Nachricht | Gesellschaftliche Alternativen - COP 21 Jenseits von COP21 | Harte Aufbauarbeit

Die Klima(gerechtigkeits)bewegung organisiert sich für die Zeit nach dem Gipfel. Von der Schwierigkeit, eine globale Bewegung zu sein - oder werden zu wollen.

Es ist nicht leicht, sich nicht frustrieren zu lassen angesichts von politischen Sonntagsreden, angesichts der immer gleichen Dynamik von Spannung - Enttäuschung - Depression - und neuerlicher Spannung innerhalb der Zivilgesellschaft, und angesichts der immer gleichen Ermahnungen, dass dieser Gipfel nun wirklich derjenige sei, bei dem alles anders wird. Wenn sich selbst die Metaphern der schreibenden Zunft abnutzen, die die ewige Wiederkehr des Gleichen karikieren (vom täglich grüßenden Murmeltier über die 'Klappe, die x-te' hin zur "same procedure as last year"), sind Zynismus und Hoffnungslosigkeit nicht weit.

Aber es tut sich etwas. Nicht notwendigerweise in der Klimapolitik. Dafür aber umso mehr in der Klimabewegung. Ein zentraler Kristallisationspunkt dieser Bewegung ist die Coalition Climat 21, die aus einem ersten großen Vernetzungstreffen von KlimaaktivistInnen zur COP21 im August 2014 hervorgegangen ist und die politisch breiteste Vernetzung von KlimaaktivistInnen darstellt, die es weltweit bisher gegeben hat.

Die Coaltion Climat überwindet Spaltungen - zumindest ansatzweise

Das Besondere an der Coalition ist, dass sie bisherige Spaltungen innerhalb der Klimabewegung zumindest ansatzweise überwindet: Das ist, erstens, die seit dem UN-Klimagipfel 2007 in Bali bestehende Spaltung zwischen denen, die nach Klimaschutz rufen, das heißt primär nach einer Reduktion der Treibhausgasemissionen, und denen, die in einem sehr viel umfassenderen Sinne Klimagerechtigkeit fordern. Sichtbar werden die unterschiedlichen Positionen vor allem anhand des Streits um die Bewertung von Marktmechanismen im internationalen Klimaschutz. Während Climate Action-AktivistInnen Mechanismen wie den Emissionshandel, REDD oder den Clean Development-Mechanismus als grundsätzlich erfolgversprechende Instrumente zur Treibhausgasreduktion ansehen, kritisieren Climate Justice-AktivistInnen diese Instrumente als modernen Ablasshandel, der die umweltzerstörerischen und ausbeuterischen Strukturen fortschreibt.

Zweitens, hebt die Coalition Climat 21 auch die Spaltung zwischen dem eher prozessorientierten Flügel der Klimabewegung einerseits und dem eher aktionistischen Flügel andererseits auf. Stellvertretend für die deutsche Debatte ist hier die Frage, ob Klimaschutz eher durch direkte Aktionen im Rheinland und der Lausitz erzwungen oder aber auf den Klimagipfeln gemacht wird.

Im Vorfeld der Mobilisierung nach Paris haben sich all diese verschiedenen, seit Jahren in unterschiedlichen Netzwerken arbeitenden Gruppen getroffen und versucht, sich trotz der bedeutenden politischen Unterschiede zusammenzuraufen. Der Preis dieser politischen Breite war - das muss man zugeben - die Vermeidung realer politischer Debatten: Was genau kann man eigentlich vom UN-Klimagipfel erwarten? Für wie wichtig hält man die COP21? Welche Rolle sollte ziviler Ungehorsam für die Klimabewegung spielen? Und wie steht man zum kapitalistischen Wachstumszwang, der Gretchenfrage der Umweltbewegung?

