Nachricht | Erinnerungspolitik / Antifaschismus - GK Geschichte Vergessene Akteurinnen der ‚Aufarbeitung der Vergangenheit‘. Die konfrontative Geschichtspolitik der Lagergemeinschaft Ravensbrück in der BRD der frühen 1980er Jahre

An den Orten ihrer eigenen Inhaftierung, in den Kleinstädten Rudersberg, Geislingen und Moringen fordern die Frauen die öffentliche Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen ein

Information

 Am 4. Juni 1966 gründeten einige Überlebende der Frauen-Konzentrationslager Moringen, Lichtenburg und Ravensbrück in Frankfurt am Main einen gemeinsamen politischen Überlebendenverband mit dem Namen Lagergemeinschaft Ravensbrück – Zusammenschluß ehemaliger Häftlinge der deutschen Frauenkonzentrationslager. Sie folgten damit dem Beispiel überlebender Frauen in der DDR, deren Ravensbrück-Komitee in verschiedenen Formen bereits seit dem Januar 1947 bestand. Der Gründungskreis der Lagergemeinschaft Ravensbrück in der BRD bestand zum Großteil aus Kommunistinnen wie Käthe Jonas, Luise Mauer und Doris Maase, die als Mitglieder der KPD am Widerstand gegen den Nationalsozialismus teilgenommen hatten, deswegen verhaftet worden waren und teils jahrelange Haft in nationalsozialistischen Gefängnissen und Konzentrationslagern überlebt hatten. Unmittelbar nach der Befreiung 1945 beteiligten sie sich, wie die spätere jahrelange Sprecherin der Lagergemeinschaft Gertrud Müller, an den Frauen- und Antifa-Ausschüssen und in den 1950er Jahren an friedenspolitischen Kampagnen und der Politik der KPD, auch nach deren Verbot 1956. Das politische und historische Selbstverständnis der Frauen der Lagergemeinschaft Ravensbrück – wenngleich sie ein heterogener Verband war und auch Christinnen zu ihren prägenden Mitgliedern zählte – war geformt von einer besonderen, doppelten biografischen Erfahrung: als aktive Frauen der sozialistischen Arbeiterbewegung der Weimarer Republik und als Überlebende der Konzentrationslager. Das nach 1945 folgende politische Handeln war so immer auch gerichtet auf die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus und an den gegen ihn gerichteten Widerstand. Damit standen die Lebenserfahrung der Mitglieder der Lagergemeinschaft Ravensbrück, ihre auf politischer Handlungsebene umgesetzte Traumaverarbeitung und ihre politische Interpretation nach 1945 zwar unterschiedlich stark und in veränderten Formen, aber doch stets grundsätzlich gegen den weit verbreiteten Wunsch nach Vergessen und Schlussstrich in der deutschen Gesellschaft.

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Fischer promoviert an der Humboldt-Universität Berlin mit einer Kollektivbiografie der Geschichte der Frauen der Lagergemeinschaften Ravensbrück, in DDR und BRD, von 1945 bis 1989.