„Demo, Derrick, Discofieber“ bietet einen Ausflug in die quietschbunte Kindheit der heute 50- Jährigen und der Generation der etwas Älteren. Mit der soeben eröffneten Ausstellung wird die Kette der kulturgeschichtlichen Ausstellungen im Nordwesten zur neuesten Zeitgeschichte fortgesetzt (1).
Im Landesmuseum in Oldenburg werden Exponate aus dem Jahrzehnt gezeigt, das in Westdeutschland die Nachkriegszeit endgültig vollends abschloss und zugleich der Beginn der Gegenwart ist. LEGO und Playmobil, Plattencover und Bonanza-Fahrrad, Mengenlehre und RAF-Fahndungsplakate, der ab 1974 produzierte VW Golf (der den Käfer ablöst), Trimm-Dich-Pfad und der autofreie Sonntag sind nur einige Beispiele. Überraschendes findet sich in diesem Ausflug in die Themenbereiche Spielzeug, Wohnen, Design, Sport, Urlaub, Kleidung, Politik, Musik und Popkultur dagegen nur wenig. Gezeigt wird das, was man erwartet. Einige Medieneinspielungen, etwa mit Ausschnitten aus den Fernsehsendungen Dalli Dalli und disco bieten einen weitergehenden optischen Eindruck als die Exponate in den Vitrinen. Insgesamt ist die Ausstellung bunt und stellweise grell, genauso wie es die populäre Vorstellung von diesem Jahrzehnt erwarten lässt. Ihr (theoretisches) Leitmotiv ist die These der „neuen Subjektivität“, ein Begriff der ursprünglich aus der Literaturwissenschaft kommt. Gemeint ist hier vielmehr, dass durch die Jugendrevolte der 1960er Jahre und andere Liberalisierungsdynamiken die eigene Identität und Individualität mehr im Mittelpunkt des damaligen Interesses steht. Die Form, in der dies geschieht, sei es durch Esoterik, Fitness oder den Kauf neuer, futuristisch gestalteter Möbel, ist dabei dann schon fast zweitrangig. Die Ausstellung zeigt es (gewollt?) in ihrer vorrangigen Ausrichtung am Mainstream, dass die 1970er Jahre ein Jahrzehnt neuer Formen des Konsums und neuer Vermarktungs-und Konsumstrategien sind – und in dem die Medien, v.a. Illustrierte und das Fernsehen, eine neue, wichtige Rolle spielen. Die historische Forschung diskutiert dies auch. Dass das alles nicht ohne Widersprüche – etwa zwischen neuen persönlichen Freiräumen und Kommerzialisierung - abgeht, macht den Reiz des Themas und dieses Jahrzehnts aus. Zu fragen wäre aber, wie weit die verschiedenen Produkte wirklich gebräuchlich waren, etwa im Unterschied zwischen Stadt und Land oder zwischen verschiedenen Einkommensgruppen. In den Köpfen von vielen waren sie jedenfalls.
Fundierte Texte bietet der ansprechend gestaltete Begleitband.
Demo, Derrick, Discofieber – die siebziger Jahre in der Bundesrepublik; Ausstellung im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg, noch bis 20. März 2016. Adresse: Damm 1, 26135 Oldenburg, Eintritt 6 EUR, erm. 4 EUR, Öffnungszeiten Dienstag-Sonntag 10-18 Uhr. Das Museum im Oldenburger Schloss liegt nur ca. 10 Minuten Fußweg vom Hauptbahnhof entfernt.
Ausstellungskatalog, herausgegeben von Siegfried Müller und Michael Raubold, 158 Seiten, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2015, im Buchhandel 19,95 EUR
(1) 2012/13 fand in Oldenburg bereits eine Ausstellung zu den 60er Jahren statt. Link zur Rezension des Ausstellungsbandes. Unter dem Titel „Popmusik und Pillenknick“ hatte 2012 das nahegelegene Freilichtmuseum Cloppenburg „Die 1960er und 1970er Jahre auf dem Lande“ in einer Sonderausstellung gezeigt und in einer umfangreichen Begleitpublikation untersucht. Vorher dokumentierte das Schlossmuseum in Jever in „Break on through to the other side“ die “Tanzschuppen, Musikclubs und Diskotheken im Weser-Ems-Gebiet in den 1960er, 70er und 80er Jahren“ (Begleitband, Oldenburg 2007).
Foto: Sven Adelaide, Copyright Landesmuseum Oldenburg