenteil sucht sich das Kapital immer neue Produktionsstätten weltweit, um den Hunger der konsumorientierten Kund_innen des globalen Nordens zu befriedigen.
Diese Tendenz trifft auf einen dynamischen Prozess politischer Öffnung in Myanmar. Das Land war nach Niederschlagung der Demokratiebewegung 1988 international durch eine rücksichtslose Militärregierung isoliert. Der Wunsch nach Demokratie manifestierte sich vor allem in der Person der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Seit vier Jahren gibt es eine durch die Regierung gelenkte politische Öffnung. Die Erwartungen der Bevölkerung, dass durch diese Transformation all die Probleme des Landes in kürzester Zeit zu beheben wären, sind hoch. Die rasanten wirtschaftlichen Entwicklungen anderer asiatischer Staaten gelten weitest gehend als erstrebenswertes Vorbild.
Seit Jahren, nun aber besonders stark, gibt es Interessen an den enormen Ressourcen des Landes, das schätzungsweise 70 Millionen EinwohnerInnen hat und fast doppelt so groß wie Deutschland ist. Neben Öl und Gas gehören Mineralien und Holz zu üppig vorhandenen Rohstoffen. Daneben bildet der Opiumanbau eine wichtige informelle wirtschaftliche Basis. Das Südostasienbüro der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisierte gemeinsam mit dem myanmaresischen Local Resource Center im Mai 2014 eine Tagung in der Handelsmetropole Yangon und einen Workshop in der ehemaligen Königsstadt Mandalay, an denen 80 und 60 Vertreter_innen von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Hochschulen und diversen politischen Parteien teilnahmen.
„Rethinking Transformation - Comparative Perspectives from the Global South“ war insbesondere ein Süd-Süd-Dialog mit Vorträgen, neben Myanmar selbst, zu den Entwicklungen in Lateinamerika, China, Kambodscha, den Philippinen und Thailand. Deutlich wurde: Die politische Öffnung ist so schwierig wie spannend, die Gefahren des rücksichtslosen Ressourcen-Extraktivismus liegen auf der Hand. Deutlich wurden die enormen Wirtschaftsinteressen, die in Myanmar selbst und vor allem international bestehen. Chinesische Bergbauunternehmen sind schon seit einigen Jahren präsent, es wurde eine Gaspipeline vom indischen Ozean nach China gebaut, eine Ölpipeline ist geplant. Derzeit werden mit chinesischem, japanischem und US-amerikanischem Kapital drei Tiefseehäfen gebaut. 80 Prozent der myanmaresischen Küstenabschnitte wurden bereits an ausländische Investoren verkauft. Die Erfahrungen auf den Philippinen machen deutlich, dass eine einseitige Exportorientierung rasch an die Grenzen kommt, die Arbeitsplätze in der Textilindustrie dort sind etwa von einer Million auf 100.000 zurückgegangen, Bergbauprojekte nehmen zu.
In Kambodscha, dem Hotspot der Textilindustrie, werden enorme Ländereien von einer korrupten Regierung an internationale Investoren geradezu verscherbelt, während der Großteil der Bevölkerung auch 30 Jahre nach dem Ende des Schreckensregimes der Pol Pot-Regierung in bitterer Armut lebt. Doch auch hier wuchs unlängst der Frust der Bevölkerung über fehlende politische Mitspracherechte und ausbeuterische Arbeitsbedingungen an, so dass das verarmte Königreich der Khmer seit den letzten Wahlen im August 2013 in einer tiefen politischen Systemkrise versinkt.
Auf großes Interesse stießen die jüngsten Entwicklungen in Lateinamerika: Die anti-neoliberalen Kämpfe, die Rolle sozialer Bewegungen und der progressiven Regierungen, die intensiven Diskussionen um das ressourcen-extraktivistische Entwicklungsmodell. Das ist für ein Land wie Myanmar wichtig: Nach Jahren autoritärer Herrschaft gewinnt die Mitwirkung bislang unterdrückter zivilgesellschaftlicher Organisationen erst langsam an Konturen. Doch die omnipräsente Korruption der staatlichen Strukturen hemmt weiterhin drängende emanzipatorische Momente der Transformation. Recht klassische Vorstellungen von Entwicklungen, nämlich jene an Auslandsinvestitionen und wirtschaftlichem Wachstum orientierte, sind weiterhin stark - auch bei vielen NGOs, die sich durchaus Beteiligung, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit auf die Fahnen schreiben. Ein Teilnehmer meinte, dass solche Räume zur inhaltlichen und politisch-strategischen Debatte in Myanmar weitgehend fehlten.
Unter anderem wurde das Buch „Beyond Development“ der Arbeitsgruppe zu „Alternativen zu Entwicklung“ vorgestellt, die vom Auslandsbüro Andenregion der Stiftung in Quito/Ekuador organisiert wurde. Es rief reges Interesse bei den Teilnehmenden hervor. Gerade die Entwicklungen in Lateinamerika stellen die politisch wichtigen Fragen: Was sind demokratische Formen erwünschter gesellschaftlicher Gestaltung und sozial-ökologischer Transformation? Was sind auf internationaler Ebene Kooperationsformen gegen einen „Ressourcen-Kapitalismus“, in dessen Kontext wirtschaftliche Interessen immer rücksichtsloser durchgesetzt werden?
Kritische Diskurse über alternative Ansätze zum neoliberalen Entwicklungsmodell der vergangen Jahrzehnte stoßen in Myanmar auf ein großes Interesse. Unglücklicherweise wird dieses nur von wenigen Akteur_innen bedient. Häufig finden politische Veranstaltungen nur in Yangon oder der Hauptstadt Naypidaw statt – fernab der Menschen, die von den verteilten Abbaukonzessionen und Megaprojekten betroffen sind und deren Lebensgrundlage dadurch ultimativ gefährdet ist. Als Stiftung, die sich insbesondere einem kritischen Diskurs herrschender Entwicklungsmodelle und den emanzipatorischen Strategien einer solidarischen und sozial-ökologischen Gesellschaft verpflichtet sieht, kann die Stiftung in Myanmar einen bemerkenswerten Beitrag leisten, um den Interessen der einfachen Bevölkerung Gehör zu verschaffen. In den kommenden Jahren wird die Auseinandersetzung mit Fragestellungen sozial-ökologischer Transformation einen Schwerpunkt der Arbeit in Südostasien bilden.
Die Debatte um Alternativen zu globalem Wirtschaftswachstum und grenzenloser Ressourcenausbeutung steht im Mittelpunkt der kommenden Ausgabe 2-2014 des Stiftungsjournals RosaLux. Das Heft mit dem Titel «Nach dem Wachstum» erscheint am 1. August. |
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