Der Arbeiterwiderstand gegen das NS-Regime war vergleichsweise umfangreich, er wies erhebliche Kontinuität auf und hatte die größten Verluste zu beklagen. Trotzdem dominiert in der Öffentlichkeit die Annahme, es habe neben den „Männern des 20. Juli“, den Kirchen und der „Weißen Rose“ kaum Widerstand gegeben. Neue Forschungen zeigen, dass die nachwievor geringe Kenntnis über die zahlreichen Facetten des Arbeiterwiderstandes nicht einem Mangel an Quellen geschuldet ist.
Die Tagung möchte einen Beitrag leisten, das Gedenken an die Widerständler – die sich als Handelnde und weniger als „Opfer“ eines nicht zu beeinflussenden Gangs der Geschichte begriffen – stärker in die sich ändernde Erinnerungskultur zu integrieren. Diese „neue“ Erinnerungskultur kann – jenseits von Schwarz-Weiß-Denken, Verdrängungstendenzen oder Heldenverehrung – eigenständige Deutungen durch das Nachdenken über die Komplexität historischer Abläufe anregen und Schlüsse für heutiges Handeln entwickeln. Geschichtsbewusstsein benötigt das Wissen um das Geschehene, und den vergleichenden Blick auf das heute: Ob da etwas ähnlich ist? Unter Einbeziehung von Studien jüngerer Autoren/innen zum Widerstand gegen das NS-Regime aus den Reihen der Arbeiterbewegung soll erörtert werden, was die Geschehnisse der Vergangenheit – „Gleichschaltung“, Politik zwischen Anpassung und Widerstand, Entscheidungen Einzelner für oder gegen widerständiges Handeln – für die Gegenwart bedeuten.
Gerade weil die Zeitzeugen größtenteils verstorben sind, fordern die historischen Ereignisse besonders Menschen, denen es um Geschichtsvermittlung in Schulen, Gedenkstätten, Vereinen oder Gewerkschaften geht, dazu auf, danach zu fragen, was für Schlüsse aus den Erfahrungen zu ziehen sind, z.B. im Hinblick auf Handlungsmöglichkeiten in Krisen, Gegenstrategien gegen Rassismus und Neonazismus sowie beim Umgang mit Menschen- und Bürgerrechten. Ein „neues Geschichtsbewusstsein“ sollte individuelle Alltagsentscheidungsmöglichkeiten im NS-Regime bzw. die Spielräume für eigenverantwortliches Handeln vermitteln.
Wir wollen der Frage nachgehen, inwieweit sich im Hinblick auf widerständiges Handeln aus der Arbeiterschaft Bezüge zu Themen eröffnen, die im öffentlichen Diskurs eine Rolle spielen. Wie wirkt sich die heutige „Medienfixiertheit“ auf die Vermittlung neuer Forschungsergebnisse und auf Geschichtsbewusstsein aus? Wie gelangen neue Erkenntnisse zu Multiplikatoren in Schulen und Jugendarbeit und wie können sich schulische und außerschulische Akteure stärker vernetzen?
Woran liegt es, dass in Schulen der Arbeiterwiderstand im Gegensatz zum bürgerlichen und militärischen selten thematisiert wird? Und dies, obwohl Menschen aus unterschiedlichen Strömungen der Arbeiterbewegung die ersten waren, die aktiv Widerstand gegen das NS-Regime leisteten.
Die Verantwortung bei der Förderung von Geschichtsbewusstsein liegt darin, „Wahrheit“ als Perspektivenvielfalt zu repräsentieren – ohne in Relativismus zu verfallen. Dies erzwingt – gerade unter dem Gesichtspunkt der Einbeziehung von Migranten/innen – Überlegungen zum Umgang mit „Normalisierungstendenzen“.
Eine Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung / Helle Panke in Kooperation mit der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) und der Stiftung „Haus der Demokratie und Menschenrechte“.
Vollständiges Programm unter folgendem Link.