Nachricht | Parteien- / Bewegungsgeschichte - GK Geschichte Langer: Antifaschistische Aktion. Geschichte einer linksradikalen Bewegung, Münster 2014

An das Buch von Langer, der seit über 30 Jahren und bis heute in der autonomen Antifa aktiv ist (...), lassen sich viele Fragen stellen.

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Das Buch des 1960 geborenen Langer gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil schildert er die Entwicklung bis 1945, im letzten Drittel vor allem die autonome Antifa der 1980er-Jahre bis zur Gegenwart.

Im ersten Teil wird die Ereignis- und Organisationsgeschichte des deutschen Kommunismus und einiger seiner Organisationen referiert: KPD, Einheitsfront, Volksfront, Sozialfaschismusthese. 1932 wurde schließlich die Antifaschistische Aktion als kommunistische Gegengründung zur Eisernen Front gegründet. Viel Raum nimmt in diesen Abschnitten die Darstellung des Aufstiegs und der Etablierung des Nationalsozialismus ein (Altonaer Blutsonntag, Preußenschlag, Röhm-Putsch), auf den die kommunistische Bewegung im Grunde keine Antwort wusste und sich, wie Langer schreibt, auch nicht auf die Illegalität vorbereitete. Kampfmaßnahmen, etwas Streiks, anlässlich der Machtübertragung blieben völlig aus.

Nach einem Schnelldurchgang durch die (primär westdeutsche) Nachkriegsgeschichte schildert Langer die Organisierung und die politische Arbeit militanter AntifaschistInnen, vor allem in Norddeutschland. Diese stellten ihr politisches Auftreten seinerzeit unter einen „antiimperialistischen Ansatz“, der Nazis als eine extreme Ausprägung des herrschenden Systems ansah – und bekämpfte. 1988, so Langer, als Antifaschismus in der breiteren, radikalen Linken noch überhaupt kein bekannteres Thema war, sei die norddeutsche Antifa-Organisierung schon in der Krise gewesen. 1991 wurde dann in Göttingen ein „Organisierungspapier“ publiziert und im Sommer 1992 die „Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation“ gegründet. Diese brach mit den Glaubenssätzen „autonomer Politik“, indem sie auf Schulungsarbeit, Bündnispolitik und Kooperation mit der Presse orientierte. 2001, nicht zufällig ein Jahr nach dem rot-grünen „Aufstand der Anständigen“, dem sogenannten „Antifa-Sommer“ 2000, löste sich die AA/BO wieder auf. Im Buch skizziert und debattiert Langer noch kurz – und selbstbestätigend - die Ereignisse um die sogenannte „Wehrmachtsausstellung“ und einzelne Antifa-Kampagnen.

An das Buch von Langer, der seit über 30 Jahren und bis heute in der autonomen Antifa aktiv ist und auch die Initiative „Kunst und Kampf“ gegründet hat, lassen sich viele Fragen stellen. Er selbst wirft sie nicht auf, geschweige denn beantwortet sie. Offen bleibt unter anderem: Ist Antifaschismus auch automatisch Antikapitalismus? Und falls ja, was würde das dann bedeuten? Oder ist nur Antikapitalismus auch echter Antifaschismus? Sind bürgerliche Demokratie und Faschismus nur verschiedene Herrschaftsformen des Kapitalismus oder gibt es da – womöglich entscheidende – Merkmale, die eine solche Zuordnung nicht zulassen? Was bedeutete das für die antifaschistische Organisierung, damals und in den 1980er- und 1990er-Jahren? Wenn die KPD strukturell so stalinistisch war, wie es Langer beschreibt, wie kann man die Antifaschistische Aktion dann als „linksradikale Bewegung“ definieren? Warum ist die Antifaschistische Aktion ein positiver historischer Bezugspunkt für linksradikale Politik des ausgehenden 20. Jahrhunderts?

So bleibt unklar, was dieses Buch eigentlich sein soll. Den „ersten umfassenden Überblick über die Entwicklung der Antifa“ wie es auf dem Umschlag heißt, liefert es jedenfalls nicht. Dafür fehlen im Buch, erstens, einige Stränge und, zweitens, gibt es bereits andere Bücher zum Thema. Wer sich mit der Geschichte der (Kämpfe der) Weimarer Republik oder der der Autonomen in der Bundesrepublik bereits beschäftigt hat, wird jedenfalls kaum Neues erfahren. Hinzu kommt das methodische Problem, dass Langer seine subjektive Sichtweise als Beteiligter an den von ihm beschriebenen Ereignissen und Debatten zu wenig reflektiert. Unter Umständen beschreibt er ja relevante Dinge nur aus dem Grund nicht, dass er an ihnen nicht teilgenommen hat.

Vielleicht kann das Buch ja jüngeren AntifaschistInnen etwas vermitteln: über die Geschichte der Klassenkämpfe der Weimarer Zeit und über jene des linken, außerparlamentarischen Antifaschismus im 20. Jh.

Bernd Langer: Antifaschistische Aktion. Geschichte einer linksradikalen Bewegung, Unrast-Verlag, Münster 2014, 264 S., ISBN 978-3-89771-574-5 (1. Auflage, mittlerweile liegt eine zweite, erweiterte, vor)

Diese Rezension erschien zuerst in Ausgabe 3/2015 des "Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung".