Nachricht | Gesellschaftliche Alternativen - COP 21 Veranstaltungsbericht | Resisting Extreme Extraction: Unions and the Call for a Global Moratorium on Fracking

Gewerkschafter erneuern ihre Forderung nach einem weltweiten Moratorium für Fracking.


3.12.2015 | 13:30-14:30 Uhr | Civil Society Space "Climate Generations" / World of Work Pavilion, Le Bourget


Fracking wird im Rahmen der Diskussion um die langsame Abkehr von fossilen Energieträgern gern als "Brückentechnolgie" dargestellt. "Das ist absolut keine gute Idee", sagt Robert Howarth, Professor für Ökologie und Umweltbiologie an der Cornell Universität. Bei der Technologie wird das Erdgas, das nicht wie beim konventionellen Gas in einer großen "Blase" im Boden lagert, sondern diffus im Gestein verteilt ist, unter Beigabe von Chemikalien und Sand unter hohem Druck aus dem Boden gepresst. Das hat nachweislich desaströse Auswirkungen: Wasserressourcen werden weiträumig verschmutzt, was ernsthafte Gesundheitsschäden zur Folge haben kann. Darüber hinaus kommt es immer wieder zu Erdbeben. Entscheidend jedoch ist - und deshalb spielt das Thema hier in Paris eine Rolle - dass Fracking deutlich klimaschädlicher ist als die Förderung von konventionellem Erdgas. Denn hierbei treten große Mengen Methan aus. Das führt dazu, dass die Energiegewinnung aus Schiefergas sogar klimaschädlicher als diejenige aus Kohle ist.

Irreführende Metapher von der "Brückentechnologie"

Howarth bemängelte, dass die Diskussionen innerhalb der Klimawissenschaft bisher auf CO2 fokussierten, obwohl Methan um ein Vielfaches klimawirksamer sei als Kohlendioxid. In den vergangenen drei Jahren seien etwa 35 neue Studien erschienen, die den Austritt von Methan beim Fracking untersuchen. Deren Aussagen sind widersprüchlich: Während einige einen niedrigeren Methanausstoß als bei der konventionellen Gasförderung diagnostizieren, zeigen andere stark erhöhte Emissionen. Howarth zufolge kommen letztere Studien der Wahrheit näher. Der Grund: Die Ergebnisse der Studien, die dem Fracking einen eher geringen Methanausstoß bescheinigen, würden auf einem falschen Einsatz der Messgeräte basieren.

Wie irreführend die Metapher von der "Brückentechnologie" ist, wird auch deutlich, wenn man sich folgenden Zusammenhang klar macht: Selbst wenn die globalen Treibhausgasemissionen sofort auf Null sinken würden, würde die globale Durchschnittstemperatur bereits um 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter steigen. Die "Brücke", die suggeriert, dass Frackinggas einen unproblematischen Übergang in ein klimaverträgliches, postfossiles Zeitalter bietet, ist also eine Illusion. Howarths Forderung in Paris: Wir müssen den Ausstoß von Methan im Energiesektor sofort beenden.

Wie das gelingen kann und welche Rolle Gewerkschaften im Widerstand gegen Fracking spielen können, zeigt sich am Beispiel des US-Bundesstaats New York. Dort ist es durch eine breit angelegte Kampagne gelungen, ein Verbot von Fracking durchzusetzen, berichtete Judy Gonzalez von der New York State Nurses Association (NYSNA). Einerseits hat sich die Gewerkschaft mit ihrer Kampagne direkt an den Gouverneur gerichtet. Andererseits hat sie die Bevölkerung umfassend über die mit der Kontaminierung des Wassers verbundenen Gesundheitsrisiken von Fracking aufgeklärt.

Fracking-Moratorium im US-Bundesstaat New York

Zwei Dinge seien entscheidend für den Erfolg der Kampagne gewesen: Zum einen wisse jeder um die Bedeutung des Wassers für das Leben, so Gonzalez. Es mache einfach Eindruck, wenn man darüber informiere, dass jede einzelne Förderstelle von Schiefergas mehr als sieben Millionen Liter Wasser verschwendet und verschmutzt. Hilfreich sei zudem gewesen, dass Krankenpfleger_innen einen hohen Grad an Glaubwürdigkeit besitzen und damit auch deren Warnungen vor den gravierenden Gesundheitsrisiken durch Fracking. Während der Kampagne waren Campaigner_innen der NYSNA überall dort aufgetaucht, wo auch der Gouverneur öffentlich auftrat. Damit konnten sie schließlich erreichen, dass der Gesundheitsausschuss des State of New York ein Moratorium von Fracking bekannt gab.

