Nachricht | Gesellschaftliche Alternativen - COP 21 Jenseits von COP21 | Störmanöver an deutschen CO2-Hotspots

Einige wundern sich, dass die deutsche Anti-Kohle-Bewegung in Paris nicht vertreten ist. Die Bewegung ist aber trotzdem aktiv: direkt an den deutschen CO2-Hotspots

"Protestparty ohne die Deutschen" titelte kürzlich die taz in einem Artikel über die zugegebenermaßen auffällige Abwesenheit der von vielen AktivistInnen zunehmend als kraftvoll und ungehorsam empfundenen Anti-Kohle-Bewegung aus Deutschland hier bei den Protesten und in den aktivistischen Räumen in Paris. Ein bisschen schwang da auch ein Vorwurf mit: Die Deutschen kümmern sich nicht darum, was außerhalb des Landes passiert. Die enorme Unterstützung, welche die Kampagne «Ende Gelände» im vergangenen Sommer durch AktivistInnen aus dem Ausland, vor allem auch aus Frankreich, erfuhr, werde nicht vergolten; die in Deutschland setzen ihren eigenen Zeitplan, und pfeifen auf alles andere.

Nach den vergangenen Tagen muss man diese Einschätzung korrigieren. Es stimmt zwar, dass die Erfahrungen des Klimagipfels 2009 in Kopenhagen vielen vielleicht noch ein bisschen tiefer in den Knochen steckt als anderen - es gab fast 1.000 größtenteils präventive Verhaftungen und die massive Mobilisierung der deutschen Klimaszene führte zu nichts. Es stimmt auch, dass KlimaaktivistInnen hierzulande derzeit den 'Luxus' haben, mit dem Klimaschutz nicht auf die COPs warten zu müssen, sondern mit dem Kampf gegen die Braunkohle, und für eine demokratische, dezentrale Energiewende eine Auseinandersetzung zu führen, die tatsächlich zu gewinnen ist.

Aber das bedeutet nicht, dass der Klima- und Anti-Kohle-Bewegung in Deutschland der internationale Kontext egal ist. Der Beweis dafür: Deutschland erlebt in diesen Tagen eine Welle direkter Aktionen gegen die Kohle und für Klimagerechtigkeit - ganz bewusst zeitlich abgestimmt und in einen engen Zusammenhang mit dem Pariser Gipfel gebracht.

Aktion 1: Am Samstag haben rund 20 KlimaaktivistInnen eine Zufahrt zum RWE-Kohlekraftwerk Niederaußem blockiert. Das Kraftwerk emittiert knapp 30 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr und steht damit auf Platz drei der emissionsintensivsten Kraftwerke Europas. In ihrer Presseerklärung nehmen die AktivistInnen explizit auf Paris Bezug. Und sie heben noch einmal die fast durchgängig geteilte Analyse hervor, dass nicht am Verhandlungstisch in Paris über den Klimaschutz entschieden wird, sondern an den CO2-Hotspots dieser Welt. Außerdem stellen sie ihre Aktion in den Kontext der 'Climate Games', einer Reihe dezentraler Klimaschutzaktionen während der zwei Gipfelwochen.

Aktion 2: Ebenfalls am Samstag sind zehn AktivistInnen in den Tagebau «Vereinigtes Schleenhain» im Mitteldeutschen Braunkohlerevier südlich von Leipzig eingedrungen. Sie haben einen riesigen Kohlebagger blockiert, der daraufhin für mehrere Stunden die Arbeit einstellen musste. Unter dem Logo «Ende Gelände» prangte der Slogan, der seit Kopenhagen die Kernposition des Gerechtigkeitsflügels der Klimabewegung darstellt: «System Change, not Climate Change».

Aktion 3: Bereits am Freitag gelang es mehreren KlimaaktivistInnen für mehrere Stunden ein großes Banner an Berlins ikonischer Siegessäule anzubringen. Der simple, aber effektive Slogan: «Climate Justice Now!» Der Name und die Losung eines der zwei großen, internationalen Klimanetzwerke war nicht zufällig gewählt.

Aktion 4,5,6... Auch heute stören AktivistInnen wieder die deutsche Braunkohleförderung, diesmal im Lausitzer Kohlerevier in den Tagebauen Jänschwalde und Welzow Süd. Ihr Slogan: «Hier wird das Klima verhandelt».

Es stimmt also ganz und gar nicht, dass die Proteste um den Pariser Klimagipfel herum ohne die deutschen AktivistInnen stattfinden. Sie haben sich nur andere Schauplätze gesucht. Egal ob sie gerade in Paris sind oder an den CO2-Hotspots - die AktivistInnen sind überzeugt: Wirklichen Klimaschutz wird es auf der COP nicht geben, sondern muss vor Ort erkämpft werden. Hier wird sich ihrer Meinung nach entscheiden, ob die Welt die Klimakatastrophe noch wird abwenden können.