Die bekannte US-Bürgerrechtlerin Angela Davis hat bei zwei Veranstaltungen der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen-Anhalt zu globaler Solidarität und Entschlossenheit im Kampf gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Fremdenfeindlichkeit aufgerufen. „Wir müssen dauerhafte Gemeinschaften des Widerstandes schaffen“, sagte sie in Magdeburg.
Beim Aufbau von Protestbewegungen sei allerdings Geduld gefragt. „Wir dürfen den Aufwand und die Fertigkeiten nicht unterschätzen, die dazu nötig sind“, sagte Davis bei einer Buchpräsentation vor rund 200 ZuhörerInnen im Haus der Gewerkschaften. Es gehe weniger darum, ein Mal eine große Demonstration auf die Beine zu stellen: „Was wir brauchen sind dauerhafte und stabile Strukturen.“ Dafür müssten die Lektionen der Vergangenheit von Generation zu Generation weitergegeben werden. Die Jüngeren dürften sich zudem von Rückschlägen nicht entmutigen lassen. „Don’t give up“ (Gebt nicht auf), rief Davis einer Studentin zu: „Experimentiert, probiert etwas Neues aus“.
Zuvor hatte die Philosophieprofessorin von US-Präsident Barack Obama ein entschiedeneres Vorgehen gegen Rassismus und die Benachteiligung von Einwanderern gefordert. Der Rassismus sei mehr denn je eingebettet in die sozialen, ökonomischen und ideologischen Strukturen der amerikanischen Gesellschaft, sagte sie bei einem Vortrag vor rund 200 ZuhörerInnen an der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität: „Wir haben ihn nicht signifikant überwunden.“ Seit Beginn des so genannten „Kriegs gegen den Terror“ habe etwa die Islamophobie stark zugenommen. Sie sei das heutige Gesicht des Rassismus in den USA. „Obama hat noch nicht genug getan, um diese Themen anzugehen“, rügte Davis.
Für den Fortbestand des Rassismus in den USA machte Davis eine Reihe von Gründen verantwortlich: Neben dem Abbau wohlfahrtsstaatlicher Instrumente seit Beginn der 1980er-Jahre durch Reagan- und Bush-Administrationen nannte sie die Privatisierungen im Gesundheits- und Bildungssektor. Für Nichtweiße sei der Zugang zu weiterführenden Schulen und guten Arbeitsplätzen erschwert.
Die exzessive Überwachung armer Wohngegenden durch die Polizei bedrohe Schwarze und Latinos viel mehr als Weiße mit Festnahmen und Freiheitsentzug. Im US-Bundesstaat Arizona könnten die Beamten neuerdings jeden Mann und jede Frau festnehmen, wenn sie ihn oder sie der illegalen Einwanderung verdächtigten. Nach wie vor äußere sich Rassismus in drakonischen Gefängnisstrafen für Bagatelldelikte. Davis berichtete von einem jungen Schwarzen, der nach dem Diebstahl eines Pizzastücks zu lebenslanger Haft verurteilt worden sei. Der Mann war zwei Mal vorbestraft – bei ihm wendete das Gericht darauf hin das knallharte so genannte Drei-Verstöße-Recht (three strikes law) an.
Scharfe Kritik übte Davis auch am privatisierten Strafvollzug in den USA. Die US-Gefängnisindustrie (prison industrial complex) sei ein wachsender Sektor, der Profite aus der „Sklavenarbeit“ der Insassen ziehe und Modell stehe für den Gefängnisbetrieb weltweit. In Ländern wie Großbritannien, Australien oder Chile habe sich bereits ein derartiger „Nischenmarkt“ für Privatunternehmen nach US-Vorbild entwickelt. Laut Davis sitzen in den USA gegenwärtig rund 2,4 Millionen Männer und Frauen ein. Die Inhaftierungsrate sei damit höher als in allen anderen Staaten. Rassismus sei ein integraler Bestandteil des US-Gefängnissystems. Davis unterstützt das 21st Century Abolition Movement, das sich für eine Abschaffung der Todesstrafe und gegen den gegenwärtigen Strafvollzug einsetzt.
Davis wurde von den ZuhörerInnen ein warmherziger Empfang bereitet. Mehrere Männer und Frauen hatten Erinnerungsfotos an ihren Besuch im Jahr 1972 in der Stadt dabei, deren Ehrenbürgerin sie ist. Großer Andrang herrschte auch bei der Signierstunde gemeinsam mit dem Autor Klaus Steiniger, dessen jüngst erneut erschienenes Buch „Angela Davis. Eine Frau schreibt Geschichte“ in Magdeburg präsentiert wurde.
Begrüßt worden war Davis am Morgen an der Magdeburger Universität vom Vorstandsvorsitzenden der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen-Anhalt, Hendrik Lange. Der Leiter des Instituts für fremdsprachliche Philologien der Otto-von-Guericke-Universität, Prof. Dr. Holger Kersten, würdigte die wissenschaftlichen Verdienste der 66-jährigen Philosophin. Der Leiter des Afrikareferats der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Arndt Hopfmann, moderierte die Diskussion. Am Nachmittag eröffnete die Referentin für Sozialpolitik beim DGB-Landesvorstand, Susanne Wiedemeyer, die Buchpräsentation im Gewerkschaftshaus. Die Moderation hatte Rosemarie Hein, Bundestagsabgeordnete der LINKEN aus Magdeburg und Vorstandsmitglied der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen-Anhalt.