«United we win, divided we lose »

Bei diesen Konflikten bestand die reale Gefahr, dass die Coalition angesichts der extrem angespannten Situation nach dem 13. November hätte zerbrechen können. Trotz der enormen politischen Fliehkräfte besteht sie aber fort; die politischen Kräfte von großen Gewerkschaften bis hin zu ungehorsamen Linksradikalen stehen weiter zusammen. Das macht Mut, brachte es der Pressesprecher der Coalition, Nicolas Haeringer, gestern auf den Punkt. Der Grund? Die nahenden "Deadlines" in der Klimapolitik, die Kipppunkte im Klimasystem, haben in vielen einen intensiven Wunsch nach Zusammenarbeit geweckt. "United we win, divided we lose" - so langsam ist allen, ungehorsamen Radikalen wie prozessoptimistischen Moderaten, klar, dass sich die Klimabewegung jenseits von Paris organisieren muss.

Gestern fand fernab des UN-Konferenzgetümmels unter dem Motto "Beyond Paris" eines der wichtigsten Treffen des gesamten Gipfels statt: Es ging darum, wie sich die globale Klima(gerechtigkeits)bewegung in den nächsten Jahren aufstellen wird. Was sind - angesichts der Tatsache, dass der UN-Prozess nicht ausreichen wird, das drohende Klimachaos abzuwenden - die Strategien und wo sind die Hebelpunkte, welche die Bewegung verbreitern und vertiefen?

Die Weiterentwicklung der Bewegung ist eine riesige Herausforderung: Klimarelevante soziale Auseinandersetzungen finden auf allen Ebenen statt; es gibt lokale, regionale, nationale, kontinentale und globale Kämpfe. Es gibt in der breiten Klimabewegung radikale und moderate Kräfte, solche, die mit Regierungen zusammenarbeiten und andere, die das nicht tun. Manche fühlen sich der Klimagerechtigkeit verpflichtet, andere dem Klimaschutz. Einige verfügen über relativ viele Ressourcen; andere können kaum jemanden zu einem internationalen Treffen schicken. Wie kann man hier gemeinsame Strategien finden? Wie lassen sich die Auseinandersetzungen auf den verschiedenen Ebenen koordinieren und damit ihre Durchschlagskraft erhöhen? Denn erhöhte Durchschlagskraft ist das, was wir brauchen. Bisher haben die Bemühungen der Klimabewegung zwar einiges an medialer Aufmerksamkeit erheischt. Derweil sind jedoch die globalen Treibhausgasemissionen weiter angestiegen. Der Siegeszug des Fossilismus ist noch lange nicht beendet. Das Klimachaos bahnt sich weiter seinen Weg.

Klimaschutz ist Handarbeit

Auf der einen Seite also: Zeitdruck, Erfolgsdruck, geringe Ressourcen, viele Spaltungen und Differenzen. Auf der anderen Seite: die Einsicht, dass die Klimabewegung trotz dieser Differenzen zusammenarbeiten muss und - so das Beispiel das Coalition - auch kann.

Praktisch bedeutet das, dass die Klima(gerechtigkeits)bewegung sich auch jenseits der COP21 organisieren muss. Das beinhaltet auch ganz praktische Fragen: Wo soll man sich treffen? Wer ist näher dran am Treffpunkt, kann leichter anreisen, und wer zahlt die Reise? Wer braucht ein Visum, wer keins? In diesen praktischen Fragen verstecken sich wiederum politische Fragen: Ein Treffen im globalen Norden, zum Beispiel - wie momentan angedacht - in Berlin, bedeutet zwar, dass sich hierfür Ressourcen finden lassen, aber auch, dass dort wieder mehr AktivistInnen aus dem Norden als aus dem Globalen Süden vertreten wären.

Auch um solche Fragen geht es hier in Paris - noch bevor und während die Diskussion über gemeinsame politische Prinzipien, Ziele und Strategien beginnt. Eine globale Bewegung im Aufbaustadium. Schwierig. Aber wenn hier nichts passiert: wo dann? Und wer sollte diese Diskussionen sonst führen? Klimaschutz ist eben Handarbeit. Darin stimmen alle überein.