Gestern war der große Tag der Eröffnungen in Paris. Nördlich von Paris, am Flughafengelände Le Bourget, wurde feierlich die 21. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, die COP21, eröffnet. Schon am Vormittag hatten die verschiedenen Gruppen, Flügel und Zusammenhänge der Klima(gerechtigkeits)bewegung mit ihren vielfältigen Aktivitäten, Protesten und Aktionen begonnen.
Verlassene Schuhe als Symbol von Ohnmacht?
Direkt vor dem zu trauriger Berühmtheit gelangten Club «Bataclan» organisierten indigene KlimaaktivistInnen eine ergreifende 'Heilungszeremonie'. Auf dem nahegelegenen Place de la Republique wurde die ursprünglich geplante «größte Klimademo aller Zeiten», die nach dem französischen Versammlungsverbot nun nicht mehr stattfinden konnte, durch eine große Ansammlung leerer Schuhe ersetzt. Es waren nicht bloß deutsche AktivistInnen, die in diesem Versuch der Darstellung von Präsenz einerseits eher eine Abwesenheit popularer Macht sahen und andererseits die ziemlich deprimierende Assoziation zu einem massenhaften Sterben zogen.
Derselbe Place de la Republique erlebte wenige Stunden später einen kleinen Klima-Riot, bei dem sich aus einer unangemeldeten Versammlung einiger hundert AktivistInnen einige Dutzende eine kurze Schuh- und Flaschenschlacht mit der Polizei lieferten - was in klassisch-französischer Manier wiederum mit literweise Tränengas beantwortet wurde. Medienberichten zufolge wurden rund einhundert AktivistInnen verhaftet.
Zuletzt, und wohl am beeindruckendsten, fanden sich über 5.000 Menschen trotz des Demonstrationsverbots zu einer Menschenkette zusammen. Bunt und gelaunt wiesen sie auf die wichtigen Themen auf der Klima-Agenda hin und bildeten die Bandbreite der Klimabewegung ab: von ergrauten französischen Lehrerinnen bis hin zu jungen Maoriaktivisten aus Neuseeland. In der massenmedial vermittelten Außenwahrnehmung dominierten die zwei eher uninteressanten Events: die deprimierenden Schuhe und der ziemlich unstrategische Mini-Aufstand. Die «Human Chain», an der viel mehr Menschen teilnahmen, hatte eine ungleich stärkere Ausstrahlung.
Die Bewegung hat sich ihren Raum genommen
Hier zeigte sich: Trotz der Attacken und trotz des Ausnahmezustands geht es nach vorne. Die Bewegung hat es geschafft, dem Staat Raum auf der Straße abzutrotzen, und das, ohne die Sensibilität einer verwundeten und verängstigten Stadt zu verletzen. In einem Kurzinterview mit uns hat das Naomi Klein sehr schön ausgedrückt: «Ja, Sicherheit ist wichtig, aber die Sicherheit eines jeden Menschen ist wichtig. Menschen verlieren ihr Leben dadurch, dass wir nicht gegen den Klimawandel aktiv werden. Und diese Leben sind auch wichtig, sie sind genauso wichtig.»
Und noch etwas anderes wurde gestern eröffnet: das «Blame Game», das Diskursspiel, in dem sich jetzt schon beginnt herauszukristallisieren, wem am Ende des Gipfels dessen Scheitern vorgeworfen werden wird. Das Spiel hat Indien auserkoren. Nachdem China vielen inzwischen als Klimaschützer gilt, ist es nun das nächste große Schwellenland, dessen Beharren auf dem «Prinzip der gemeinsamen aber unterschiedlich verteilten Verantwortung» (Principle of Common but Differentiated Responsibilites) als große Bremse ausgelegt wird.
«Blame Game» verstellt wichtige Tatsachen
Fatal an diesem «Blame Game» ist, dass völlig aus dem Blick geraten zu droht, dass ein völlig unambitioniertes Gipfe-Ergebnis vor allem damit zu tun hat, dass der «American Way of Life» nicht verhandelbar ist - weshalb die Länder des Globalen Nordens absolut unzureichende Emissionsreduktionsziele auf den Tisch legen. Und es gerät aus dem Blick, dass die Länder des Globalen Nordens ihrer historischen Verantwortung für den Klimawandel völlig unzureichend gerecht werden - und viel zu wenig Geld für Klimaschutz, Klimaanpassung und für den Ausgleich von Schäden und Verlusten durch den Klimawandel auf den Tisch legen.