Nachricht | Staat / Demokratie - Wirtschafts- / Sozialpolitik - International / Transnational - Afrika Thomas Piketty beim Weltmeister in Sachen «soziale Ungleichheit»

Der Autor von «Das Kapital im 21. Jahrhundert» war diesjähriger Redner der «13th Annual Lecture» der Nelson Mandela Foundation.

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Von Links: Prof. Achille Mbembe, Piketty, Chris Malikane (SEBS), Hlonipha Mokeana (WISER)

 

Der französische Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty (44), von der Paris School of Economics, der mit dem im Jahr 2013 erschienenen Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ einem breiten Publikum bekannt wurde, war der diesjährige Redner der 13th Annual Lecture der Nelson Mandela Foundation.

Neben dem Vortrag an der Universität von Johannesburg am Samstag, den 3. Oktober, hielt Piketty weitere Vorträge im Land. Der erste Vortrag Pikettys an der University of Cape Town am 30. September, wo die Nelson Mandela Foundation ihre neue Initiative gegen Armut und Ungleichheit vorstellte, musste leider ausfallen, da Pikettys Reisepass nicht den südafrikanischen Anforderungen entsprach, und er daher erst verspätet in Südafrika eintraf.

Insgesamt kamen zu den Vorträgen, an denen auch viele StudentInnen teilnahmen, mehr als 5000 Menschen. Zudem wurde der Hauptvortrag Pikettys am Samstag auf dem Soweto der Universität von Johannesburg im südafrikanischen Fernsehen übertragen und via Livestream in vielen Universitäten der Welt, unter anderem an der nigerianischen Universität in Ibadan übertragen.

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung Johannesburg unterstützte die Vorträge Pikettys in Partnerschaft mit der Nelson Mandela Foundation im Rahmen ihres Programms zur Sozialen Gerechtigkeit. Die Bekämpfung der hohen sozialen Ungleichheit in Südafrika bildet seit Jahren einen Programmschwerpunkt der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) und ihrer Partner. Erst im September begann die RLS gemeinsam mit der führenden Wochenzeitung Mail&Guardian die Förderung einer Nachwuchsjournalistin im Rahmen des Fellowship Reporting for Social Justice.

Thomas Piketty, der auch als Politikberater u.a. für Podemos in Spanien und den neuen Labour Chef in Großbritannien, Jeremy Corbyn, tätig ist, wies in seinen Vorträgen auf die seit dem Ende der Apartheid deutlich angestiegene  soziale Ungleichheit in Südafrika hin. Die höchsten Einkommensbezieher in Südafrika, die obersten  10%, erhalten 60 bis 65% der gesamten Einkommen. In Europa entspricht der Anteil, so Piketty, hingegen 30-35%, in den USA 50 bis 55% und in Brasilien 60%.

Über die bestehende Vermögensverteilung  besteht in Südafrika Unklarheit, da es keine jährlich erhobene Vermögenssteuer gibt. Schon aus Gründen der statistsichen Klarheit über das Ausmaß der ungleichen Vermögensverteilung, wünscht sich Piketty eine Einführung einer progressiven Vermögenssteuer in Südafrika. Aber auch zur Finanzierung der staatlichen Aufgaben, vor allem zur Verbesserung der Qualität des Bildungssektors, dem man so Piketty, nicht den Händen von Privaten überlassen dürfe, müsse eine Vermögenssteuer eingeführt werden. Piketty ging aber noch weiter und forderte eine Landreform, um die hohe soziale Ungleichheit abzumildern. Er verwies dabei auf Beispiele in Lateinamerika, die die hohe soziale Ungleichheit dort abgebaut hätten.

Angesprochen auf die Korruption und Misswirtschaft im Land meinte Piketty, dass man auch angesichts dieser Probleme nicht sein Heil in der Privatisierung von staatlichen Leistungen, wie die Bildung, suchen sollte. Langfristig könne ein funktionierender Staat nicht von privaten und ihren wechselnden Vorlieben ersetzt werden.

Pikettys Vorträge stießen auf eine begeistertes Publikum in Südafrika. Lebhafte Diskussionen schlossen sich an den Vorträgen an, wie sich auch an der Debatte in den südafrikanischen Medien zeigte (siehe Linkliste unten).

Neben der Ungleichheit in der Welt, zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden, und der Verteilung des Reichtums zwischen den Klassen der ArbeitnehmerInnen und der Vermögensbesitzer, setzt sich Piketty in seinem Buch «Kapital im 21. Jahrhundert» auch mit der Ungleichheit im Lager der ArbeitnehmerInnen auseinander. Die seit den 1980er Jahren stark gestiegenen Managergehälter kritisierte Piketty als betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigt, sondern Ausdruck einer Selbstbedienungsmentalität.

Südafrikas CEOs, von denen einige der Rede Pikettys an der Universität von Johannesburg am Samstag lauschten, mögen diese Kritik und seine Forderungen nach einer Vermögenssteuer und einem nationalen Mindestlohn nicht gerne gehört haben. Südafrikas Vorstände verdienen, wie ihre Managerkollegen in den USA und Europa, sehr hohe Gehälter und Boni.  

Die RLS Johannesburg wird in ihrem Programm gemeinsam mit ihren Partnern einen Schwerpunkt auf die ungerechtfertigt hohen Gehälter der ManagerInnen in Südafrika legen und darüber hinaus zur Bekämpfung eines Kapitalismus des vererbten Reichtums, der in Europa das 19. Jahrhundert charakterisiert, so Piketty, sein hässliches Gesicht gab, und der in Südafrika bis heute die Lebenschancen von Millionen von Menschen systematisch verhindert, beitragen.

Thomas Pikettys Vorträge und Medienberichte in Südafrika:

Nelson Mandela Annual Lecture 2015

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