Nachricht | Kultur / Medien - International / Transnational - Israel Von Dresden nach Tel Aviv – Lea Grundig, 1933 – 1948

Symposium und Ausstellungseröffnung am 11. September 2014 in Tel Aviv

Das Israel-Büro der Rosa Luxemburg Stiftung ist bestrebt, politische Themen auch mit Hilfe von Kunst und Kultur zu reflektieren. Das künstlerische Schaffen und politische Wirken der Malerin und Grafikerin Lea Grundig, die 1940 in Palästina Zuflucht vor den Nazi-Schergen fand, sind heute in Israel nur noch wenigen bekannt. Ziel des Grundig-Events war es daher, einer interessierten Öffentlichkeit erneut die Künstlerin nahe zu bringen und gleichzeitig ihr Schaffen zu nutzen, um die Rolle der Kunst als Mittel politischen Protestes zu erörtern.

Lea Grundig (1906 – 1977) wurde als Lea Langer in Dresden in einer wohlsituierten jüdischen Familie geboren. Wie sie in ihrer Autobiographie „Gesichte und Geschichte“ beschreibt, brauchte sie schon als Kind „Bild und Zeichnung wie tägliches Brot“.  Mit 16 Jahren nahm sie eine Ausbildung an der Dresdner Kunstgewerbeakademie auf. Zwei Jahre später wurde sie zum Studium an der Akademie der Bildenden Künste ihrer Heimatstadt zugelassen. Hier begegnete sie ihrem späteren Ehepartner Hans Grundig – Maler und Grafiker wie sie. Beide betätigten sich aktiv in der kommunistischen Bewegung und wurden 1938 von der Gestapo verhaftet. Während Lea 1939 entlassen wurde und nach Palästina ausreisen konnte, blieb Hans im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert.

Grundig gelangte mit dem Flüchtlingsschiff „Pacifique“ an die Küste Palästinas. Als die britischen Mandatsbehörden die Einwanderung verweigerten, wurde sie wie andere Zuflucht Suchende auf die „Patria“ umquartiert, um nach Mauritius abgeschoben zu werden. Die jüdische Untergrundorganisation Haganah sprengte das Schiff und Lea konnte mit mehreren Hundert Schiffbrüchigen an Land gehen. Fast ein Jahr blieb sie im britischen Militärlager Atlit bei Haifa interniert.

Acht Jahre lebte und arbeitete Lea Grundig in Palästina. 1942/43 entstand hier einer ihrer bekanntesten Grafikzyklen - „Im Tal des Todes“ (erstmals gedruckt 1944 in Palästina, nachgedruckt 1947 in Ostberlin). Neben ihrem künstlerischen Schaffen setzte sich Grundig mit aktuellen politischen Entwicklungen im Lande auseinander. Sie wurde Mitglied der Kommunistischen Partei Palästinas und schuf für deren Tageszeitung Kol Haam Karikaturen und Zeichnungen. Daneben entstanden Werke, die durch die faszinierende Landschaft Palästinas oder das Kibbuzleben inspiriert worden waren.

1948 kehrte Lea Grundig über Prag nach Ostdeutschland zurück, um in Dresden mit ihrem Ehemann Hans, der Konzentrationslager und Strafbataillon überlebt hatte, wieder vereint zu sein. In der DDR gehörte sie bald zu den bekanntesten Künstlerinnen. Als erste Frau erhielt sie eine Professur an der Dresdner Hochschule für Bildende Künste. 1964 wählte der Verband Bildender Künstler der DDR sie zu seiner Präsidentin.

Lea Grundig gehörte zu der bedeutsamen Gruppe antifaschistischer deutscher Künstler, die kreatives Schöpfertum und aktive Teilnahme am politischen und künstlerischen Leben stets als Einheit verstanden. Das Tel Aviver Symposium und die Ausstellung gaben umfassend Auskunft über Grundigs Persönlichkeit; sie regten dazu an, der Verbindung verschiedener - nicht selten widersprüchlicher – Aspekte im Leben, Denken und Schaffen der Dresdner Künstlerin nachzugehen.

Symposium

Das eintägige Symposium im Igal-Presler-Museum in Süd-Tel Aviv trug den Titel „Never Passive! Lea Grundig in Palestine, 1940 – 1948“. Der Begrüßung durch die Leiterin des RLS Israel-Büros, Angelika Timm, und durch den renommierten israelischen Künstler und Designer, David Tartakower, folgten zwei Panels zur Person bzw. zum politischen und historischen Kontext im Schaffens Lea Grundigs.

Im ersten Panel, „History and Vision“ (Gesichte und Geschichte), spürten der Kunsthistoriker und Kurator Eckhardt Gillen (Berlin), die an der Universität Tel Aviv als Research Fellow tätige Wissenschaftlerin Grit Schorch und der Kunsthistoriker Oliver Sukrow (München), Träger des von der Rosa-Luxemburg-Stiftung verliehenen Hans- und Lea-Grundig-Preises 2012, den historischen und politischen Bezügen im Wirken Grundigs in Palästina wie in der DDR nach. Schorch zog z. B. interessante Parallelen zu anderen jüdischen Palästina-Emigranten, die nach dem Zweiten Weltkrieg in den Osten Deutschlands zurückkehrten. Gillen stellte das Verhältnis von jüdischer Identität und Kulturpolitik in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Sukrow betonte u. a., dass Lea Grundig, trotz des gespannten Verhältnisses der DDR zu Israel, enge Kontakte zu israelischen Freunden aus der Zeit des Exils aufrechthielt. Beleg dafür sei der umfangreiche Briefwechsel mit Miriam Novitch, der Gründerin und ersten Kuratorin des Ghetto Fighters House in Nordisrael.

Das zweite Panel war unmittelbar auf Grundigs Wirken in Palästina und auf Zeitzeugenberichte fokussiert. Gideon Ofrat, der Kurator der aktuellen Grundig-Ausstellung im Igal-Presler-Museum, zeichnete ein Bild der Kunstszene im Palästina der britischen Mandatszeit und stellte die Frage, wie sich die Künstlerin vor Ort integrierte und inwieweit sie Anerkennung fand. Abed Abdi, ehemaliger Exzellenz-Schüler Grundigs in Dresden, und Maria Heiner, langjährige Freundin der Künstlerin, berichteten facettenreich über ihre persönlichen Erfahrungen mit der Malerin. Einen besonderen Höhepunkt stellte Maria Heiners Power Point Präsentation über Kinder- und Jugendbüchern dar, die in hebräischer Sprache in Palästina erschienen und von Lea Grundig illustriert worden waren.

Beide Panels stießen auf große Empathie. Zu den annähernd 80 Teilnehmern gehörten Kunstwissenschaftler, Historiker und Journalisten sowie viele kunstinteressierte Israelis, die sich nicht zuletzt für die Fragen interessierten, warum Grundig unmittelbar nach Gründung des Staates Israel dennoch die „jüdische Heimstätte“ verließ und nach Dresden, damals Sowjetische Besatzungszone, zurückkehrte bzw. welche Rolle sie später im politischen System der DDR spielte. Verwiesen wurde auf den „Nachwende-Streit“, inwieweit die Künstlerin als „staatstragend“ bezeichnet werden könne. Achtbare Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler setzten dem entgegen, dass sich die Künstlerin „gegen das stalinistische Kulturdiktat wehrte“ und ihrer Realismusauffassung folgte.

Ausstellung

Das Vorhaben, in Israel nach 66 Jahren erneut eine Lea-Grundig-Ausstellung zu veranstalten, wurde möglich durch die enge Zusammenarbeit mit dem Galleristen Igal Presler, in dessen Besitz sich z. Zt. 102 Arbeiten Grundigs befinden. Weitere Exponate konnten als Leihgaben des Ghetto Fighters House und privater Sammler hinzugefügt werden. Auf viel Interesse stieß eine Buchausstellung, die nicht nur von Lea Grundig illustrierte Bücher, vor allem Kinder- und Jugendliteratur, sondern auch Publikationen über die Grafikerin enthielt. Als Kurator der Ausstellung konnte Gideon Ofrat, anerkannter Spezialist für jüdische und israelische Kunst, gewonnen werden.

Zur Eröffnung der Ausstellung sprachen Thomas Flierl, von 2002 bis 2006 Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur in Berlin, Museumsdirektor Igal Presler, Kurator Gideon Ofrat und die Leiterin des Israel-Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Angelika Timm. Die mehr als 150 Gäste zeigten sich lebhaft interessiert an den Zeichnungen und Grafiken Lea Grundigs, jedoch auch am anspruchsvollen zweisprachigen (Hebräisch/Deutsch) Ausstellungskatalog, der jedem Besucher kostenlos überreicht wurde.

Medienecho

Ausstellung und Symposium fanden ein breites Medienecho. Längere Beiträge, die sich mit Lea Grundigs Leben und Schaffen in Palästina und in der DDR befassten, erschienen auf Hebräisch u. a. in der Tageszeitung Haaretz und in der Wochenzeitung Zo Haderekh sowie auf Englisch im Journal Jerusalem Report (http://www.rosalux.co.il/files/uploaded/SAP20102014-JERUSALEM-REPORT-LEA-GRUNDIG.pdf). Darüber hinaus gab es in größerem Umfang Reaktionen in sozialen Medien; beispielsweise präsentierte das Archiv des Kibbuz Givat Chajim, in dem Lea Grundig mehrere Monate gelebt hatte, auf seiner Website und über Facebook Dokumente aus dem Leben der Künstlerin.