Von ähnlichen Erfolgen konnte auch Joaquin Turco von der argentinischen Gewerkschaft Central de Trabajadores Argentinos (CTA - Autónoma) berichten. Argentinien verfügt über die zweitgrößten Gasvorkommen der Welt. 2012 wurde die erste Fracking-Bohrung in Betrieb genommen - in unmittelbarer Nähe zu einer Region, in der traditionell viel Obst angebaut wird. Zunächst waren es hier die Arbeiter, die den Kampf gegen Fracking organisierten. Schnell aber schlossen sich Studierende, indigene Aktvist_innen und andere Gruppen an. Der Widerstand gegen Fracking wurde zudem in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den argentinischen Kämpfen gegen Mega-Minenprojekte oder Agrarkonzerne gestellt. Das habe bei der Mobilisierung geholfen, so Turco.

Zwar startete die argentinische Regierung sofort eine Gegenkampagne. Studien wurden in Auftrag gegeben, die die Unschädlichkeit und Vorteile von Fracking beweisen sollten. Es wurde propagiert, dass Schiefergas die Energiekrise lösen würde und die Alternative zu Öl sei. Aktivist_innen wurden kriminalisiert. Dennoch machte die Bewegung weiter und hatte schließlich Erfolg: Mittlerweile haben sich 50 Kommunen in Argentinien zu fracking-freien Zonen erklärt. "Der Kampf gegen Fracking und gegen jegliche Förderung fossiler Brennstoffe ist die Verteidigung von Menschenleben, die Verteidigung der Umwelt, des Bodens und des Wassers für die künftigen Generationen", sagte Turco. "Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird unser Planet es überleben, unsere Zivilisation aber nicht."

Fracking schafft kaum Arbeitsplätze

Eines der zentralen Argumente, mit denen sich der Widerstand gegen Fracking auseinandersetzen muss, ist die Behauptung, dass Fracking neue Arbeitsplätze schafft. Dem allerdings widerspricht Sean Petty von der Gewerkschaft National Nurses United. Dies sei eine Behauptung, die sich in den USA - als dem Land mit den weitreichendsten und längsten Erfahrungen mit der Fracking-Industrie - inzwischen eindeutig widerlegen lasse. In einer der größten Fracking- Regionen der USA, dem Marcellus Shale in Pennsylvania, kann man heute nachweisen, dass jede einzelne Fracking-Bohrstelle nur sehr wenige Arbeitsplätze generiert habe. Insgesamt machten Arbeitsplätze, die durch Fracking entstanden sind, gerade einmal 0,13 Prozent der Arbeitsplätze in der Region aus. Auch die Behauptung, dass Arbeitsplätze in der Ölförderung durch Fracking-Jobs ersetzt würden, um dann zu Arbeitsplätzen in "sauberen" Energiesektoren zu werden, sei nachweislich falsch. Tatsächlich zeige sich, dass Fracking die Schaffung neuer Arbeitsplätze im Bereich der Erneuerbaren Energien blockiere. "Jeder Dollar, der in fossile Brennstoffe investiert wird, wird eben nicht in Erneuerbare investiert", so Petty.

Auch in Tunesien gibt es erste Erfolge im Kampf gegen Fracking. Dort ist es mithilfe des Widerstands der Gewerkschaft der Arbeiter im Energiesektor gelungen, dass die Regierung aus dem Vertrag mit Shell über den Einsatz von Fracking in der Region Kairouan ausgestiegen ist, berichtete Gewerkschaftsvertreter Mansour Cherni. Nun allerdings sei der Konzern Total aufgetaucht, um neue Verträge abzuschließen. Deshalb habe der Generalsekretär der tunesischen Gewerkschaft Union Générale Tunisienne du Travail, Kacem Afaya, soeben die Forderung nach einem weltweiten Moratorium für Fracking unterzeichnet. Auch Vertreterinnen der britischen Kampagne "Frack Free South Yorkshire" sowie der Dienstleistungsgewerkschaft aus Kalifornien appellierten an das Publikum, die eigenen Gewerkschaften aufzufordern, die von den Trade Unions for Energy Democracy (TUED) erhobene Forderung nach einem Moratorium ebenfalls zu unterzeichnen. Erst müsse das Moratorium durchgesetzt werden, anschließend dann das weltweite Verbot von Fracking.